BVR:
Mittelstand durchlebt anhaltende Konjunkturflaute, aber weniger Kostensorgen
Berlin (9.12.24) – Die Geschäftslage wird so verhalten beurteilt wie seit der Corona-Krise im Frühjahr 2020 nicht mehr.
-
81,5 Prozent der Mittelständler klagen über Bürokratie und damit nur marginal weniger als beim Allzeit-Hoch vor 6 Monaten, 67 Prozent belastet der Fachkräftemangel.
-
Belastungen durch Lohn-, Energie-, Rohstoff- und Materialkosten haben aber an Bedeutung verloren.
-
Wegen der hartnäckigen Flaute sank die Bilanzqualität im Mittelstand 2023 auf den niedrigsten Stand seit 2014.
Der Mittelstand befindet sich weiterhin in einem schwierigen Konjunkturumfeld. Die Kostensituation der Unternehmen hat sich jedoch etwas entspannt. Dies zeigt eine aktuelle Umfrage der DZ BANK und des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) unter mehr als 1.000 mittelständischen Unternehmen.
„Bürokratie und Fachkräftemangel bleiben die größten Probleme des Mittelstands. Hier ist die Politik gefordert, nach der Bundestagswahl möglichst rasch Lösungen aus einem Guss zu schaffen, damit die Wirtschaft wieder auf die Beine kommt. Maßnahmen gegen die ausufernde Bürokratie und gegen den Fachkräftemangel müssen ganz oben auf der Agenda der künftigen Bundesregierung stehen, auch weil erste Babyboomer in Rente gehen“, erklärt BVR-Präsidentin Marija Kolak.
Andauernde Konjunkturschwäche trübt die Stimmung „Das ausgebliebene Wirtschaftswachstum macht nicht nur den großen Konzernen zu schaffen, sondern auch den mittelständischen Unternehmen. Vor allem die Industriebetriebe leiden unter einer mangelnden Nachfrage aus dem In- und Ausland“, so Uwe Berghaus, Firmenkundenvorstand der DZ BANK. „Viele Unternehmen zeigen sich nach dem Wahlsieg Trumps zudem besorgt über höhere US-Zölle. Insgesamt ist das ein gefährlicher Mix, der die Planungssicherheit in der deutschen Wirtschaft beeinträchtigt.“
Vor diesem Hintergrund wurde die Geschäftslage von den Umfrageteilnehmern so verhalten beurteilt, wie seit der Hochphase der Corona-Krise im Frühjahr 2020 nicht mehr. Der Lage-Saldo ist im Herbst zum dritten Mal in Folge gesunken, wenn auch nur leicht von zuvor 27 auf nun 26 Zähler. Im Vergleich zum Frühjahr hat sich die Geschäftslage in fast allen Größenklassen verschlechtert. Nur kleine Mittelständler mit weniger als 20 Beschäftigten bewerteten ihre Lage besser.
Auch die Geschäftserwartungen haben sich angesichts der hohen wirtschaftspolitischen Unsicherheiten eingetrübt. Der Saldo der Prozentanteile von optimistischen und pessimistischen Erwartungen liegt bereits seit über drei Jahren unter seinem langjährigen Mittelwert. Seit dem Frühjahr ist er von +2 auf -7 Punkte im Herbst erneut gesunken. Allein im Ernährungsgewerbe und in der Elektroindustrie sind die Erwartungen noch mehrheitlich optimistisch.
Dauerprobleme: Bürokratie und Fachkräftemangel Bürokratiebelastung und der Fachkräftemangel stehen weiterhin an der Spitze der aktuellen Problemfelder des deutschen Mittelstands. Während die Bürokratie knapp 82 Prozent der Befragten derzeit Sorgen bereitet und das Rekordniveau aus der Frühjahrsumfrage damit nahezu gehalten wurde, hat sich die Sorge um den Fachkräftemangel etwas beruhigt. Nach 75 Prozent der Befragten im Frühjahr bereitet der Fachkräftemangel aktuell „lediglich“ noch 67 Prozent der Mittelständler Sorgen.
Die anhaltend schwache Konjunktur sorgt dafür, dass der geplante Personalabbau der Mittelständler in den nächsten sechs Monaten den Personalaufbau übertreffen soll. Der strukturelle Trend des Fachkräftemangels bleibt aber unverändert bestehen, wie auch die Ergebnisse einer Sonderfrage zum demografischen Wandel nahelegen. Demnach wird bei über 50 Prozent der befragten Unternehmen in den nächsten zehn Jahren ein großer Teil der Belegschaft in den Ruhestand gehen.
Nachlassender Druck von der Kostenseite
Erfreulich ist, dass die Beeinträchtigungen durch Lohn-, Energie-, Rohstoff- und Materialkosten an Bedeutung verloren haben, ebenso wie die Steuerbelastungen. Verschwunden sind diese Belastungen aber bei weitem noch nicht. Das Kostenniveau ist schließlich tendenziell immer noch merklich höher als vor den Krisen der vergangenen Jahre.
Zuletzt beklagten 64 Prozent der Umfrageteilnehmer die Lohnkosten, was jedoch gegenüber dem Allzeit-Hoch vom Frühjahr einen leichten Rückgang darstellt. Die Energiekosten belasteten noch 55 Prozent der Mittelständler. Während der Hochphase der Energiekrise waren es aber sogar 88 Prozent. Die Steuerbelastungen sowie die Rohstoff- und Materialkosten machten jeweils knapp jedem Zweiten befragten Unternehmen zu schaffen, was ebenfalls ein Rückgang gegenüber dem Frühjahr ist.
Hartnäckige Flaute verschlechtert Bilanzqualität Die anhaltende wirtschaftliche Schwächephase in Deutschland spiegelt sich auch in den Abschlussdaten der mittelständischen Unternehmen wider. Nach aktuellem Datenstand ist der Bilanzqualitätsindex im Jahr 2023 erneut gesunken, gegenüber dem Vorjahr um 1,2 Punkte auf 119,7 Punkte. Der Index befindet sich damit auf dem niedrigsten Stand seit 2014.
Wie bereits im Vorjahr trug auch 2023 vor allem der Dynamische Verschuldungsgrad zum Rückgang des Bilanzqualitätsindexes bei. Die Fähigkeit der mittelständischen Unternehmen, Verbindlichkeiten aus dem Cashflow zu tilgen, hat weiter abgenommen. Positiv stimmt aber, dass die durchschnittliche Eigenkapitalquote der Mittelständler nach einem Rückgang im Vorjahr 2023 wieder gestiegen ist, wenn auch nur moderat um 0,3 Prozentpunkte auf 29,0 Prozent. Die Kennzahl lag damit um deutliche 84,2 Prozent über ihrem langjährigen Mittelwert der 2000er Jahre, was einmal mehr die hohen Bestrebungen der Unternehmen zur Sicherung ihrer Zahlungsfähigkeit verdeutlicht.
Über die Studie „Mittelstand im Mittelpunkt“ Die Daten für die VR Mittelstandsumfrage wurden in der Zeit vom 11. September bis 10. Oktober 2024 über Telefon- und Onlineinterviews erhoben. Die Stichprobe von mehr als 1.000 Unternehmen ist repräsentativ; befragt wurden Inhaber und Geschäftsführer mittelständischer Unternehmen in Deutschland. Grundlage für die VR Bilanzanalyse sind die Jahresabschlüsse (Bilanzen und Erfolgsrechnungen), welche die mittelständischen Firmenkunden der Volksbanken und Raiffeisenbanken im Rahmen ihrer Kreditantragstellungen für die Jahre 2001 bis 2023 einreichten. Für das Jahr 2023 lagen bisher jedoch nur knapp 6.000 Abschlüsse vor (2001 bis 2022: fast 2,5 Millionen).