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US-Wahlen 2024 – Weder Trump noch Harris würden für ausreichend Klimaschutz sorgen
Berlin ( 31.10.24) – Am 5. November 2024 haben die US-Amerikaner*innen die Wahl zwischen der demokratischen Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris und dem republikanischen Kandidaten Donald Trump. Beide unterscheiden sich auch in Fragen der Energie-, Umwelt- und Klimapolitik stark. Diese Politikfelder wurden im bisherigen Wahlkampf kaum beachtet, die entsprechenden Positionen von Harris und Trump sind der breiten Öffentlichkeit bisher wenig bekannt. Daher beleuchtet dieses DIW aktuell einige der wichtigsten Aspekte und gibt einen Ausblick, was unter einer Präsidentin Harris beziehungsweise einem Präsidenten Trump zu erwarten wäre. In jedem Fall muss damit gerechnet werden, dass die USA auch in den nächsten Jahren ihre starke fossile Energieproduktion aufrechterhalten werden. Eine beschleunigte Dekarbonisierung ist nicht zu erwarten, obwohl die Klimaziele – denen die USA (derzeit noch) verpflichtet sind – ohne deutliche Emissionsminderungen nicht erreicht werden können.
Klima- und Umweltthemen spielen im aktuellen Präsidentschaftswahlkampf der USA kaum eine Rolle – trotz Naturkatastrophen wie Hurrikan „Milton“, der im Spätsommer 2024 über Florida hinwegfegte. Klimapolitik zu thematisieren, gilt insbesondere für die Demokratische Partei als riskant. Mit einem klaren Bekenntnis zur Drosselung der fossilen Energieproduktion würden sie wohl Wähler*innen in Bundesstaaten mit starker Abhängigkeit von der Kohle-, Öl-, oder Gasförderung verärgern. Eine eindeutige Abkehr von Klimazielen könnte sie wiederum Wähler*innenstimmen bei jungen Menschen kosten. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass im Wahlprogramm der Demokraten bei Umweltthemen nur bisherige Erfolge gefeiert, aber keine neuen Ziele aufgestellt werden.
Auch der Kandidat Donald Trump äußert sich nur wenig und teilweise widersprüchlich zu diesen Themen. Von ihm nimmt die Öffentlichkeit insbesondere seine „Drill, baby, drill“-Rhetorik einer uneingeschränkten Steigerung der fossilen Energieförderung wahr. Mehr Details finden sich im umfangreichen ultra-konservativen Strategiedokument „Project 2025“, das als Wahlprogramm für die mögliche zweite Amtszeit von Trump gelten kann. Dennoch bekennen sich auch republikanische Bundesstaaten zum Klimaschutz und haben von der industriepolitischen Förderung umweltfreundlicher Technologien in der aktuellen Legislaturperiode überproportional profitiert.
Fossile Energieproduktion in den USA auf dem Vormarsch
Die USA bestreiten traditionell einen Großteil ihres Energieverbrauchs aus eigener Förderung und sind somit recht autark. Zwar wurden erneuerbare Energien in den vergangenen Jahren ausgebaut, allerdings ist die fossile Energieproduktion im Gegenzug nicht gesunken, sondern im Zuge des Booms von Schiefergas und -öl sogar gestiegen (Abbildung 1). Der Anteil aller erneuerbaren Energien (Wind, Solar, Wasserkraft) an der US-amerikanischen Energieerzeugung ist seit 1990 von 5,6 auf 8,2 Prozent gestiegen. Gleichzeitig hat Kohle an Bedeutung verloren, die noch bis Mitte der 2000er Jahre der wichtigste Energieträger war, nun aber nur noch rund 11,5 Prozent der Primärenergieerzeugung ausmacht. Auch während der Präsidentschaft Trumps (Januar 2017 bis Januar 2021) wurde der Abwärtstrend der Kohleförderung nicht aufgehalten. Erdgas und Öl hatten 2005 noch einen Anteil von 27,5 beziehungsweise 20 Prozent an der Primärenergieerzeugung, liegen mittlerweile (2023) aber schon bei 38 beziehungsweise 34 Prozent, Tendenz steigend. Somit haben die Anstiege in der Öl- und Gasproduktion den Rückgang der Kohle mehr als kompensiert. Fossile Energien haben damit derzeit einen Anteil von 84 Prozent an der US-amerikanischen Energieerzeugung.
Während der zu Ende gehenden Präsidentschaft von Joe Biden seit 2021 wurden große Investitionsprogramme wie der „Inflation Reduction Act“ (IRA) und der „Infrastructure Investment and Jobs Act“ (IIJA) beschlossen. Beide Gesetze sehen umfangreiche staatliche Ausgaben in Form von öffentlichen Investitionen, Steuererleichterungen und Krediten vor, die insgesamt mehr als eine Billion US-Dollar betragen könnten. Diese fließen in alle Infrastruktursektoren und sollen den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft fördern. Im Energiebereich werden beispielsweise der Ausbau erneuerbarer Energien, die Elektromobilität, Batterieherstellung, die Wasserstofferzeugung sowie Technologien für Carbon Capture & Storage (CCS) gefördert.
Umweltschutz wird in den USA nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auch von den Bundesstaaten betrieben. Einzelne Bundesstaaten und Städte waren auch während der Präsidentschaft Trumps mit progressiver Umwelt- und Klimaschutzpolitik vorangegangen. Insbesondere Kalifornien hat bereits seit den 1970er Jahren eine Vorreiterrolle für den Umweltschutz in den USA. Unter seiner Führung haben mehrere Bundesstaaten strengere Umweltstandards zum Beispiel zu Emissionen von Kraftfahrzeugen festgelegt. Außerdem haben Kalifornien, Massachusetts, Oregon, Washington sowie ein Zusammenschluss aus elf Ostküstenstaaten unterschiedliche Emissionshandelssysteme implementiert.
Pläne von Kandidatin Harris: Viel Zuckerbrot, wenig Peitsche
Unter Harris wäre im Großen und Ganzen mit einer Fortführung der bisherigen Politik Bidens zu rechnen. Der IRA würde bestehen bleiben und bisher geplante Gelder ausgegeben werden. Harris‘ Politikstil in Klimafragen würde voraussichtlich stark von positiven Anreizen und weniger von Verboten und der Bepreisung von Externalitäten geprägt sein. Dabei fehlen allerdings wichtige politische Instrumente, die für effektiven Klimaschutz nötig wären, wie ein nationales Emissionshandelssystem.
Unter Harris‘ Präsidentschaft könnten jedoch einige klimapolitische Projekte aus Bidens Amtszeit, die noch in der Planung sind, umgesetzt werden. Dazu gehören eine Bepreisung von Methanemissionen der Öl- und Erdgasproduktion sowie Emissionsgrenzen für bestehende Gaskraftwerke. Die Methanbepreisung (Waste Emissions Charge) ist Teil des Programms zur Reduzierung von Methanemissionen, das im Rahmen des IRA beschlossen wurde. Laut dem aktuellen Entwurf der Bundesumweltbehörde (EPA) soll für Methanemissionen von Öl- und Gasförderanlagen, die über einem Schwellenwert liegen, ein Preis von zunächst 900 US-Dollar pro Tonne Methan fällig werden, der in den folgenden Jahren steigen würde. Die Bepreisung von Methanemissionen wäre ein Paradigmenwechsel, der selbst in Europa (noch) nicht stattgefunden hat.
Kein Rückgang der Fossilen zu erwarten
Während Harris sich 2019 noch für ein Verbot von Fracking auf öffentlichem Land ausgesprochen hatte, distanziert sie sich inzwischen von dieser Forderung. Gründe dafür könnten die Energiekrise, aber auch die Bedeutung von Fracking für die Wirtschaft in den für den Ausgang der Wahl entscheidenden Swing States wie Pennsylvania sein. Auf der anderen Seite wurden unter Präsident Biden die bis dahin sehr niedrigen Fördergebühren für Gas- und Ölförderprojekte auf öffentlichem Land erhöht. Außerdem verspricht das demokratische Wahlprogramm, Öl- und Gassubventionen zu streichen.
Unklar bleibt, ob und wie die Genehmigung weiterer LNG-Terminals unter einer Präsidentin Harris voranschreiten würde. Präsident Biden verhängte im Januar 2024 ein Moratorium, um eine Neubewertung des Klimaeffekts der US-Exporte vornehmen zu lassen. Diese Regelung, die die Genehmigungsprozesse weiterer LNG-Terminals vorerst aussetzte, wurde nach einer Klage von 16 (republikanischen) Bundesstaaten von einem Gericht zurückgenommen. Die Gerichtsentscheidung verpflichtet das Energieministerium zwar, die Genehmigungsprozesse weiterzuführen, zwingt es aber nicht zu einer Genehmigung.
Die Treibhausgasemissionen könnten durch den IRA bis 2030 um 32 bis 42 Prozent im Vergleich zu 2005 sinken. Ohne den IRA würde die Reduktion nur 24 bis 35 Prozent betragen. Modellberechnungen für den 6. Sachstandsbericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) zeigen jedoch, dass für das Erreichen des 1,5- und selbst des Zwei-Grad-Ziels deutlich stärkere CO2-Einsparungen notwendig wären (Abbildung 2). Diese müssten sofort einsetzen, was auch unter einer Präsidentin Harris nicht zu erwarten wäre.
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Pläne von Kandidat Trump: „Drill, baby, drill“
Eine zweite Amtszeit von Trump wäre vermutlich noch mehr als die erste davon geprägt, dass Umweltregulierung und Klimapolitik zurückgedrängt und Posten in Regierung, Energieministerium und Umweltbehörde mit Klimawandelleugner*innen besetzt werden. Im Plan des sogenannten „Project 2025“ sind unter anderem detaillierte Vorhaben zum Verdrängen von Umweltregulierungen aufgelistet. So soll die Ausnahmeregelung, die es den Bundesstaaten bisher erlaubt, die strengeren kalifornischen Schadstoffnormen für Autos zu übernehmen, zurückgezogen werden. Außerdem soll sich die EPA bei der Entwicklung von Umweltstandards nur noch auf Studien beziehen dürfen, deren Daten öffentlich einsehbar sind. Da die Umweltstandards zu Luftverschmutzung häufig auf Studien mit privaten Gesundheitsdaten basieren, würden damit Regulierungen möglicherweise weniger streng aus- oder komplett wegfallen.
Gerade für die Rolle der internationalen Klimapolitik wäre eine zweite Präsidentschaft Trumps wohl verheerend. Wie schon 2019 würde Trump aus dem Pariser Klimaschutzabkommen aussteigen. Außerdem könnte er dieses Mal auch aus der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) aussteigen, was langfristigere Folgen hätte. Während Biden nach Trumps Präsidentschaft einfach mittels einer Verordnung dem Pariser Klimaabkommen wieder beitreten konnte, wäre ein Wiedereintritt in die UN-Klimarahmenkonvention nur mit Zustimmung des Senats möglich. Ein Austritt der USA aus dem UNFCCC würde bedeuten, dass die USA auf unbestimmte Zeit nicht an globalen Klimaverhandlungen teilnehmen würden und als wichtiger Geldgeber für die UNFCCC wegfielen.
Trump hat mit Äußerungen wie „We will drill, baby, drill“ immer wieder deutlich gemacht, dass unter seiner Präsidentschaft die fossile Energieproduktion gestärkt und ausgebaut werden würde. Er will damit zwei Ziele erreichen: Einerseits soll der Ausbau zu möglichst niedrigen Energiepreisen führen, andererseits soll die sogenannte US-Energiedominanz („American energy dominance“) ausgebaut werden. Der Begriff der Energiedominanz wird sowohl von Trumps Wahlkampagne als auch dem „Project 2025“ immer wieder aufgegriffen. Sie beziehen sich auf die neue Rolle der USA als Energieexporteur. Seit den 1950er Jahren waren die USA Nettoimporteur, bis sie in Folge des Schiefergas- und Schieferölbooms 2019 wieder Energieexporteur wurden (Abbildung 3).
Trump bezweckt mit dem starken Ausbau der heimischen Förderung fossiler Energien vor allem niedrigere Energiepreise und eine höhere Versorgungssicherheit. Es zeigt sich jedoch, dass eine stärkere Exportorientierung die Energiepreise in den USA eher steigen ließe, da sie sich dann an das internationale Niveau anpassen würden. Zudem sind die Sorgen um Versorgungssicherheit („American energy security“) angesichts der immensen fossilen Vorkommen und Erneuerbaren-Potenziale in den USA unbegründet.
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Kein Rückgang der Subventionierung und des Erneuerbaren-Ausbaus zu erwarten
Trump ist gegen den Ausbau erneuerbarer Energien und leugnet den weltweiten Rückgang der Kosten für Erneuerbare. Aufgrund der sinkenden Investitions- und Produktionskosten wird der Ausbau der erneuerbaren Energien (Abbildung 1) aber auch unter Trump nicht stoppen. Allerdings sieht das „Project 2025“ für Trumps Präsidentschaft vor, den Ausbau des Stromnetzes nicht mehr zu priorisieren und die Zuständigkeit der entsprechenden Abteilung im Energieministerium (Grid Deployment Office) auf Netzsicherheit statt Netzausbau zu verengen. Damit bliebe der Ausbau der Erneuerbaren-Erzeugung insbesondere in Bundesstaaten mit hohem fossilem Anteil eine Herausforderung.
Obwohl Trump angekündigt hat, die Ausgaben im Rahmen des IRA zu stoppen, den er als „gigantisches sozialistisches Gesetz“ („mammoth socialist bill“) bezeichnete, ist eine vollständige Rücknahme des IRA eher unwahrscheinlich. Einerseits stehen institutionelle Gründe dagegen, weil eine Mehrheit im Repräsentantenhaus und Senat notwendig wäre, andererseits taktische Gründe: Von den Investitionen des IRA profitieren vor allem republikanische Staaten und die sogenannten Swing States (Abbildung 4). Diese Subventionen komplett zu streichen, würde also Trumps eigener Wählerschaft am meisten schaden. Wahrscheinlicher ist, dass Trump die Bedingungen für Investitionen und Steuererleichterungen aus dem IRA so aufweicht, dass auch fossile Technologien davon profitieren können, was den Lenkungseffekt des IRA reduzieren würde.
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Fazit: Ausreichender Klimaschutz weder unter Harris noch Trump zu erwarten
Sowohl der diesjährige Präsidentschaftswahlkampf als auch das generelle politische Klima in den USA sind stark vom Thema Lebenshaltungskosten („Cost of living crisis“) und Energiepreise geprägt. Die Energiepreise sind in den USA im Vergleich zu Europa traditionell niedrig, aber seit 2021 auch dort gestiegen und volatiler als in den Jahren davor. Beide Parteien beanspruchen für sich, Lösungen zur Senkung der Energiepreise zu haben: Trump mit dem Ausbau der Fossilen, Harris mit dem Ausbau der Erneuerbaren, bei gleichzeitig unausgesprochener Steigerung der fossilen Energieproduktion. Das Versprechen hinter beiden Strategien ist, dass eine hohe einheimische Energieerzeugung die USA unabhängig macht von geopolitischen Konflikten und niedrige Energiepreise garantiert.
Weder unter einer US-Präsidentin Harris noch unter einem Präsidenten Trump ist ausreichender Klimaschutz zu erwarten. Auch nach Bidens Amtszeit, dessen Kurs Harris aller Wahrscheinlichkeit weiterfahren würde, sind die aktuellen Emissionstrends der USA noch zu weit von dem entfernt, was notwendig wäre, um die Erderwärmung auf 1,5 oder zwei Grad Celsius zu begrenzen. Bestenfalls wären kleine Fortschritte, wie die Kontrolle und Bepreisung von Methanemissionen, zu erwarten. Schlimmstenfalls droht ein komplettes Rückdrehen von Umwelt- und Klimapolitik auf Bundesebene.