Ernst & Young EY:

Umsatz der deutschen Industrie schrumpft 2024 um vier Prozent –

50.000 Stellen abgebaut

Hamburg (8.12.24) – Der Abwärtstrend hält an: Der Umsatz deutscher Industrieunternehmen sank im bisherigen Jahresverlauf – von Januar bis September – um 4,2 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Besonders schwach entwickelte sich die Elektrotechnikbranche, deren Umsatz um neun Prozent einbrach. Die Autoindustrie verzeichnete einen Umsatzrückgang um 4,4 Prozent, der Maschinenbau um 4,1 Prozent.

Auch im abgelaufenen dritten Quartal lagen die Umsätze unter dem Vorjahresniveau, allerdings nur noch um 2,8 Prozent – es handelte sich allerdings bereits um das fünfte Quartal in Folge mit einer negativen Umsatzentwicklung. Beschleunigt hat sich zudem der Stellenabbau in der deutschen Industrie: Lag die Zahl der Beschäftigten im zweiten Quartal noch 0,4 Prozent niedriger als im Vorjahr, verstärkte sich das Minus im dritten Quartal auf 0,9 Prozent. Binnen eines Jahres wurden damit in der deutschen Industrie etwa 50.000 Stellen abgebaut, seit dem Vor-Pandemie-Jahr 2019 schrumpfte die Zahl der Beschäftigten unterm Strich um 152.400.

Besonders stark gesunken ist die Zahl der Jobs in der Textil- und Bekleidungsindustrie – um knapp vier Prozent – , sowie bei Produzenten von Gummi- und Kunststoffwaren (um 2,4 Prozent). Die Autoindustrie verzeichnete einen Beschäftigungsrückgang um 1,5 Prozent – das entspricht in absoluten Zahlen dem Verlust von etwa 12.000 Jobs allein in dieser Branche.

Das sind Ergebnisse des aktuellen EY-Industrie-Barometers. Die Studie analysiert die Umsatz- und Beschäftigungsentwicklung in der deutschen Industrie und wichtigen Industriebranchen. Basis der Analyse sind Rohdaten, die vom Statistischen Bundesamt erhoben werden.

Jan Brorhilker, Managing Partner des Geschäftsbereichs Assurance von EY in Deutschland, sieht die deutsche Industrie in einer tiefen Krise: „Alle wichtigen Industriebranchen verlieren in diesem Jahr Umsätze, alle Branchen bauen Stellen ab. Aufgrund der Inflation müsste der Industrieumsatz in diesem Jahr um zwei Prozent steigen, um real wenigstens auf Vorjahresniveau zu liegen. Tatsächlich aber liegt er vier Prozent niedriger als im Vorjahr. Dass die Unternehmen einer solchen Entwicklung nicht tatenlos zuschauen können, liegt auf der Hand. Die aktuellen Meldungen über Stellenstreichungen und Kostensenkungsprogramme sind die Reaktion der Unternehmen auf die sehr problematische Umsatzentwicklung. Denn was völlig fehlt, ist die Aussicht auf einen Aufschwung.“

Im Gegenteil, so Brorhilker: „Die konjunkturellen Risiken, die sich aus dem Regierungswechsel in den USA für deutsche Exporteure ergeben, dürfen wir nicht unterschätzen. Und die Unsicherheit ist durch das Scheitern der Ampel-Koalition nochmals gestiegen. In diesen Zeiten werden die Unternehmen nicht in Deutschland investieren. Stattdessen wird es sie weiter ins Ausland ziehen.“

Ausland bietet eher Chancen als Deutschland

Zwar entwickelten sich auch wichtige Auslandsmärkte relativ schwach, so Brorhilker. Besonders dramatisch sei allerdings der Einbruch der Inlandsnachfrage: Im Vergleich zum ebenfalls schon schwachen Vorjahresquartal gingen die Umsätze deutscher Industrieunternehmen mit inländischen Kunden im dritten Quartal um 4,1 Prozent zurück – die Exporte schrumpften hingegen nur um 1,6 Prozent.

„Das Ausland bietet aktuell einfach deutlich bessere Entwicklungschancen, nicht nur als Absatzmärkte, sondern auch als Produktionsstandorte“, konstatiert Brorhilker. „In vielen Ländern sind die Rahmenbedingungen deutlich besser und unternehmerfreundlicher als in Deutschland. Das reicht von der Steuerbelastung über Energie- und Arbeitskosten bis hin zur Bürokratie. Trotz aller Beteuerungen der Politik sind wir gerade beim Thema Bürokratieabbau in den vergangenen Jahren nicht weitergekommen.“

Ausblick: Stagnation statt Wachstum

Brorhilker rechnet damit, dass sich die Industrieumsätze im kommenden Jahr auf dem niedrigen Niveau des laufenden Jahres einpendeln werden – ein weiterer Rückgang sei eher unwahrscheinlich, ein Wachstum allerdings auch: „Es bräuchte einen kräftigen Wachstumsimpuls, um aus dem Konjunkturtal herauszukommen. In den kommenden Monaten wird es einen solchen Impuls nicht geben, daher werden die Unternehmen weiter auf Kostensenkungen setzen und versuchen, das Beste aus den widrigen Gegebenheiten zu machen. Das heißt auch: Der Stellenabbau in der deutschen Industrie wird weiter gehen.“

Eine besondere Rolle dürfte die Automobilindustrie mit ihren 770.000 Beschäftigten spielen, die stark mit anderen Industriebranchen verflochten ist und deren Umsatz im laufenden Jahr voraussichtlich um 25 Milliarden Euro bzw. etwa vier Prozent unter dem Vorjahr liegen wird: „Für den Industriestandort Deutschland ist es enorm wichtig, dass die Transformation der deutschen Autoindustrie gelingt und sie ihre aktuelle Schwächephase möglichst rasch überwindet. Die Bedeutung dieser Leitbranche für andere Industriezweige darf man nicht unterschätzen. Umso wichtiger wäre es, dass auch die Rahmenbedingungen für die Autobauer und -zulieferer in Deutschland deutlich verbessert werden.“