Die Deutsche Bundesbank feiert Anfang August d. J. ihr 60-jähriges Jubiläum! Das Motto: Seit 1957 sorgt die Notenbank für stabiles Geld in Deutschland und Europa.

www.geldanlagen-nachrichten.de liefert in den kommenden Monaten eine ausgedehnte Serie zum Thema deutsches Geld und Geldpolitik von der Nachkriegszeit über die Währungsreform mit der Einführung der D-Mark 1948 bis zum Euro von Heute.

Von Christoph Wehnelt

Nr. 22

Urgestein westdeutscher Geldpolitik:

50 Jahre Landeszentralbank in Hessen

LZB-Präsident Ernst Welteke: 28. Mai 1997 – auf den Tag genau vor 50 Jahren hat der damalige Vorstand der Landeszentralbank in Wiesbaden zu einer Eröffnungsveranstaltung aus Anlass der Errichtung der Landeszentralbank eingeladen. Besonders begrüßen möchte ich den Ministerpräsidenten des Landes Hessen, Herrn Hans Eichel, und die Vorsitzenden der im Landtag vertretenen Parteien und die übrigen anwesenden Mitglieder der Landesregierung. Für das Direktorium der Deutschen Bundesbank begrüße ich Herrn Vizepräsident Gaddum und mit ihm die Mitglieder des Zentralbankrates. Ich begrüße insbesondere unsere Kunden, die Vertreter der Kreditinstitute, Vertreter der hessischen Wirtschaft sowie die heute besonders interessierten Medienvertreter. Auch wenn es aus räumlichen Gründen nicht möglich ist, für uns sitzen Sie alle in der ersten Reihe. Und im Übrigen verweise ich auf die ausgelegte Gästeliste.

Das Rhein-Main-Swingtett hat uns mit „Take A Train“, einem der bekanntesten Titel des Orchesters von Duke Ellington, etwas von dem musikalischen Lebensgefühl der Zeit vor 50 Jahren vermittelt. Für die Menschen damals waren die beschwingten Rhythmen freilich nur ein musikalisches Vorgefühl auf das, was kommen könnte. Der Alltag sah anders aus. Die Sorgen um Essen, Wohnung und Arbeit waren drängend. Dazu kamen politische Zukunftsängste. Die ersten Jahresberichte der Landeszentralbank von Hessen geben davon Zeugnis. Dass die amerikanischen Ursprung hatte, war Vorbote für den überwältigenden politischen und kulturellen Einfluss, den die Vereinigten Staaten auf das neue, auf seinen Westen verkleinerte demokratische Deutschland bald nehmen sollten. Was anfangs Zwang der Besatzungsmächte war, wurde bald der Wunsch vieler, nämlich die enge Anbindung an die USA und an Westeuropa. Die Landeszentralbanken machten den Anfang. Auf Verlangen der US-Militärregierung für Deutschland wurden am 1. Januar 1947, also noch vor Gründung der Bundesrepublik Deutschland, die Landeszentralbanken von Hessen, Bayern und Baden-Württemberg errichtet. Das amerikanische Federal Reserve System lieferte dazu das Vorbild. Bis zur Gründung der Bank deutscher Länder am 1. April 1948 zogen die Militärregierungen der französischen und schließlich auch der britischen Zone nach.

 

Ich will mich auf die Jetzt-Zeit beschränken, auf die Rolle der Landeszentralbank in Hessen heute und morgen. Wenn das neue Haus fertig ist, hat der Niedergang der Firma schon begonnen. Dieses als Budenbrook-Syndrom bekannte hanseatische Kaufmanns-Schicksal gilt für die Landeszentralbanken ganz und gar nicht und das Jahr 1988, in dem dieses Haus bezogen wurde – und ich begrüße recht herzlich den damaligen Vorstand der Landeszentralbank – markiert einen nicht nur architektonisch positiven Einschnitt in die Geschichte. Der Ortswechsel fiel in eine Zeit, die in der Rückschau betrachtet für den Finanzplatz Frankfurt einem Epochenwandel gleichkommt. Es bildete sich damals nach und nach das Bewusstsein heraus, dass der Finanzplatz Deutschland ein Zentrum braucht, um im internationalen Wettbewerb der Finanzplätze bestehen zu können. Der föderale Aufbau der Bundesrepublik Deutschland ließ es zunächst nicht zwingend erscheinen, dass dies Frankfurt sein sollte. Letztlich waren es die Märkte, die den Ausschlag gaben; namentlich die Zuwanderung ausländischer Banken nach Frankfurt, das schnelle Wachstum der Marktumsätze und die Etablierung von Märkten für neue Finanzprodukte. Die Liste des bislang Erreichten ist lang und viele haben dazu beigetragen. Die Marktteilnehmer ebenso wie Bundes- und Landesregierung, die Stadt Frankfurt. Dass Finanzplatzförderung eine politische Aufgabe ist, wird heute nicht mehr bestritten. Dafür gebührt auch Ihnen, Herr Dr. Breuer, ein herzliches Dankeschön.

 

 

Die Landeszentralbank spielt in diesem Prozess eine aktive Rolle. Sie ist Währungsbehörde mit hoheitlichen Aufgaben, sie ist zugleich aber auch Dienstleister für den Finanzplatz und dessen Förderin. Das ist mein Verständnis unserer Aufgaben und so haben es auch meine beiden so früh verstorbenen Vorgänger, Karl Thomas und Horst Schulmann, gesehen. Manche der Neuerungen der letzten Jahre gehen auf ihre Anregungen und ihr beharrliches Drängen zurück. Die Landeszentralbank ist aber zugleich ein Spiegel der Märkte. Das Wachstum bestehender Märkte und das Entstehen neuer Märkte schlagen sich bei uns im erhöhten Zahlungsaufkommen nieder. Daraus entstehen beständig neue Anforderungen an Technik, Sicherheit und Aufsicht. Die Konzentration von Bankgeschäften hat die Struktur verändert. In den letzten sechs Jahren ist die Zahl unserer Zweiganstalten von 18 auf 11 zurückgegangen. Weitere Schließungen werden folgen. Bei ihrer Gründung vor 50 Jahren hatte die Landeszentralbank 22 Zweiganstalten. Die verbliebenen Filialen sind indes sämtlich in schmucken Neubauten, die ihre Standorte zieren, untergebracht.

 

Das zweite herausragende Charakteristikum des Strukturwandels der letzten Jahre ist die Elektronisierung. Neue Technik wurde verfügbar und das rasante Wachstum der Umsätze ließ auch gar keine andere Wahl. Ich erwähne dies hier, um Ihnen am Beispiel der Landeszentralbank in Hessen zu demonstrieren, dass die Bundesbank keineswegs der schwerfällige Tanker ist, als der sie bisweilen dargestellt wird, sondern eine flexible Institution.

Meine Damen und Herren, im Leben eines Menschen ist der 50. Geburtstag ein heiteres und fröhliches Ereignis. Die Würdigung des Lebenswerkes klingt mitunter zwar schon an, eigentlich ist es dafür aber zu früh. Der Blick bleibt in die Zukunft gerichtet, wo neue Herausforderungen warten. Dies mag auch für unsere Bank gelten.

Die große Herausforderung der nächsten Zeit für uns alle und speziell für die Bundesbank ist natürlich die Europäische Währungsunion. Für mich ist sie der große politische und wirtschaftliche Schritt am Ende dieses schwierigen Jahrhunderts, durch den sich das künftige Schicksal Europas entscheiden und sein Gewicht in der Welt bestimmen wird. Ich bin entschieden der Überzeugung, dass die Europäische Währungsunion beginnen muss, und zwar auch am 1. Januar 1999. Die monetäre Konvergenz, Inflationsrate, Wechselkurse, Zinsen haben sich weit besser entwickelt als zu erwarten war. Für sich genommen schon ein großer Erfolg. Das Stabilitätsbewusstsein hat sich stark verbreitet. Das Fiskalkriterium sollte so genommen werden, wie es der Vertrag vorsieht und nicht wie es von Parteitagsbeschlüssen interpretiert wird. Dann kann auf Initiativen verzichtet werden, die bisherige Positionen um 180 Grad verändern und Fragen nach Seriosität, Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit aufwerfen müssen. Der Zentralbankrat, das war insoweit meine persönliche Meinung, hat sich heute mit diesen Vorschlägen beschäftigt. Und für die anwesende große Zahl von Journalisten sei gesagt, dass es im Anschluss an diese Veranstaltung eine Mitteilung dazu geben wird, die auch hier im Hause verfügbar sein wird und hier dann auch bearbeitet werden kann.

 

 

Im Übrigen: wir müssen uns daran gewöhnen, dass der Beginn der Währungsunion nicht von uns und unserer Meinung, sondern vom Votum der 15 Staats- und Regierungschefs souveräner Staaten abhängig ist. Ich weiß durchaus, dass unsere Gastredner eine kritische Position vertreten. Wir hielten es jedoch für angemessen und für einen Ausdruck von Toleranz und Liberalität, wenn wir Ansichten zu Wort kommen lassen, die uns nicht nur bestätigen.

 

 

Meine Damen und Herren, liest man die Rede, die Otto Veit, der erste Präsident der Landeszentralbank in Hessen, heute genau vor 50 Jahren gehalten hat, dann springen einem manche Parallelen ins Auge. Damals, ein Jahr vor Errichtung der Bank deutscher Länder, und noch zehn Jahre hin bis zur Gründung der Deutschen Bundesbank war die zentrale Frage – und ich zitiere: Wie einer Zersplitterung in der deutschen Geld- und Kreditwirtschaft zu begegnen sei. Heute geht es darum, die Zersplitterung der nationalen Geldpolitiken in Europa zu überwinden. Die Politik vollzieht damit – damals wie heute – nach, was die Märkte bereits vorgemacht haben. Die Überschrift des Vortrags von Otto Veit kann sogar ohne jede Änderung auf die Gegenwart übertragen werden. Sie lautete: Die Zukunftsaufgaben der Landeszentralbank.

 

 

In Gesprächen über die Europäische Währungsunion wird immer wieder gefragt, was denn mit der Deutschen Bundesbank nach Beginn der Währungsunion geschehen werde. An den Reaktionen scheint mir zweierlei  bemerkenswert. Erstens: Die Menschen sind zumeist beruhigt, wenn sie hören, dass die Bundesbank bestehen bleibt. Zweitens: Die Bundesbank wird vor allem als geldpolitische Institution wahrgenommen, nicht aber in ihren anderen Aufgaben. Die heute von den Landeszentralbanken ausgeübten Funktionen werden sich nach Errichtung der Europäischen Währungsunion nicht wesentlich ändern. Die Aufgaben der Bargeldversorgung, der Abwicklung des Zahlungsverkehrs, der Durchführung der Offenmarkt- und Refinanzierungsgeschäfte und der Bankenaufsicht müssen auch im europäischen System der Zentralbanken erfüllt werden. Im Zuge des Austausches der D-Mark gegen Euro werden die Anforderungen sogar noch beträchtlich zunehmen. Es wäre unklug, die bewährten Strukturen der Bundesbank jetzt zu verändern. Die währungspolitischen Umwälzungen und andere Reformen, die sich nicht weiter aufschieben lassen, sind groß und ernst genug. Das Weitere wird die Zukunft zeigen.

 

 

Was sich mit Gewissheit ändern wird, ist die geld- und währungspolitische Verantwortung. Sie wird mit Beginn der Währungsunion vom Zentralbankrat der Bundesbank auf den EZB-Rat übergehen. 16 der 17 Mitglieder des Zentralbankrates der Deutschen Bundesbank, 7 Direktoriumsmitglieder und 9 Landeszentralbankpräsidenten werden dann keine geldpolitischen Entscheidungen mehr treffen. Sie werden aber, so sieht es die Novelle des Bundesbank-Gesetzes vor, die europäische Geldpolitik mit dem Präsidenten der Deutschen Bundesbank erörtern. Ich denke allerdings, wir sollten das persönliche Schicksal der Mitglieder des Zentralbankrates nicht zu dramatisch sehen.

 

 

Meine Damen und Herren, Otto Veits Rede vor einem halben Jahrhundert war ihrem Wesen nach theoretisch, ihrem Umfang nach lang und ihrem Ton nach ernst. Die Zeiten verlangten es so. Zum Schluss erlaubte er sich aber doch eine kleine Abschweifung. Er zitierte einen namentlich nicht genannten Engländer – also vor 50 Jahren -, der Geldtheorie und Liebe Vorstufen zum Wahnsinn nannte. Wenn das so ist, um wie viel mehr droht uns dann der Wahnsinn von der Liebe zum Geld. Ja, es ist richtig, wir schätzen die D-Mark, wir schätzen ganz besonders die stabile D-Mark. Und der Euro muss sich diese Wertschätzung erst noch verdienen. Die Bedingungen sind indes so gesetzt, dass man mit einiger Zuversicht sagen kann: der Euro wird eine gute Währung werden. Die Liebe allerdings sollten wir uns für etwas anderes aufbewahren.

 

Hans Eichel, Ministerpräsident des Landes Hessen

 

Die Gründung der Landeszentralbank war ein wichtiger  Schritt auf dem Weg, das völlig zerrüttete deutsche Währungssystem, Herr Präsident Welteke hat das ja eben schon kurz nachgezeichnet, nach dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur zu reformieren. Nach dem Vorbild der Amerikaner entstand dabei in Westdeutschland ein neues, zweistufiges, streng föderatives Zentralbanksystem. Das ist übrigens der Grund, warum wenigstens die Ministerpräsidenten, die Finanzminister der Länder mit großem Wohlwollen über das System reden. Es ist uns sehr lieb, wir hätten auch gerne etwas davon. Darauf komme ich zurück.

 

 

Mittlerweile ist die Landeszentralbank in Hessen zwar keine rechtlich selbständige Zentralbank mehr, doch föderalistische Züge trägt das System bis heute. Auf diese Weise wird verhindert, dass die Geldpolitik der Deutschen Bundesbank einseitig dominiert wird. Wobei ich an der Stelle sage, und da werde ich etwas deutlicher, beim Bundesbank-Gewinn – das ist immer wieder ein Thema, leider ohne Erfolg – wären wir ja bei seiner Ablieferung gerne dabei. Es würde eine Reihe unserer Probleme lindern, bei der Aufwertung des Goldschatzes sind wir ein bisschen zurückhaltender, falls Sie das beruhigt.

 

 

Die Landeszentralbank in Hessen ist ein fester und bedeutender Bestandteil des Finanzplatzes Frankfurt. Die Zentralbanken in dieser Stadt – also die Landeszentralbank, die Deutsche Bundesbank und mittlerweile das Europäische Währungsinstitut als Vorläuferin der Europäischen Zentralbank – sind Eckpfeiler des, so hoffe ich doch, bedeutendsten Finanzplatzes auf dem Kontinent. Aber ich denke auch – Herr Dr. Breuer, Sie haben recht, wir müssen da noch ein bisschen kämpfen zusammen und ich bin für alle  Initiativen, auch Ihrer insbesondere, sehr dankbar -, dass wir uns alle darum bemühen, die Nummer eins auf dem Kontinent in der Zukunft zu sein. Die Landeszentralbank in Hessen hat einen wichtigen Anteil daran, dass Frankfurt für eine Politik des stabilen Geldes und der stabilitätspolitischen Verantwortung steht.

 

 

Meine Damen und Herren, gestatten auch Sie mir an dieser Stelle nun einige Anmerkungen zur Europäischen Währungsunion, obwohl ich ja das des Öfteren, wie Sie wissen, getan habe. Für mich ist sie ebenfalls wie für Herrn Präsidenten Welteke – und wir reden darüber auch oft miteinander – ein großartiges Vorhaben der Vertiefung auf dem Weg zur wirtschaftlichen und politischen Einheit in Europa. Ich bin sicher, dass dies ein Erfolgsprojekt ist, wenn die Bürger erst einmal die neuen Scheine und Münzen in Händen halten und die Vorteile ganz konkret spüren und erleben. Derzeit allerdings herrscht noch das Gefühl vor, dass den Deutschen die Mark weggenommen wird. Ich sage nur einmal, ich finde es unverantwortlich, dass überhaupt ansatzweise es eine Diskussion gegeben hat und sie auch gestützt worden ist, als ob das etwas zu tun hätte mit den Währungsreformen, die wir nach zwei Weltkriegen in Deutschland jeweils gehabt haben, wo es darum ging, die Kriegsschuld zu bezahlen und natürlich viele Menschen ihr Geld verloren haben. Aber das ist etwas ganz anderes. Wenn man vergleichen will, darf man es nur vergleichen mit der Währungsunion, die im Deutschland im Zuge der deutschen Einigung im vorigen Jahrhundert stattgefunden hat. Und natürlich hätte es die deutsche Einigung ohne Währungsunion gar nicht gegeben. Sie war notwendiger Bestandteil dieser Einigung.

 

 

Die augenblicklich sehr kontrovers geführte Diskussion über den Termin der Euro-Einführung oder dessen Verschiebung, die Anzahl der Teilnehmer und die Wahrung der Konvergenzkriterien geht aus meiner Sicht am Kern der Sache vorbei. Eine zukunftsorientierte, stabilitätspolitische Entscheidung über den rechtzeitigen Start der Europäischen Währungsunion ist gefordert, keine auf den Moment bezogen rein buchhalterische. Mir ist auch klar, was in zwei oder drei Jahren später besser sein soll, als es jetzt ist. Es kann bei dem Jahrhundertwerk einer Europäischen Währungsunion doch nicht allen Ernstes darum gehen, ob ein Land zu einem bestimmten Zeitpunkt eine präzise Punktlandung bei der Neuverschuldung, beim Schuldenstand erreicht. Bitte, verstehen Sie mich richtig, ich rede hier nicht  einer Aufweichung der Konvergenzkriterien, aber ich rede eben auch von Konvergenzkriterien, das Wort. Aber der Vertrag von Maastricht hat den Verantwortlichen bewusst einen Ermessensspielraum eingeräumt. Und diese Flexibilität gilt es, stabilitätsbewusst zu nutzen. Wichtig ist doch, dass es eine über den Tag hinaus gehende langfristige Verpflichtung zur Stabilität gibt.

 

 

Ich sehe den inzwischen mit Frankreich und Deutschland als Impulsgebern weiter formulierten Stabilitätspakt daher als notwendigen Bestandteil der Währungsunion an. Die Einhaltung des Fahrplans zur Europäischen Währungsunion ist inzwischen zu einer Frage der europäischen Glaubwürdigkeit geworden. Ich befürchte, der Vertrauensverlust der Bevölkerung wäre bei einem Scheitern – und darüber reden wir ja zu wenig, was passiert, wenn es nicht kommt – des Euro-Projektes schwer, wenn überhaupt zu reparieren. Ganz abgesehen davon, würde der Verzicht auf den Euro für Länder mit harten Währungen – das sind wir jedenfalls im Ansehen unverändert – wie Deutschland und Frankreich einen massiven Aufwertungsdruck zur Folge haben. Bestehende Standortnachteile würden noch verstärkt und Globalisierungstendenzen nicht mehr allein aus markt- und kundenorientierten Erwägungen notwendig. Ich freue mich auch, dass jetzt mitten im französischen Wahlkampf der französische Oppositionsführer gemeinsam mit Oskar Lafontaine deutlich gemacht hat, dass auch er am pünktlichen Start des Euro interessiert ist. Das finde ich als ein gutes Beispiel für uns, dass auch wir uns darum bemühen, dieses Thema nicht zu einem kontroversen Thema im heraufziehenden Bundestagswahlkampf zu machen.

 

 

Europa ist nicht umsonst zu haben. Aber die europäische Einigung ist unabdingbar für die Wohlfahrt und den Frieden auf diesem Kontinent und die Rolle Europas in der Welt. Die Bürgerinnen und Bürger Europas brauchen mehr als Worte. Sie brauchen fassbare konkrete und verständliche Projekte. Und dazu gehört der Euro als nächster Schritt – ich betone als nächster, nicht als der letzte – auf dem Wege zur Einigung Europas.

 

 

In diesem Sinne uns allen und der Landeszentralbank in Hessen, in der künftigen Ordnung der Banken, so wie sie Präsident Welteke beschrieben hat, alles Gute und ganz dezidiert hier in Frankfurt: weiter auf diesem Wege zu einer europäischen Stabilitätsordnung, auf der die Deutsche Bundesbank und die Landeszentralbanken eine hervorragende Rolle gespielt haben.

 

Beim Kampf ums Gold hört die Kultur auf

 

Diesen Kulturkampf hätte sich die Bundesregierung ersparen können, wenn die Motivation auch durchaus verständlich ist. Das Gold gehört Deutschland. Aber dass es sich um einen Kulturkampf handelt, daran können keine Zweifel bestehen. Es geht um die Finanzkultur und um die Kultur der deutschen Geldpolitik, wenn es für den Bundesfinanzminister auch verlockend erscheinen muss, auf diese etwas uncharmante Weise den Schuldenberg loszuwerden. Vorläufig rollen wenigstens keine Köpfe im Konflikt der Bundesbank mit der Bundesregierung. Der 31. Mai (97) hätte für Tietmeyer durchaus der letzte Arbeitstag sein können, aber: „Ich trete nicht zurück. Wer mich kennt, der weiß, dass ich nicht so ganz schnell einknicke“, erklärte der Bundesbankchef vor der Presse. Es liege kein persönlicher Streit vor, sondern hier werde in Verantwortung für die Sache gekämpft. Der Präsident betonte nachdrücklich, dass das starke geld- und finanzpolitische Tandem Tietmeyer-Waigel wieder die gemeinsame Arbeit aufnehmen werde. Auch Finanzminister Waigel denkt nicht an Rücktritt.

 

In der Sache geht es um die Neubewertung der Gold- und Devisenreserven zu marktnahen Preisen, wobei Gold mit 60 Prozent und die Dollarreserven zu 100 Prozent in der Bundesbankbilanz neu angesetzt werden sollen. Dies meint jedenfalls das Bonner Finanzministerium. Dabei entstünden Gewinne in der Größenordnung von 60 Milliarden Mark, hat die Bundesbank per Ende April 1997 berechnet. Nach Abzug notwendiger Reserven verblieben ausschüttungsfähige Gewinne von 33 bis 34 Milliarden Mark.

 

Die Bundesbank wehrt sich energisch gegen den als rüde empfundenen Eingriff in die Bilanzhoheit der Zentralbank, insbesondere aber sieht sie ihre Unabhängigkeit reichlich ramponiert, wenn die Bundesregierung nach diesem Schema weiter vorprescht. Jetzt mobilisieren die Zentralbanker alles, was in der Politik Einfluß und in Presse, Rundfunk und Fernsehen hohe Auflagen und Einschaltquoten hat damit für die Institution stabilisierende Wirkung hat. Der Bürger hat sich immer mal wieder als guter Parteigänger erwiesen, so muss er jetzt abermals den konstitutiven Charakter der Nobelzentralbank beschwören. Die körbeweise Briefpost, die allein am 30. Mai in der Wilhelm-Epstein-Straße 14 eingegangen sind, sprechen Bände: „Niemals das Handtuch werfen, Tietmeyer, lautet der Tenor. Wir brauchen die Unabhängigkeit  des Instituts.“  Vizepräsident Wilhelm Gaddum präzisiert: „Wir haben bei Waigel darauf hingewiesen, wenn feststeht, dass die Währungsunion beginnt und wenn man weiß, mit welchen Ländern sie beginnt, wir dann auch im Jahresabschluss 1997 berücksichtigen können, dass wir in eine andere Risikosituation hineingehen, d.h. wir können von bestimmten Risiken uns eben auch befreien und das erlaubt dann auch eine höhere Gewinnausschüttung durch Auflösung von Rücklagen.“

 

Wie kann aber der Konflikt mit der Bundesregierung beigelegt werden? Tietmeyer tritt am 5. Juni im Finanzausschuss des Bundestages auf und erläutert nochmals die Position der Bundesbank. Am 13. Juni erfolgt die abschließende Lesung der Neufassung des Bundesbankgesetzes. Am 4. Juli wird über das nicht zustimmungspflichtige Gesetz im Bundesrat beraten. Bemerkenswert ist, dass die neueste Fassung des Bundesbankgesetzes nicht die Änderung der §§ 26,27,28 enthält, die aber geändert werden müssten, um den Goldschatz zu heben. – Die Bundesbank kann und will auf keinen Fall Kompromisse eingehen, weil die Folgen für die „Reservewährung D-Mark“ und die Glaubwürdigkeit der Europäischen Zentralbank unterminiert würden. Das Wichtigste aber ist: Die Bundesbank ist für die D-Mark so lange verantwortlich, wie die D-Mark existiert. Und zurzeit gibt es noch keine endgültigen Beschlüsse, dass der Euro wirklich Anfang 1999 kommt. So braucht auch die Bundesbank ihre Gold- und Devisenreserven bis zum wirklich letzten Tag der Mark.

 

Stabilitätsfanatiker und zahnlose Tiger

 

Die herrschende Aufregung über die Entwicklung in Europa ist groß. Sie wird auch noch weiter wachsen  – bis zum Amsterdamer EU-Rats-Gipfel nächste Woche, bis zur Festlegung des Teilnehmerkreises für die Währungsunion nächstes Jahr und bis zum Start des Euro, der nach dem noch geltenden Zeitplan Anfang 1999 kommen soll. Die europäischen Querelen werden uns solange begleiten, bis Europa wirklich zusammengewachsen ist. Das aber dauert länger. Gut Ding will Weile haben.

 

Von zwei Seiten wird derzeit der „Stabilitätspakt“ als Brechstange gegen den Euro genutzt. Die neue Regierung in Frankreich will den in Dublin mühsam ausgehandelten Härtepakt für einen stabilen Euro nicht zu Ende denken, nicht zu endeformulieren, nicht akzeptieren und reklamiert Bedenkzeit. Mehr und mehr wird seitens Frankreichs das Thema Beschäftigungspolitik in den Vordergrund geschoben. Theo Waigel nutzt dagegen das Stabilitätspakt eher als Hebel, um über die „reine Lehre der Geldwertstabilität“ einen politischen Euro zu kippen. Politischer Euro klingt in deutschen Ohren wie „weicher Euro“, das wäre er auch.

 

Die jetzt in Frankreich angestoßene Diskussion, den Stabilitätspakt anzuhalten, ist die ur-französische Position, die auch schon vor dem Maastricht-Vertrag formuliert worden war. Trotzdem wurde die Europäische Zentralbank mit einem starken Stabilitätskorsett versehen. Eine diplomatische Niederlage für Frankreich. Deutschland setzte – sicher ist sicher – den Stabilitätspakt oben drauf. Frankreich konterte mit dem „Stabilitätsrat“, um bei der EZB doch noch von außen hinein regieren zu können. Die europäischen Stabilitätsfanatiker – Deutschland Arm in Arm mit den Niederlanden – haben diesen aber zu einem zahnlosen Tiger degradiert. Abermals eine diplomatische Niederlage der Franzosen. Jetzt aber richtet Paris seine Pfeile direkt auf den Stabilitätspakt. Das fällt der neuen Regierung leichter als der Vorgängerin. Frankreich will nach alter Tradition  auf jeden Fall die Währungs- und Geldpolitik als staatliches Manipulationsinstrument erhalten. Deutschland ist dagegen. So kann am Stabilitätspakt der Euro durchaus scheitern.

 

So recht will das eigentlich niemand, weder die Niederländer mit dem Geldstrategen Wim Duisenberg an der Spitze noch der Franzose Jean Claude Trichet, der lange Jahre Präsident der gleichgeschalteten Banque de France war, einer Abteilung des französischen Finanzministeriums. Während  Duisenberg seit Jahrzehnten die Fackel möglichst lupenreiner Geldwertstabilität vor sich herträgt, musste Trichet erst eine innere Konversion durchmachen weg vom Staatsdiener, hin zum Maastricht-Bekenner. Da eine Jahrhunderte alte Tradition französischer Staatskunst und Diplomatie zu seinem persönlichen Status gehört, kann er schon mal „Kreide fressen“ oder auch Kröten schlucken, wenn dadurch ein lohnendes Ziel zu erreichen ist. Die Chance einer echten inneren Umkehr hat natürlich auch ein Trichet. All diese Eigenschaften werden von ihm verlangt, wenn er EZB-Präsident werden will oder soll. So ist es nur logisch, dass in diesem Prozess beide Finanztechnokraten mal verdeckt, mal ganz offen aneinander geraten können.

 

Geschmeckt hat es den Franzosen überhaupt nicht, dass der Banker des Jahres 1996 am 1. Juli 1997 Präsident des Europäischen Währungsinstitutes (EWI) und damit Nachfolger von Alexandre Lamfalussy geworden ist. Ein Stabilitätsfanatiker folgt dem anderen, ansonsten unterscheiden sich diese Persönlichkeiten ganz erheblich. Lamfalussy ist ein zierlicher Professor adeligen Geblüts mit schütterem Haar, gebürtig in Ungarn, mit einem gewissen frankophilen Habitus, den er von Hause aus mitgebracht, in Brüssel kultiviert und in Basel bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) ausgelebt hat.

 

Dagegen steht Wim Duisenberg als Hüne in der Landschaft mit einem ungezügelten Haarschopf, holländischem Auftreten (manchmal sind die Holzpantinen zu hören) und europäischen Visionen.  Er ist jung genug, um auch noch eine Verschiebung des Euro um wenige Jahre absolvieren zu können. Lange schon gehört der Gulden, für dessen Werthaltigkeit Duisenberg seit 1982 als Präsident der niederländischen Zentralbank verantwortlich zeichnet, zum D-Mark-Block. Aus deutscher Sicht hat sich der Holländer den EWI-Vorsitz und natürlich auch die anschließende erste EZB-Präsidentschaft redlich verdient. Frankreich denkt da konträr anders. Tietmeyer stellt klar, als er gefragt wird, ob es nicht Geheimabsprachen gebe, die dem Franzosen das Erstlingsrecht einräumen: „Also mir sind solche Absprachen nicht bekannt. Im Gegenteil, mir ist gesagt worden, dass es solche Absprachen nicht gibt. Es steht neben der Besetzung des Präsidentenamtes auch die Besetzung des Vizepräsidentenamtes an und die Besetzung des Direktoriums. Ich bin schon der Meinung, dass diese Personalentscheidungen reflektieren sollten, welche Linie will die Europäische Zentralbank gehen  – nämlich dauerhafte Preisstabilität zu sichern.“ (Tietmeyer im Frankfurter Gespräch des Hessischen Rundfunks am 29.6.97)

 

Und welche ethische Haltung dahinter steht und stehen muss, sagte Lamfalussy zu seinem Abschied am 30. Juni: „Wir sollten uns daran erinnern, dass sich die Reichen und Mächtigen zwar gegen einen Verlust der Kaufkraft ihres Geldes schützen – und oftmals sogar davon profitieren – können, dass aber die Schwachen und Bedürftigen immer zu den Verlierern zählen. Die Inflation war stets war stets eine Hauptursache sozialer Ungerechtigkeit.“

 

Als einem ethisch hoch kultuvierten und promovierten Wirtschaftswissenschaftler sind Duisenberg solche Gedanken geläufig. Der polyglotte Niederländer spricht Hochdeutsch, Französisch und Englisch. Er war auch schon beim Internationalen Währungsfonds in Washington tätig und diente seiner Königin von 1973 bis 1977 als holländischer Finanzminister. Bei der privaten Rabo-Bank bekleidete er zwischendurch den Posten des stellvertretenden Vorsitzenden. Bei der De Nederlandsche Bank hatte er verschiedene Funktionen inne, bis er dort 1982 Präsident wurde. Damit hatte er auch beim Washingtoner IWF die Funktion eines Gouverneurs inne und präsidierte in Basel bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ).

 

 

Neue DM-Scheine und alte Probleme

 

Die Bundesbanker kehren in ihre gewohnten Stellungen zurück. Der Kampf geht weiter, wobei der Frontverlauf nicht immer klar erkennbar ist. Jetzt melden die Vereinten Nationen Bedenken gegen den Euro an, insbesondere wegen der anspruchsvollen Vorbereitungen. Die Weltorganisation kritisiert die strenge Sparpolitik für die Europäische Währungsunion. Sie habe besonders in Deutschland und Frankreich das Wirtschaftswachstum gebremst und die Arbeitslosigkeit verstärkt. Daran ist weniger der Euro schuld, als dass mit der Vorbereitung auf den Euro, es den europäischen Regierungen dämmerte, dass wie bisher nicht weiter gewirtschaftet werden darf.

 

Deutschland hat noch nicht den Schlüssel dafür in der Hand, wie Anschluss an die Weltwirtschaft zu finden wäre. Die Exportindustrie hält zwar mit, die davon ausgehenden Anstöße sind aber nicht stark genug für einen allgemeinen Wirtschaftsaufschwung in diesem Lande. Viele Impulse werden im Keime erstickt, weil die deutsche Politik konsensunfähig ist und ohne Visionen, wie dieses Gemeinwesen vorwärts gebracht werden könnte. Vielfach wird dies alles als Verkrustung bezeichnet. Die Weltbank hat festgestellt: Gut geführte Staaten haben die größten wirtschaftlichen Erfolge. Das Zugpferd USA allen voran. So wächst die Weltwirtschaft mit über drei Prozent noch auf Jahre hinaus schneller als die deutsche. China schafft zehn Prozent, Deutschland keine zwei Prozent dieses Jahr und nächstes Jahr. Das geht schon seit 1995 so. Ein neuer Minusrekord ist uns sicher. Deutschland verzeichnet die längste Phase einer Quasi-Stagnation nach dem 2. Weltkrieg, urteilt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. 1998 wird die Arbeitslosenzahl auf über 4,6 Millionen ansteigen und es sind keine Strategien erkennbar, wie da herunter zu kommen wäre. Nur Steuerkompromisse, die nichts hergeben. Rentenformeln, die nichts taugen. Deregulierungen, die zu schlapp kommen. Die Durststrecke ist noch lange.

 

Einen Farbtupfer liefert die Bundesbank mit der Emission neuer Banknoten. Vom 1. August an gibt sie postfrische Scheine heraus, neue Hunderter und Zweihunderter. Anfang nächsten Jahres wird der neue 50er emittiert. Sie sollen etwas fälschungssicherer sein als die alten. Etwa dreimal im Jahr kehrt der Bargeldumlauf zur Bundesbank zurück. Beste Gelegenheit die alten Lappen auszusortieren und durch neue Scheine zu ersetzen. So sind nach etwa einem Jahr schon bis zu 70 Prozent vor und in den Brennöfen der Bank angelangt, nach weiteren ein bis zwei Jahren der Rest. Danach will mancher schon mit Euro-Scheinen winken.

 

Mit ihrer Neuemission rennt die Bundesbank der Entwicklung der Fälscherbanden hinterher. Denn das jetzige Geld hat den technologischen Stand von vor der Wiedervereinigung. Natürlich werden mit dem Neudruck auch schon Tests für die Euro-Schein durchgeführt. Die spiegelartigen, farblich changierenden Kinegramme sollen auf ihre Fälschungssicherheit geprüft werden. Das DM-Zeichen im Farbbalken auf der rechten Notenvorderseite und neuerdings auch der Notenwert sind jetzt schneller durch den Kippeffekt auffindbar und zu sehen. Zudem ist der Kippeffekt mit einem durchgehenden Streifen in Perlglanzfarbe kombiniert.

 

Auf ihre Weise sorgt sich die Bundesbank intensiver um das Wohl der Nation als manche andere Organisation unseres vielfältigen und manchmal abgründigen Staates. Dort sitzen auch Leute, die sich unabhängige Gedanken und eine freie Lippe leisten können. Das Gesetz garantiert den Währungshütern aber nicht nur Gedankenfreiheit sondern ermöglicht auch eine gewisse Machtentfaltung, die aufgrund des Aufstiegs der Bundesrepublik Deutschland und der zunehmenden Wirtschaftskraft den europäischen Nachbarn auch längst zu viel geworden ist.

 

In der unabhängigen Geldpolitik mit der immer stärker werdenden D-Mark focussiert geradezu die Machtentfaltung. Hätte die Bundesbank in den vergangenen Jahrzehnten so dahin gewurstelt wie die süd- oder westeuropäischen Zentralbanken, würde kein gallischer Hahn nach ihr gekräht haben. Dann hätte Europa schon längst eine Melange mehr oder weniger maroder Währungen und um einen starken Euro – wie die D-Mark der letzten Jahrzehnte – bräuchte sich niemand mehr zu kümmern. Gute Geldpolitik macht aber außenpolitisch nicht nur stark sondern und das ist viel wichtiger wegen der Zügelung der Preise sozial. Antiinflationspolitik ist sozial. Daher der jetzige Kampf für eine unabhängige und allein dem Euro-Geldwert verpflichtete Europäische Zentralbank.

 

Noch ist es nicht soweit und die Bundesbank bleibt ihrem Auftrag verpflichtet. Die Kontrolle über die Geldmenge – in Deutschland mit den vielen Rückwirkungen auf Europa – hat sie noch nicht aus den Händen gegeben. Die Notenbanker hegen große Sorgen wegen der schwierigen Entwicklung in Ostdeutschland und rotieren auch wegen der Herausforderungen, die die Europäische Währungsunion an den Finanzplatz Deutschland stellt. Einstweilen bleibt auch die alte Rivalität zum Dollar. Die D-Mark als ständiger Junior-Partner zum Dollar, der amerikanischen Weltwährung, die als imperialistisches Instrument  erst 1973 durch sie vom Sockel gestoßen wurde.

 

Der Wettbewerb der beiden Währungen hat seitdem in tiefen Tälern und haussierenden Kursen viele phänomenale Beispiele geliefert. Gerade positionieren sich Währungshüter, um den ungesunden Dollar-Höhenflug abzustoppen. Der neuerdings durch die Märkte hergestellte Zinsverbund mit den USA wird auf geldpolitische nutzbare Freiräume abgetastet. Die Notenbank muss in diesem Umfeld versuchen, vom Ausland ausgehende Störeinflüsse von vorneherein durch Geldabschöpfungsmaßnahmen zu begrenzen. Wie oft hat nicht die Bundesbank Freund und Feind mit ihrem reichliche gescholtenen Stabilitätsfetischismus geärgert. Es hilft nichts. Das ist ihr Geschäft und unser Vorteil. Bundesbanker sind nun mal so. Zum Glück, auch für Europa.

 

Mehr oder weniger gute Freunde

 

Mehr oder weniger gute Freunde der Bundesbank im Ausland hatten schon geglaubt, die traditionsreiche Frankfurter Notenbank würde gänzlich abgeschafft, wenn am Main die Europäische Zentralbank ihre Pforten öffnet. Davon kann keine Rede sein. Das sähe so auf wie die Schleifung einer Festung nach verlorenem Krieg. Wenn Maastricht auch schon mit Versailles verglichen wurde, so darf dies nicht für bare Münze genommen werden. Europa ist unter deutscher geldpolitischer Führung drauf und dran, eine gemeinsame Hartwährung zu entwickeln und einzuführen. Die „Wacht am Main“ wird somit durch ein Dutzend Nationen verstärkt und wird eines Tages ebenso glänzend dastehen wie die Deutsche Bundesbank heute noch und dies schon seit Jahrzehnten.

 

Die deutsche Hartgeld-Schmiede wird jetzt 40 Jahre alt. Sie hat am 1. August 1957 die Bank deutscher Länder abgelöst, die den Grundstock für die Währungsgloriole, für den kometenhaften Aufstieg der D-Mark gelegt hatte. Auch hier galt: Der Krieg ist Vater aller Dinge. Nach dem verlorenen Weltkrieg II waren natürlich auch die Kriegsfinanzierer in der Reichsbank am Ende. Das Geld war genau so wenig wert wie das Deutsche Reich, das als das Dritte mit den Nazis untergegangen war. 1946 und 1947 wurden in den Westzonen die einzelnen Landeszentralbanken gegründet. Erst kürzlich konnten „50 Jahre Landeszentralbank in Hessen“ gefeiert werden.

 

Der große Wurf war aber das Militärregierungsgesetz Nr. 60, wodurch Anfang März 1948 die „Bank deutscher Länder“ ins Leben gerufen wurde. Im Juni desselben Jahres kam im Galopptempo die Mark als schäler Kretin zur Welt, ein typisches Besatzungskind, dem kaum einer eine gute Zukunft prophezeite. Am ihrem Anfang stand die Berlin-Krise. Später hat sie entscheidend zum Zusammenbruch des DDR-Regimes beigetragen. Die Mark ist auch heute noch Parallelwährung auf dem Balkan und in osteuropäischen Staaten.

 

40 Jahre hat die Bundesbank gegen die Einflussnahme von Bundeskanzlern und europäischen Bundesgenossen gekämpft. Von Adenauer bis Kohl hat sich fast jeder der deutschen Regierungschefs etwas einfallen lassen, um Einfluss zu nehmen auf die Frankfurter Geldpolitik. Das größte Kunststück haben aber die Franzosen fertig gebracht: Im Vertrag über den Deutsch-Französischen Finanz- und Wirtschaftsrat wurde der Bundesbankpräsident gesetzlich verpflichtet, seine Geldpolitik bei der französischen Regierung zu erörtern. So eine degradierende Vorzugsbehandlung ist ohne Beispiel, gibt es nicht einmal in Deutschland. Offenbar hat eine Institution wie die Bundesbank auch im nationalen Rahmen keinen Platz mehr. Sie sprengt das Gleichgewicht der Mächte.

 

Der Punkt ist aber noch nicht erreicht, wo die Bundesbanker sich aufgeben und ihren Auftrag vernachlässigen. Die gegenwärtigen Währungsturbulenzen, die zu einer Dollar-Hausse und gleichzeitiger Unterbewertung der D-Mark geführt haben, nur weil der Euro irgendwann kommt, sind unheilschwangere Boten. Das geht nicht einfach bis 1999 so weiter. Die Bundesbank wird das Zepter noch mal fest in die Hand nehmen, bevor allzu viele Länder in die Währungsunion schlüpfen und für die D-Mark aller Tage Abend ist.

 

Auftakt der gemeinsamen Währung: Ein Festkurssystem

 

Die Vorbereitungen für den Euro haben eine neue Qualität. Alles läuft wie am Schnürchen und termingerecht. Im luxemburgischen Mondorf haben sich die EU-Finanzminister und Zentralbankchefs auf ein Festkurssystem für die diejenigen Währungen geeinigt, die von Anfang an beim Euro dabei sein werden. Erst beschließen die europäischen Regierungschefs im Mai 1998 den Kreis der Einsteiger-Länder und sofort danach servieren die Finanzminister mit ihren Notenbankpräsidenten die Wechselkurse, die von stund an unter den Euro-Starterländern gelten sollen.

 

Damit verfügt Europa vom Mai nächsten Jahres an über ein Festkurssystem jener Währungen, die von 1999 an in dem Euro aufgehen. Somit beginnt die Währungsunion schon im Mai 1998, wenn auch der Umtauschkurs dieser Währungen zum Euro erst zu allerletzt – Ende 1998 – festgelegt wird. Die Währungstechnokraten von Brüssel bis zum Frankfurter Euro-Tower haben die Szene durchaus im Griff – soweit es um die Umstellungstechnik geht. Aber es gibt da noch offene politische Punkte, die zu lösen ungleich schwieriger sind. Gleichzeitig zur Auswahl der Staaten und dem Festzurren der Devisenkurse soll der Präsident der EZB bestimmt werden. Die Franzosen wollen nach wie vor den Posten für sich haben und dringen zudem auf den Kontrollrat zur EZB. Beides für Deutschland und die Niederlande unakzeptabel. Somit ist noch nicht der große Euro-Friede eingekehrt und alles möglich. Da gab doch Bundeskanzler Helmut Kohl zur Eröffnung der Internationalen Automobil Ausstellung die Richtung präzise an: „Wir brauchen den Euro (Pause) – aber nächstes Jahr im Juni feiern wir erst einmal 50 Jahre D-Mark.

 

Schweizerische Nationalbank: D-Mark-Aufgabe nicht schlüssig

 

Nach Einschätzung der Schweizerischen Nationalbank sind die Probleme der Einführung der gemeinsamen europäischen Währung noch längst nicht behoben. Die Chancen, dass der Euro kommt, gewichtet Nationalbankpräsident, Hans Meyer, bestenfalls auf 50:50. Für Meyer ist es nicht schlüssig, dass die Deutschen die D-Mark aufgeben werden. Vor solchen politischen Entscheidungen sei es immer nützlich, den ökonomischen Kern der Dinge herauszuschälen. Der wesentliche Kern der Währungsbemühungen sei nicht die gemeinsame Währung, sondern das Streben nach einem stabilen Währungsgeflecht.

 

Was die europäischen Länder eigentlich wollen, sind nach Meyer stabile Währungsbeziehungen. Es geht also nicht darum, so der Frankenbankpräsident, dass sich die beteiligten Länder zu Beginn der Währungsunion im Gleichschritt der Stabilitätspolitik bewegen, sondern es sei notwendig, dass sie das auf Dauer tun. Man dürfe von den Notenbanken, auch von der Europäischen Zentralbank viel erwarten, aber nicht alles. Die Geldpolitik müsse von der Finanzpolitik der einzelnen Länder unterstützt werden. Die Notenbanken brauchen nach Meyer ein kongeniales Umfeld, um optimal wirken zu können. So geht es letztlich wieder um die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die schwer fassbar, aber deshalb nicht weniger relevant sind.

 

Weltwährungsgipfel in Hongkong: Eitelkeiten

 

Der Weltwährungsgipfel in Hongkong entpuppte sich wieder  so recht als ein Jahrmarkt der Eitelkeiten, am liebsten auf höchstem Niveau. Dabei ging es weniger darum, dass sich die europäischen Banken ins Fäustchen lachen, weil es die überexpansive japanische Konkurrenz wegen der Schuldenkrise in Thailand ganz schön erwischt hat. Die Eitelkeiten begannen ganz oben, nämlich in der Rangordnung der mächtigsten Industriestaaten der Welt. Ganz klar: Amerika führt. So wurden die USA nach dem Gewicht ihrer Volkswirtschaft im Verhältnis zu Weltwirtschaft mit 18 Prozent des Kapitalanteils beim Internationalen Währungsfonds an die erste Stelle gesetzt. Da hat sich gegenüber den Vorjahren auch kaum was geändert. Die USA hatten immer eine Quote von erkennbar über 15 Prozent. Tiefer wollen sie auch nicht gehen, sonst verlieren sie in der Weltorganisation die Sperrminorität und damit viel Macht.

 

In den folgenden Rangstufen gab es allerdings Rempeleien, als es um die Quotenfestsetzung und Erhöhung der Sonderziehungsrechte des IWF ging. Japan, das bisher gemeinsam mit Deutschland Platz zwei hielt, wurde von den Deutschen großzügig nach oben gelassen. Japan hat neuerdings eine Quote von 7,8 Prozent. Deutschland geht von 5,7 auf 6,2 Prozent und rangiert damit unangefochten auf Platz drei der größten Wirtschaftsnationen der Welt. Dabei gönnte sich Bonn noch die großmütige Tat, Italien 0,1 Prozent Optionsrechte abzugeben, so dass sich die Italiener  auf Rang zehn schwingen konnten.

 

Nicht ins Reine mit sich kamen aber England und Frankreich. Keiner gönnte dem anderen Platz 4 oder wollte sich mit Platz 5 begnügen. So haben sich beide Nationen auf Treppchen 4 der IWF-Rangliste gestellt. So eitel muss man sein. Dieses Gerangel, dieses Prestigedenken wirft auch ein bezeichnendes Bild auf das Verhalten der Akteure in anderen Politikfeldern.

 

Die Quotenerhöhungen (Kapitalerhöhung) kostet auch Geld, da es sich um eine deutliche Heraufsetzung der Sonderziehungsrechte handelt, und zwar um 45 Prozent auf 203 Milliarden Sonderziehungsrechte bzw. real um 90 Milliarden Dollar auf 290 Milliarden Dollar. So wird der IWF mit stattlichen Finanzmitteln zur Sicherung des Weltwährungssystems ausgestattet, reichlich für viele Jahre. Dafür müssen die Anteilseigner, die IWF-Mitglieder auch bares Geld mitbringen. Die deutsche Quotenheraufsetzung um einen halben Prozentpunkt kostet z. B. sechs Milliarden Mark, von denen ein Viertel beim IWF eingezahlt werden muss, also über 1,5 Milliarden Mark. Da die Bundesbank und nicht der Bund Aktionär beim IWF ist, belastet der Geldzuschuss den Bonner Staatshaushalt nicht, sondern kommt aus den Währungsreserven. Und da ist Deutschland immer noch gut sortiert.

 

Abgesehen von der Erhöhung der Sonderziehungsrechte haben sich die 25 reichsten Staaten verpflichtet, den neuen Feuerwehrfonds zur schnellen Behebung akuter Währungskrisen auf fast 50 Milliarden Dollar aufzustocken. Hoppla, dachte die japanische Delegation, so einen Fonds etablieren wir auch für Asien und schlug der IWF-Mitgliederversammlung den Asiatischen Währungsfonds vor. Einlage 100 Milliarden Dollar. Hier hätte sich die Möglichkeit ergeben, japanische Währungsreserven zur Stützung japanischer Banken einzusetzen. Denn die Nippon-Banken sind insbesondere von den asiatischen Krisen betroffen, die es gibt und weiterhin geben wird. „So nicht“ winkten IWF und die westlichen Länder ab. Bitte nicht noch mehr Geld ins Fenster legen. Das fordere doch Banken und Spekulanten geradezu heraus, bis über die Grenzen der eigenen Verantwortung zu gehen. Letztlich würden sie doch, ohne selbst Schaden zu nehmen, herausgepaukt, wenn es kracht. Der Asiatische Währungsfonds wurde abgelehnt.

 

Ein Übriges taten IWF und Weltbank zur Entschuldung der ärmsten Länder. Mit 900 Millionen Dollar werden Bolivien, Burkina Faso und Uganda entlastet. Bis Ende dieses Jahres bekommen auch die Elfenbeinküste, Guyana und Mosambik die Auslandsschulden weitest gehend erlassen. Die Starken sind nicht nur eitel, sondern manchmal auch spendabel, wenn’s nottut.

 

Beim Hongkong-Gipfel waren zwar alle wichtigen Themen der internationalen Währungsszene angesprochen, manches auch befriedigend gelöst, aber längst nicht alles. Die asiatische Schuldenkrise brannte vielen Akteuren noch unter den Nägeln. So machte sich Bundesfinanzminister Theo Waigel kurze Zeit später nochmals von Bonn auf, um in Washington noch einiges zu klären. Natürlich begleitet ihn ein Direktoriumsmitglied der Bundesbank (die Anteilseignerin beim IWF ist). Zwei Punkte waren ihm wichtig: Erstens muss durch geeignete Hilfsprogramme den lahmenden Tigerstaaten wieder auf die Beine geholfen werden und zweitens darf der Internationale Währungsfonds nicht zur kostenlosen Kreditversicherung einer ganzen Reihe von privaten Banken und Wertpapierhäusern werden.

 

Michel Camdessus, der Geschäftsführende Direktor des IWF, soll die Tiger „reiten“, nicht noch füttern, um sie so zur Trägheit zu erziehen. Waigel kennt das Problem Camdessus, der am liebsten die ganze Welt, vom ärmsten Entwicklungsland bis zum dreistesten Tiger-Staat mit Milliarden-Beträgen gesundpäppeln will, obwohl jeder vernünftige Ökonom weiß, dass dies keine wirklich erfolgversprechende Therapie ist.

 

Schon fordert der malaysische Ministerpräsident Mahatir dreistellige Milliarden-Beträge – in Dollar – um allein die Verluste, die in den vergangenen Monaten in Malaysia entstanden sind, auszugleichen. Thailand, Südkorea und Indonesien haben bisher schon Finanzzusagen in der Größenordnung von 80 Milliarden Dollar kassiert. Der japanische Staat spielt mit einer Finanzspritze von umgerechnet 100 Milliarden Dollar (jetzt ohne den Asien-Fonds), um dem eigenen Bankensystem aus der Patsche zu helfen.

 

Wenn der Staat bzw. die einzelnen Staaten Hauptschuldner wären, so müssten die Gläubigernationen und die internationalen Organisationen wie der IWF das Portemonnaie weit öffnen. Das aber trifft bei keinem der Asean-Staaten in übermäßigem Umfang zu. Private Geldgeber, japanische und internationale Banken, haben direkt und indirekt die halsbrecherischen Investitionen finanziert. Sie haben mitgeholfen, dass das lange Zeit beispielhafte Wachstum in Südostasien umgeschlagen ist  in die sprichwörtlichen Luftblasen-Ökonomien. Diese Geldgeber sollen ihre Verluste selbst tragen und nicht den IWF und andere dafür bluten lassen.

 

Viele Banken, Financiers und Wertpapierhäuser sind in Thailand, Südkorea, Hongkong und Japan zusammengebrochen. Und Malaysia erreicht gerade dieser Finanz-Tsunami. Es ist noch längst nicht alles ausgegoren. Mit Unterstützung des Westens müssen in den Asean-Staaten gesündere Strukturen und eine bessere Finanzaufsicht aufgebaut werden. Die Krise kostet bereits Wachstumspunkte in der Weltwirtschaft. Die Tigerstaaten müssen unbedingt wieder Biss bekommen.

 

Die Krise ist längst nicht behoben. Sie zieht sich über Weihnachten hin. Die anfänglich in Sachen asiatischer Wirtschaftsgrippe so relaxten europäischen und amerikanischen Großbanker, Investmentmanager und Finanzminister haben über die Festtage offenbar erkannt, in welch kritischer Lage sich das Weltwährungssystem befindet, nachdem in Korea fast alles drunter und drüber geht. Außerdem konnten Thailand, Hongkong, Indonesien, Malaysia und die Philippinen durchaus noch nicht ihre Währungen und Bankenapparate in Ordnung bringen. Auch Japan kämpft mit großen Schwierigkeiten. Es brennt in Fernost und diese Lunte könnte auch das Finanzsystem der alten Industriestaaten durcheinander bringen.

 

Parallel laufende Krisensitzungen sind in New York und Frankfurt angesetzt. Mit der Doppelkonferenz soll ein Zeichen gesetzt werden, dass die westlichen Industriestaaten plus Japan und die großen multilateralen Institutionen wie IWF und Weltbank, auch die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) mit den drei Dutzend Notenbanken, die an ihr beteiligt sind, eine Ausbreitung der fernöstlichen Finanzkrise nicht hinnehmen und auf jeden Fall einen Flächenbrand verhindern wollen. Das Signal heißt: Die Welt steht zusammen. Am 30. Dezember macht sich ein großes Durchatmen breit.

 

Es ist wonnig anzusehen, wie sich die Hochfinanz um die Rettung des Won und der südkoreanischen Wirtschaft kümmert. Ein solcher Enthusiasmus war bisher bei den verschiedenen Schulden- bzw. Währungskrisen seit 1982 – Mexiko – nicht feststellbar gewesen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Südkorea zum ersten geglückten Fall einer Krisenbehebung wird. Zum ersten Mal haben sich Privatbanken mit einem insolventen ausländischen Großkunden „Staat“ solidarisch erklärt und in Verantwortung gerade auch für das internationale Finanzsystem schnell, großzügig und unbürokratisch geholfen. Die Börse honoriert es bereits.

 

 

Es könnte ein bitteres Erwachen geben

 

Mit großer Aufmerksamkeit verfolgt die Bundesbank die Umkehrung der Diskussion zur Einführung des Euro. Anfangs wurde argumentiert: Deutschland und die Nachbarn müssten ihr Haus vor Einführung des Euro in Ordnung bringen, damit die Währung ein Erfolg wird. Jetzt heißt es genau umgekehrt: Mit dem Euro werde sich der Standort und mit ihm die Wirtschaftsstruktur verbessern. Diese Einstellung kann nach Auffassung von Hans Tietmeyer zu einem bitteren Erwachen führen. „Der Euro verbessert nicht die Struktur der Teilnehmer, sondern steigert ganz im Gegenteil den Wettbewerb, der akzeptiert werden muss“, sagte Tietmeyer im Internationalen Club Frankfurter Wirtschaftsjournalisten (13.11.97)

 

Jedes Land müsse sich deshalb überlegen, ob es flexibel genug sei, um mit einer einheitlichen Geldpolitik und einer einzigen Währung fertig zu werden. „Dies gilt auch für Deutschland.“ Die Anpassungszwänge blieben erhalten. Das Land brauche mehr denn je Reformen seiner Steuer- und Sozialsysteme. Denn Europa mit der einheitlichen Währung hält keine teuren Transfersysteme bereit, etwa wie derzeit noch in Deutschland, wo das Saarland, Bremen oder das Ruhrgebiet in Permanenz unterstützt werden.

 

Als einen Münchhausen-Witz erkennt der Bundesbankpräsident auch das Ansinnen von SPD- und Gewerkschaften, mit Lohnerhöhungen die Kaufkraft der Verbraucher zu stärken, um so die Inlandskonjunktur anzukurbeln. Das funktioniere nicht. Wenn Tietmeyer auf diese Weise den deutschen Politikern und Wirtschaftsstrategen den Kopf zurechtsetzte, so scheute er sich auch nicht, die nationalistischen Ziele einiger europäischer Nachbarn anzuprangern, die in der Personaldiskussion um die Besetzung der Spitze bei der EZB zum Ausdruck kommen. Wer eine verantwortungsvolle Position bei der EZB erhält, muss nach Tietmeyer europäische Verantwortung übernehmen, nicht die Politik seines Herkunftslandes betreiben. „Das gilt besonders für den Präsidenten.“ Schließlich mache im deutschen Zentralbankrat der LZB-Chef in München nicht bayerische Geldpolitik oder der Düsseldorfer eine nordrheinwestfälische. Er selbst, Tietmeyer, steht für den Präsidentenposten bei der EZB nicht zur Verfügung. Sein Mann ist Wim Duisenberg. Beim französischen Kandidaten, Jean Claude Trichet, hält er sich eher zurück.  Der Mitte des Jahres (97) von Chirac ernannte Premierminister, Lionel Jospin, hatte eines Tages Trichet präsentiert und dazu behauptet es läge dafür eine Zusage Kohls vor.

 

Eine Warnung hatte Tietmeyer noch für die Adresse südeuropäischer Zentralbank-Chefs: „Bei der Zinsanpassung für den Euro-Start wird nicht der Durchschnitt der kurzfristigen Leitzinsen genommen. Hier werde man sich an die Schrittmacher halten, die die niedrigsten Zinsen aufweisen wie Deutschland, Frankreich und die Niederlande, die gegenwärtig 3,30 Prozent vorweisen können. Tietmeyer betonte immer wieder, dass die richtige Auswahl der Länder das entscheidende Kriterium ist, ober der Euro gelingt. Die Märkte, die Spekulanten, würden Anfang 1999 sofort mit dem Test beginnen.

 

Am Leidensweg in Richtung Europa stand für die deutsche Zentralbank im Dezember 1997 noch eine weitere Kreuzwegstation. Wie Finanzstaatssekretär, Hansgeorg Hauser, vor dem Bundestag ausführte, ist die Bundesbank mit der neuesten Gesetzesnovelle nun „fit für Europa, für die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion“. Denn sie soll künftig Höherem dienen. Mit dem Euro gehen ihre geldpolitischen Aufgaben 1999 auf die EZB über. „Das Statut der Euro-Zentralbank ist auf Stabilitätspolitik gerichtet und entspricht der Bundesbanktradition.“ Die Mutter aller Hartwährungsbanken, die Mutter der EZB, tritt zurück ins Glied, mischt sich unter die übrigen Euro-Banken, marschiert im Gleichschritt mit.

 

Der Bundesbankpräsident regiert in der Geldpolitik als einer unter Zwölfen in der EZB mit. Mit dem neuen Gesetz wird die Bundesbank auch aus der Verpflichtung entlassen, die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung zu unterstützen, weil sie es nicht mehr kann. Europäische Maßstäbe werden bei ihr künftig auch bei der Rechnungslegung angewendet. Das Kapital wird erhöht, die Reserven herunter gefahren. Der Bund macht dadurch einen Milliarden-Gewinn. – Es könnte ein bitteres Erwachen geben.

 

Chaos der Meinungen und Wünsche

Da passt wirklich wieder alles zusammen, Anfang 1998. Die Briten haben die Präsidentschaft in der Europäischen Union übernommen und wollen den Weg zur Währungsunion bereiten, obwohl sie selbst nicht teilnehmen. Die Franzosen ziehen ihre Währungskommissar, Thibault de Silguy, aus Brüssel zurück und präsentieren in Frankfurt mit voller politischer Härte den Pariser Notenbankchef, Jean Claude Trichet, als ersten Präsidenten für die Europäische Zentralbank. Sie stiften damit erheblichen Unfrieden. Als Kompromisskandidat wird dann noch der luxemburgische Regierungschef, Jean Claude Juncker, aus der Euro-Koste gezaubert. Juncker gehört aber typischerweise zu den Beschäftigungspolitikern, die aus dem Geld mehr machen wollen als drinsteckt.

 

Dazu passt, dass die Deutschen jede Lust am Euro verloren haben. Auf einer Veranstaltung der Frankfurter Börse hat Wolfgang Schäuble, Fraktionsvorsitzender der Union, en weniger leutseligen als Demokratie verachtenden Satz ausgesprochen: „Wir werden den Euro einführen auch gegen den Willen der Mehrheit des Volkes. Kurs vorher war eine Umfrage bekannt geworden, dass rund 80 Prozent der Deutschen den Euro nicht wollen, jetzt nicht wollen. Sicherlich fehlt es den meisten Bürgern bei ihrer abwehrenden Haltung gegen den Euro an klaren Argumenten. Im politischen Leben ist das meistens so. Der Bürger votiert aus dem Bauch heraus. Das ist in der Demokratie nicht anders  zu haben und meistens liegt der Bürger auch gar nicht so falsch mit seinen Ängsten und Meinungen.

 

Jetzt aber haben sich 155 Professoren zusammengetan, die das Denken gelernt haben, und durchaus auch in der Lage sind, ihre Gedanken zu formulieren. Vier Wissenschaften fanden sogar den Weg bis zum Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe und reichten dort eine Klage gegen den Euro ein, besser gesagt gegen die unzeitgemäße Einführung der gemeinsamen Währung. Die Viererbande, wie sie sich selbst nennt, will sich nicht nur interessant machen sondern politisch etwas durchsetzen. Sie forderm das „Bürgerrecht auf Stabilität“ ein. Die Viererbande und die 151 Mittäter haben sich auf einen sieben Punkte umfassenden Aufruhr geeinigt mit der Quintessenz: Wir brauchen den Euro, irgendwann. Jetzt aber kommt er zu früh, denn die meisten europäischen Staaten, gerade auch Deutschland und Frankreich, seien nicht reif dafür. Keines der großen Länder erfülle in Wirklichkeit die stabilitätspolitischen Anforderungen. Und schon poltert der stabile Bundeskanzler, Helmut Kohl, in Bonn am Rhein: Wir führen aber trotzdem den Euro ein – pünktlich. Dass er dies gegen die Mehrheit des Volkes tut, weiß er, sagt’s aber nicht.

 

Auch die übrigen Politiker-Kast – ganz gleich welcher Coleur, wenn man von der PDS einmal absieht – hält am Terminplan fest. Brüssel zeigt sich sogar ausgesprochen entrüstet über das Professoren-Volksbegehren. Das aber weiß man auch schon, dass sich die Europäische Kommission reichlich wenig für Europas Bürger interessiert. Dergleichen hat für das Karlsruher Verfahren jedoch keine Bedeutung. Allerdings gibt es Juristen, die meinen, die Euro-Klage gehöre gar nicht vor das Bundesverfassungs-Gericht sondern vor den Europäischen Gerichtshof.

 

Die Karlsruher Verfassungsrichter haben in den vergangenen Jahren durchaus das eine oder andere Mal eine Kostprobe ihres wachen Verstandes von Bürgernähe und entgegen dem hart gesottenen Parteienstaat gegeben. „Existenzminimum“ wäre so ein Stichwort oder auch Schutz des Lebens. Zwar wurde meist der große Krach mit der Politik vermieden aber manche Klarheit dennoch geschaffen.

 

Klugerweise wird sich Karlruhe weniger gegen den Euro oder die Europäische Zentralbank äußern als zu dem Thema Deutsche Mark und was dem Bürger verloren geht, wenn diese nicht mehr verfügbar ist. Da dürfte dann der politische Überbau eine Rolle spielen und der Wohlstand der Nation, der durch eine nicht mehr hausgemachte Währung weniger gewährleistet werden könnte. Politisch läuft das immer auf dasselbe hinaus, nämlich auf die Frage: Wie kann Europa richtigerweise und überzeugend langfristig integriert werden.

Mit Schrammen und Rempeleien Maastricht erfüllt

 

Freude, schöner Euro-Funke, D-Mark, Du hast es geschafft. Nach dem deutschen Medaillen-Segen bei der Winterolympiade in Nagano kann sich jetzt auch Bundesfinanzminister Theo Waigel Gold ans Revers stecken. Mit einigen Schrammen und Rempeleien hat es Deutschland geschafft, die Maastricht-Kriterien zu erfüllen. Dabei gibt es die höchste Punktzahl für die sparsame Kreditaufnahme des Staates, anders ausgedrückt für die Defizit-Quote, die höchstens bei drei Prozent

Liegen sollte und nun mit 2,9 Prozent glatt unterschritten hat. Zwar gehört zu den Maastricht-Kriterien ein ganzes Bündel von Erfordernissen, die zur Teilnahme an der Europäischen Währungsunion erfüllt werden müssen: Zinsen, Inflation, Wechselkursstabilität. Aber die Drei-Prozent-Hürde ist der sensibelste Punkt.

 

Dagegen hat die Gesamtverschuldung des Staates, die 60 Prozent des Brutto-Inlandsprodukts (BIP) nicht übersteigen darf, eine weit geringere Bedeutung. Ob Deutschland hier mit 61 oder 62 Prozent in den Endlauf für die Euro-Teilnahme geht, ist ziemlich gleichgültig. Wären diese ein oder zwei Prozent aber zusätzlich bei der Neuverschuldung erschienen, hätte es nicht nur Diskussionsbedarf gegeben,, sondern die ganze Euro-Phantasie wäre ziemlich verflogen. Manchen Euro-Muffel hätte es zwar in Euphorie versetzen können. Schön wäre es nicht gewesen, denn eine überbordende Staatsverschuldung birgt in sich erhebliche Probleme für Gesellschaft und Wirtschaft.

 

Dass sich Deutschland tatsächlich für den Euro qualifiziert hat, ist nicht verwunderlich, denn in diesem politischen Geschäft geht es um die Entmachtung der Bundesbank, um  die Abschaffung der D-Mark, um die Einbindung der D-Mark in das europäische Währungsgefüge, nicht nur das sondern in einen europäischen Währungseintopf, der speziell auch als Grundnahrungsmittel für die Entwicklung des Corpus Europa dienen soll. Die Währungsunion war immer als deutsch-französische Veranstaltung begriffen worden, unter Hinzunahme eines harten Kerns stabilitätsorientierter Länder der europäischen Union, des D-Mark-Blocks.

 

Nach den vorliegenden Daten hat die Maastricht-Hürde allein Griechenland nicht geschafft. Drei weitere Staaten – England, Dänemark und Schweden – wollen beim Euro nicht vom Anfang an dabei sein. Die übrigen Elf beginnen in Jahresfrist mit der gemeinsamen Währung: Deutschland, Frankreich, Belgien, Luxemburg, die Niederlande, Spanien, Portugal, Österreich, Italien, Irland, Finnland. Freude schöner Euro-Funke. Bis dahin gibt es noch einige Konferenzen und Absprachen, z. B. wie die einzelnen Währungen zu welchen Kursen miteinander verkettet werden und wie letztlich der Euro-Kurs aussehen soll.

 

Die Brüsseler Kommission war mit dem Konvergenzbericht hoch zufrieden und hat ihren Vorschlag formuliert mit diesen elf Ländern 1999 in die Währungsunion zu gehen. Das allerdings ging der Bundesbank etwas zu schnell. Sie hat für die Bundesregierung eine Stellungnahme zur Konvergenzlage in der europäischen Union erarbeitet und einstimmig verabschiedet. Danach fallen Italien und Belgien glatt durch. Der Gesamtschuldenstand beider Länder von jeweils über 120 Prozent des BIP zeige nicht nur, dass das Schuldenkriterium um das Doppelte überstiegen wird. Auch der Schuldenabbau vollziehe sich viel zu schleppend.

 

Bei Italien komme hinzu, dass mittels einer unzulässigen „kreativen“ Buchführung die Defizitquote um einen ganzen Prozentpunkt auf 2,7 Prozent gedrückt wurde. Die Bundesbanker insistieren: „Die Zweifel sind nicht ausgeräumt.“ Wenn z. B. Italien innerhalb von zehn Jahren von seinem Schuldenstand herunter kommen wolle, müssten Haushaltsüberschüsse von über zwei Prozent des BIP erwirtschaftet werden. Somit besteht eine Differenz zwischen Ist und Soll von fast fünf Prozent. „Bei Belgien liegen die Dinge nicht besser.“ Die Dauerhaftigkeit der Einhaltung der Kriterien sei bei diesen Ländern schwerlich gegeben.

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Wehnelts Privatbücherei:

10 Jahre Euro – Wie er wurde, was er ist

Hoechst – Untergang des deutschen Weltkonzerns

Der PreußenClan (Familiensaga)