J.P. Morgan AM:
Ausblick 2025 – Zinsen und Zölle werden Grenzen der Kapitalmärkte ausloten
10 Thesen von Kapitalmarktstratege Tilmann Galler für 2025
Frankfurt (18.12.24) – Laufend neue Höchststände an den Aktienmärkten, ein erstaunlich gutes Wachstum in den USA – das Jahr 2024 hielt einige positive Überraschungen für Anlegerinnen und Anleger bereit. Was könnte nun das Jahr 2025 bringen? Aus Sicht von Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management, stellt sich vor allem vor dem Hintergrund des Wahlausgangs in den USA die Frage, wohin die Reise an den Märkten im nächsten Jahr gehen könnte. „Das Jahr 2025 dürfte geprägt sein von einem Ausloten der Grenzen. Vor allem die Entwicklung bei Zinsen und Zöllen wird zeigen, wie weit es gehen kann, ohne dass der Bogen überspannt wird“, sagt Tilmann Galler. Denn hohe US-Zölle auf Waren etwa aus China könnten auch viele US-Unternehmen, die in China teilweise oder vollständig produzieren, empfindlich treffen. Und auch ein zu schnelles Absenken der Leitzinsen könnte die Inflation wieder zurückbringen. Grundsätzlich sieht Ökonom Galler die Aussichten für US-Aktien aber weiterhin gut, Unternehmensgewinne dürften sich verbreitern, an den Anleihenmärkten ist mit steigender Volatilität zu rechnen.
These 1: Die US-Dominanz geht in die Verlängerung
Mit dem Wahlausgang hat die künftige US-Regierung nun Möglichkeiten, ihre Pläne für die Wirtschaft in die Tat umzusetzen. Sie setzt zum einen auf fiskalische Expansion, zudem soll auch die Regulierung verringert werden. „Wir haben es mit einer Politik zu tun, die für die USA wachstumsförderlich sein wird. Die US-Dominanz dürfte daher in die Verlängerung gehen“, sagt Tilmann Galler.
Geplante Steuersenkungen könnten einerseits positive Impulse für Unternehmen geben, zum anderen dürften diese aber auch den Privathaushalten zugutekommen. Auch die Stimmungsindikatoren zeigen nach oben, wie etwa die Einkaufsmanagerindizes. Sowohl bei Dienstleistungen als auch beim verarbeitenden Gewerbe gebe es positive Signale, was die US-Wirtschaft in den kommenden Quartalen unterstützen dürfte. Auch der Arbeitsmarkt befindet sich in einer stabilen Verfassung und ist so ein Stützpfeiler für den Konsum. Es gebe immer noch eine Überschussnachfrage nach Arbeit, weshalb das Lohnwachstum mit aktuell 4 Prozent zur Stärkung der Kaufkraft beiträgt. Dank den zuletzt stark gestiegenen Aktien- trägt auch der Vermögenseffekt zur positiven Stimmung der Konsumenten bei.
Die Zinslast wirkt sich hingegen nicht so stark auf die Vermögen der Privathaushalte aus, wie man befürchten könnte. „In Zeiten der Finanzkrise lag das Verhältnis von Verschuldung zur gesamtwirtschaftlichen Leistung bei 100 Prozent. Aktuell sind es nur noch rund 72 Prozent“, analysiert Kapitalmarktexperte Galler.
These 2: Inflation verschwindet nicht
Das starke US-Wachstum hat allerdings auch ihren Preis. „Gerade weil die Wirtschaft eine hohe Auslastung hat, nehmen die Inflationsgefahren allmählich zu“, stellt Galler fest. Man sei sehr schnell von den Inflationshöchstständen 2022 heruntergekommen, weil etwa die Energieinflation fast vollständig verschwunden sei. Doch man könne beispielsweise am Immobilienmarkt sehen, dass sich die Miet-Dynamik langsam wieder nach oben entwickele. Auch im Dienstleistungssektor dürfte sich aus Sicht von Tilmann Galler die Inflation aufgrund robuster Nachfrage als hartnäckiger erweisen. Ebenso bei Gebrauchtwagen merke man, dass die Preise wieder anzögen.
„Wir kommen in keine neue Phase der Reflation, aber es dürfte der Fed schwerfallen das Inflationsziel zu erreichen“, so Galler.
These 3: Die Fed wird im Verlauf des Jahres an die Seitenlinie treten
Im Hinblick auf die Aktivitäten der US-Notenbank Fed rechnet Galler damit, dass diese die Zinssenkungen zwar fortsetzen dürfte, aber im Lauf des nächsten Jahres an den Punkt kommen könnte, stärker an die Seitenlinie zu treten – ausschlaggebend dafür seien das robuste Wachstum und die Inflationsgefahren. „Zinssenkungen werden 2025 immer schwerer zu rechtfertigen sein“, erklärt Galler.
These 4: US-Zölle steigen auf den höchsten Stand seit 60 Jahren
Mit einer schnellen Umsetzung durch die US-Administration rechnet Tilmann Galler beim Thema Zölle. „Schon jetzt haben wir es mit einem stärker werdenden Nationalismus der US-Handelspolitik zu tun. Die Zölle könnten im nächsten Jahr auf den höchsten Stand seit über 60 Jahren klettern“, sagt Galler.
Gleichwohl könnte es bei einigen Waren, für die es in den USA keine Ersatzprodukte gibt, zu Ausnahmeregeln und verringerten oder ganz ausgesetzten Zöllen kommen. China wird demnach im Hauptfokus der US-Zollpolitik stehen. Die Frage sei, inwieweit China auf die Zölle reagieren könnte. De facto führten die 2018 eingeführten US-Zölle nicht zu einem Einbruch der Exporttätigkeit Chinas, sondern zu einer Umleitung der Handelsströme. Das „Friendshoring“ dürfte sich 2025 daher verstärken, das heißt China könnte Handelsstrukturen in anderen Ländern aufbauen, um den Effekt von Strafzöllen zu mindern. Die Regierung in Peking sieht Galler nun am Zuge, mehr zu tun, um die Wirtschaft zu stützen.
These 5: Währungen der US-Handelspartner unter Druck – Euro fällt unter Pari
Die US-Handelspolitik dürfte nach Meinung von Tilmann Galler einige Konsequenzen für die Währungen der Handelspartner haben. Vor allem beim chinesischen Renminbi oder beim Euro dürfte dies zu einer weiteren Schwäche führen. „Der Euro wird in den kommenden Quartalen Pari testen und kann gegebenenfalls auch darunter fallen“, stellt Galler fest.
Weil die Fed die Zinsen nur allmählich senken dürfte, die EZB aber größeren Senkungsspielraum habe, bleibt das Zinsdifferential relativ hoch und der US-Dollar weiter unterstützt.
These 6: Indiens Outperformance in Emerging Markets geht zu Ende
Mit Blick auf die Emerging Markets ist die Inflationsproblematik zuletzt zurückgegangen, was den dortigen Notenbanken ebenfalls Raum für Zinssenkungen gegeben hat. Indien hat sowohl beim Wirtschaftswachstum, aber auch bei der Entwicklung des Aktienmarkts, andere Schwellenländer in den letzten Jahren deutlich hinter sich gelassen, und auch China als Wachstumslokomotive abgelöst. Allerdings könnte Indien 2025 eine Pause einlegen. „Indien hat im kommenden Jahr mit schwächer Wachstumsdynamik zu kämpfen. Während die gleichzeitig steigende Inflation weniger monetäre Unterstützung von der Zentralbank erwarten lässt.. Die Bewertungen am Aktienmarkt sind bereits sehr hoch, so dass indische Aktien gegenüber anderen Emerging Markets zurückfallen könnten“, sagt Galler.
These 7: Europa vermeidet Rezession
In Europa gibt es aus Sicht von Tilmann Galler bereits einige Strukturprobleme, jetzt komme noch die US-Handelspolitik hinzu. Vor allem die hohe Regulierungsdichte sowie die hohen Energiekosten würden die europäische Industrie gegenüber den USA zurückwerfen. Im Dienstleistungssektor ist die Stimmung bereits nur durchschnittlich, im verarbeitenden Gewerbe ist sie sehr schwach. Vor allem in der Autoindustrie dürfte China noch sehr viel stärker in Konkurrenz zu europäischen Produzenten treten, vor allem bei E-Autos haben chinesische Hersteller einen deutlichen Preisvorteil gegenüber heimischen Firmen.
Allerdings geht Galler davon aus, dass Europa eine Rezession vermeiden kann. Trotz der vielfältigen Probleme gebe es auch einige Wachstumskomponenten. So ist das Reallohnwachstum weiterhin positiv und die Sparquote in Europa immer noch sehr hoch. Die steigende Kaufkraft und die Überschussersparnisse sollten die Einzelhandelsumsätze unterstützen. „Der Konsum dürfte mit Blick auf 2025 stabil bleiben und einige moderate positive Wachstumsbeiträge in Europa leisten“, sagt Galler. Selbst im verarbeitenden Gewerbe könnte ein Aufstocken der Lagerbestände zu einer moderaten Erholung führen.
These 8: Unternehmensgewinne steigen 2025
Auf Unternehmensseite sieht Galler das Potenzial für weitere Gewinnsteigerungen auch im Jahr 2025. „Wir erwarten ein relativ stabiles Gewinnwachstum, auch eine Verbreiterung der Gewinne. US-Gewinne stechen zwar wieder hervor, aber die Steuerpolitik könnte eine gewisse Rolle spielen, dass die Sektoren etwas unterschiedlicher profitieren“, sagt Galler.
Der Bullenmarkt sei im historischen Vergleich zudem noch nicht alt und könnte daher noch länger laufen. Ökonom Galler sieht insgesamt keinen expliziten Grund, „short“ zu gehen. „Wir sehen weiterhin Potenzial für Aktien, auch wenn Bewertungen relativ hoch sind. Insbesondere die KGVs der Mega-Caps in den USA erhöht“, sagt Galler. Der Kapitalmarktexperte sieht enorme Bewertungsdivergenzen auch zwischen Regionen, vor allem Europa und China notierten mit hohen Abschlägen.
These 9: Underperformance der Mega-Caps
Tilmann Galler sieht allerdings eine gewisse Wachablösung an den Aktienmärkten. Die Mega-Caps könnten seiner Einschätzung nach gegenüber Large und Small beziehungsweise Mid Caps ihre Marktführerschaft verlieren. „Die Technologiewerte müssen den bereits sehr hohen Erwartungen gerecht werden. Die Mega-Caps werden bereits mit einer erheblichen Prämie gegenüber anderen Werten gehandelt“, sagt Galler. Die möglicherweise anstehenden Steuersenkungen in den USA könnten vor allem die Unternehmen unterstützen, die in den USA produzieren und Produkte vertreiben. Gerade dies könnte kleineren Unternehmen, die primär am heimischen US-Markt aktiv sind, zugutekommen.
These 10: Anleihenvolatilität steigt an
Aus Sicht von Tilmann Galler dürfte gerade die größere Schuldenaufnahme in den USA zu einer höheren Volatilität bei Anleihen sorgen. „Die Bondmärkte sind sehr wachsam und werden die Vorhaben der US-Regierung kritisch beäugen. Während die Anleihenrenditen zuletzt eher seitwärts tendierten, dürfte es im nächsten Jahr mehr Schwankungen geben“, erklärt Galler. Renditen und Kupons seien jetzt insgesamt aber wieder hoch genug, so dass man einen stärkeren Puffer bei möglichen Konjunkturschocks bekommen könne.
Als Stabilisator sieht Galler vor allem Anleihen aus dem qualitativ hochwertigeren Bereich. Während US-Bonds stärker schwanken dürften, sieht er Bonds in Europa deutlich besser unterstützt, da die EZB die Zinsen deutlich mehr senken könne als die Fed. Allerdings müsse man in Europa auch differenzieren zwischen den einzelnen Ländern. In Frankreich dürfte die Lage schwierig bleiben, Bundesanleihen könnten hingegen ein sicherer Anker sein.