Ernst & Young: Autobauer mit

Rekordgewinnen im ersten Halbjahr – deutsche Hersteller mit der höchsten Marge

Stuttgart (31.8.21) – Trotz Halbleitermangel und Lieferengpässen: Die weltweite Automobilindustrie hat im ersten Halbjahr mehr Gewinn erwirtschaftet als je zuvor. Die 16 größten Autokonzerne der Welt erzielten im ersten Halbjahr insgesamt einen operativen Gewinn von 71,5 Milliarden Euro – nach einem Verlust von 4,1 Milliarden Euro in der ersten Hälfte des Vorjahres.

Die durchschnittliche Marge kletterte im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von
-0,7 Prozent auf 8,8 Prozent – und damit auf den höchsten Stand mindestens seit 2004, als die Analyse erstmals durchgeführt wurde.

Die deutschen Konzerne hatten mit einer gemeinsamen Marge von 11,2 Prozent weltweit die Nase vorn – bei BMW lag der Wert sogar bei 14,5 Prozent, womit der bayerische Konzern im ersten Halbjahr der weltweit profitabelste Autokonzern war.

Während der Gewinn auf ein neues Rekordniveau kletterte, lagen der weltweite Pkw-Absatz und Umsatz unter dem Vorkrisenniveau von 2019: Zwar stieg der Pkw-Absatz um 27 Prozent auf 33,5 Millionen Fahrzeuge, lag damit aber immer noch um 11 Prozent niedriger als in der ersten Hälfte des Jahres 2019. Und auch der Umsatz der Konzerne stieg gegenüber dem Vorjahreszeitraum zwar um 32 Prozent auf 809 Milliarden Euro, verfehlte damit aber das Niveau des Vergleichszeitraums 2019 um zwei Prozent bzw. 16 Milliarden Euro.

Das stärkste Absatzplus erwirtschafteten die untersuchten Unternehmen im ersten Halbjahr in den USA, wo die Verkäufe um 29 Prozent zulegten, gefolgt von Westeuropa (plus 27 Prozent) und China (plus 23 Prozent).

Die gute Entwicklung der Finanzkennzahlen spiegelt sich auch in der Entwicklung der Aktienkurse wider: In Summe kletterte die Marktkapitalisierung der 16 untersuchten Unternehmen seit Jahresbeginn um 15 Prozent auf 1,6 Billionen US-Dollar. Überdurchschnittlich stark stieg der Börsenwert von Ford (plus 58 Prozent) und Volkwagen (plus 53 Prozent). Höchstbewerteter Autokonzern ist nach wie vor Tesla mit einer Marktkapitalisierung von knapp 703 Milliarden US-Dollar – das ist mehr als doppelt so viel, wie alle deutschen Hersteller zusammen wert sind.

Das sind Ergebnisse einer Analyse der Finanzkennzahlen der 16 größten Autokonzerne der Welt, die die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY quartalsweise erstellt.

„Trotz aller Widrigkeiten haben die Top-Autokonzerne ein phänomenal starkes erstes Halbjahr hingelegt,“ sagt Peter Fuß, Partner bei EY. „Im Vorjahr hatten noch stillgelegte Fabriken und geschlossene Autohäuser zu Rekordverlusten geführt, nun profitiert die Branche von den eingeleiteten Kostensenkungsmaßnahmen, vom Trend zu teuren und großen Modellen, und nicht zuletzt von einem derzeit für sie günstigen Preisumfeld: Der Chipmangel führt dazu, dass sich die Autokonzerne auf margenstarke Fahrzeuge konzentrieren und weniger darauf angewiesen sind, hohe Rabatte zur Ankurbelung des Geschäfts zu geben. Derzeit ist die Nachfrage größer als das Angebot – diese Situation weiß die Branche durchaus für sich zu nutzen.“

Alle untersuchten Konzerne konnten ihre Profitabilität deutlich steigern, rote Zahlen schrieb keines der Unternehmen, nachdem im Vorjahreszeitraum noch acht der 16 Unternehmen ein negatives operatives Ergebnis ausgewiesen hatten.

Bemerkenswert sei, so Fuß, dass sich das Hochfahren der Elektromobilität und das deutliche Absatzwachstum bei Elektroautos und Plug-in-Hybriden offenbar nicht spürbar negativ auf die Marge ausgewirkt haben: „Wir sehen, dass sich derzeit viele Unternehmen konsequent und mit Hochdruck auf Elektromobilität ausrichten. Vom befürchteten Gewinneinbruch aufgrund vermeintlich weniger margenträchtiger Elektroautos ist zumindest bislang nichts zu sehen.“

Branche vor großen Herausforderungen

Trotz der derzeit hervorragenden Finanzlage sieht Peter Fuß die Autoindustrie in schwierigem Fahrwasser: „Lieferengpässe bei Halbleitern, anderen Vorprodukten und Rohstoffen führen zu teils erheblichen Einschränkungen in der Produktion und zu hohen Zusatzkosten. Der Klimawandel und immer häufigere Extremwetterereignisse führen zu zusätzlichen Belastungen der Lieferketten, die ohnehin aufgrund der Corona-Pandemie nach wie vor brüchig sind. Ambitionierte regulatorische Vorgaben werden neue Antworten erfordern – und den Wandel der Geschäftsmodelle und der Produktportfolios noch beschleunigen. Die Autoindustrie ist daher gut beraten, wenn sie die Milliardengewinne von heute in Zukunftstechnologien und nachhaltige Geschäftsmodelle investiert“.