Allianz:
Global Wealth Report 2024 –
Überraschender Aufschwung
München (24.9.24) – Die Allianz hat die 15. Ausgabe ihres „Global Wealth Report“ vorgestellt, der die Vermögens- und Schuldensituation der Haushalte in fast 60 Ländern unter die Lupe nimmt. Das Jahr 2023 war von einer starken Straffung der Geldpolitik geprägt. Doch die Volkswirtschaften erwiesen sich als widerstandsfähig und die Märkte boomten sogar. Vor diesem Hintergrund verzeichnete das globale Geldvermögen der privaten Haushalte ein starkes Wachstum: Mit einem Plus von 7,6% wurden die Verluste des Vorjahres (-3,5%) mehr als wettgemacht. Insgesamt belief sich das gesamte Geldvermögen Ende 2023 auf EUR 239 Billionen. Das Wachstum der drei großen Anlageklassen war dabei recht uneinheitlich. Wertpapiere (11,0%) und Versicherungen/Pensionen (6,2%) profitierten vom Börsenboom und höheren Zinsen und wuchsen deutlich schneller als im Durchschnitt der letzten zehn Jahre. Dagegen sank das Wachstum der Bankeinlagen nach den pandemiebedingten Boomjahren auf 4,6% und verzeichnete damit einen der niedrigsten Zuwächse der letzten 20 Jahre.
Der Aufschwung im Jahr 2023 erfasste nahezu alle Länder. Nur zwei Länder – Neuseeland und Thailand – verzeichneten negative Wachstumsraten. Zudem war das Wachstum in allen Regionen relativ einheitlich, nicht zuletzt in Asien und Nordamerika, die beide um mehr als 8% wuchsen, wobei die USA (8,6%) noch stärker zulegten als China (8,2%). Damit ist auch der Wachstumsvorsprung der Schwellenländer gegenüber den fortgeschrittenen Volkswirtschaften wieder deutlich geschrumpft und betrug im vergangenen Jahr nur noch 2 Prozentpunkte; damit haben die Schwellenländer in sechs der letzten sieben Jahre ihren Vorsprung weitgehend verloren. „Das vergleichsweise schwächere Wachstum der ärmeren Länder spiegelt die neue Realität einer sich fragmentierenden Welt wider“, sagte Ludovic Subran, Chefvolkswirt der Allianz. „Bis 2017, dem Jahr, in dem die Handelsstreitigkeiten zwischen den USA und China ausbrachen, hatten ärmere Länder noch einen Wachstumsvorsprung von 10 Prozentpunkten oder mehr gegenüber reicheren Ländern. Wir alle werden einen Preis für die Entkopplung zahlen, aber die Schwellenländer leiden am stärksten. Eine weniger vernetzte Welt ist eine ungleichere Welt.“
Kein Platz für Bankeinlagen
Im Jahr 2023 setzte sich nach den pandemiebedingten Boomjahren des Zwangssparens die Normalisierung der Ersparnisbildung fort: Frische Spargelder sanken um 19,3% auf EUR 3,0 Billionen. Dieser Rückgang ist fast ausschließlich auf Bankeinlagen zurückzuführen. Per Saldo flossen den Banken weltweit nur EUR 19 Mrd. zu, was einem Einbruch von 97,7% entspricht. Dafür zeigten sich in erster Linie die US-Haushalte verantwortlich, die Einlagen im Wert von EUR 650 Mrd. abzogen. Die beiden anderen Anlageklassen blieben dagegen bei den Sparern beliebt. Die Zuflüsse in Wertpapiere nahmen sogar noch einmal um 10,0% zu. Allerdings gab es innerhalb dieser Anlageklasse einen bemerkenswerten Favoritenwechsel: Während Aktien auf vielen Märkten per saldo verkauft wurden, griffen die Sparer bei Anleihen dank der Zinswende kräftig zu. Und Versicherungen/Pensionen erwiesen sich als relativ robust, der Rückgang der frischen Anlagen betrug weltweit nur 4,9%.
Erwartete Zurückhaltung
Während sich das Geldvermögen von der Zinswende unbeeindruckt zeigte, wirkte sie sich 2023 deutlich auf die Passivseite der Bilanzen der privaten Haushalte aus: Das Wachstum der privaten Verschuldung schwächte sich weiter ab und erreichte mit 4,1% weltweit den niedrigsten Zuwachs seit neun Jahren. Insgesamt beliefen sich die globalen Verbindlichkeiten der privaten Haushalte Ende 2023 auf EUR 57 Billionen. Der Rückgang des Schuldenwachstums war im Jahr 2023 in fast allen Regionen zu beobachten. Besonders ausgeprägt war er in Westeuropa und Nordamerika, wo sich das Wachstum auf 1,1% bzw. 2,9% mehr als halbierte. Da das nominale Wachstum der globalen Wirtschaftstätigkeit durch die Inflation erhöht blieb, sank die globale Schuldenquote (Verbindlichkeiten in Prozent des BIP) das dritte Jahr in Folge, und zwar um 1,5 Prozentpunkte auf 65,4%. Dies war auch mehr als 3 Prozentpunkte niedriger als vor 20 Jahren.
Ein relativ starkes Wachstum der Vermögenswerte und ein relativ schwaches Wachstum der Verbindlichkeiten führten zu einem deutlichen Anstieg des globalen Netto-Geldvermögens (Geldvermögen abzüglich Verbindlichkeiten) um 8,8%. Insgesamt belief sich das globale Netto-Geldvermögen Ende 2023 auf EUR 182 Billionen; dies entspricht einem Anstieg von fast EUR 15 Billionen gegenüber dem Vorjahr und liegt auch EUR 4 Billionen über dem bisherigen Rekordwert aus dem Jahr 2021.
Rückschlag
Die andere Anlageklasse, die unter den steigenden Zinsen litt, waren Immobilien. Sie verzeichneten mit einem Plus von nur 1,8% das geringste Wachstum seit zehn Jahren; in Westeuropa sanken sie um 2,2%. Aber auch in der Vergangenheit blieben die Wachstumsraten von Immobilien in den meisten Märkten hinter denen des Geldvermögens zurück; in Nordamerika beispielsweise betrug der jährliche Abstand in den letzten zwei Jahrzehnten fast 1 Prozentpunkt. Dies spiegelt die Tatsache wider, dass die langfristigen Kapitalgewinne bei Immobilien geringer sind als bei Aktien. Die Zukunft dürfte jedoch noch schwieriger werden, da sich der Klimawandel immer stärker auf das Immobilienvermögen auswirkt. Obwohl Naturkatastrophen die Schlagzeilen beherrschen, werden die Kosten des Übergangs zu klimafreundlichen Gebäuden (so genannte Transitionsrisiken) langfristig die größeren Auswirkungen haben. Projektionen des Hauspreisindexes (HPI) unter verschiedenen Klimaszenarien bis zum Jahr 2050 zeigen für viele Märkte Rückgänge von 20% oder mehr. Für alle betrachteten Märkte könnte der Wert von Immobilien um insgesamt 30 Billionen EUR niedriger liegen. „Künftig werden die Immobilienpreise gleichermaßen von der Lage und der Energieeffizienz bestimmt“, sagte Hazem Krichene, Mitverfasser des Berichts. „Aber während höhere physische Risiken unvermeidbar sind, gilt dies nicht für die Transitionsrisiken: Sie sind das Ergebnis politischer Entscheidungen. Australien zeigt den Weg. Eine ehrgeizige Klimapolitik könnte zu einem starken Rückgang des Energieverbrauchs führen und die Auswirkungen auf die Immobilienpreise minimieren. Die potenziell großen Verluste auf anderen Märkten sind ein klarer Aufruf zu einer effizienten und effektiven Klimapolitik. Noch ist es nicht zu spät.“
Deutschland: Vier verlorene Jahre
Das Geldvermögen der deutschen Haushalte stieg im Jahr 2023 um 6,8% und lag damit deutlich über dem regionalen Durchschnitt von 5,0%. Haupttreiber waren Wertpapiere (14,7%), während die beiden anderen Anlageklassen ein moderates Wachstum von 4,5% (Versicherungen/Pensionen) bzw. 3,2% (Bankeinlagen) aufwiesen. Auch in diesem Jahr dürfte das Wachstum mit 5,8% relativ kräftig ausfallen.
Im Einklang mit dem weltweiten Trend sanken die frischen Spargelder um 13,3% auf 262 Mrd. EUR. Die deutschen Sparer blieben den Banken jedoch einigermaßen treu und verringerten ihre Zuführungen zu Bankeinlagen „nur“ um 18,4% (auf 92 Mrd. EUR). Der Anteil der Bankeinlagen an den Ersparnissen sank jedoch auf 35% und damit auf einen der niedrigsten Werte überhaupt; vor der Pandemie lag er regelmäßig bei über 50%. Zum ersten Mal seit der globalen Finanzkrise waren Wertpapiere bei den Sparern beliebter als Bankeinlagen (-4,4% auf 105 Mrd. EUR). Wie andere Sparer auch mieden die deutschen Haushalte Aktien, setzten aber auf Anleihen und – in geringerem Maße – auf Investmentfonds.
In realer Betrachtung ist das Bild weniger rosig: Inflationsbereinigt betrug der Anstieg im Jahr 2023 magere 0,7%. Im Vergleich zum Niveau vor der Pandemie (2019) lag die Kaufkraft des Geldvermögens Ende 2023 immer noch um 1,7% niedriger. Hinter den deutschen Sparer liegen vier verlorene Jahre. Das Immobilienvermögen sank im Jahr 2023 um 8,4%; der deutsche Wohnungsmarkt war von der Zinswende mit am stärksten betroffen. Aber dieser Rückschlag kam nach Jahren des starken Wachstums, der Wert der Immobilien lag 2023 immer noch über dem von 2021. Die Transitionsrisiken sind in Deutschland jedoch recht ausgeprägt. Je nach Klimaszenario werden die Immobilienpreise bis 2050 zwischen 18,1% und 24,5% sinken. Der letztgenannte Wert würde umgerechnet 32.380 EUR pro Kopf betragen.
Das Wachstum der Verbindlichkeiten kam zum Stillstand und stieg nur um 0,9%, der niedrigste Anstieg seit zehn Jahren. Das Netto-Geldvermögen schließlich wuchs um robuste 9,2%. Mit einem Netto-Geldvermögen pro Kopf von 69.060 Euro liegt Deutschland weiterhin auf Platz 18 der 20 reichsten Länder (siehe Tabelle).
Netto-Geldvermögen pro Kopf 2023
In Euro |
J/J in % |
Rang 2003 |
||
1 | USA |
260.320 |
9,8 |
2 |
2 | Schweiz |
255.440 |
2,5 |
1 |
3 | Dänemark |
172.200 |
4,3 |
15 |
4 | Singapur |
171.930 |
7,1 |
11 |
5 | Taiwan |
148.750 |
9,9 |
10 |
6 | Neuseeland |
127.430 |
-1,3 |
6 |
7 | Schweden |
125.660 |
10,6 |
14 |
8 | Kanada |
123.130 |
7,8 |
9 |
9 | Niederlande |
117.280 |
9,8 |
5 |
10 | Belgien |
104.040 |
5,5 |
3 |
11 | Australien |
99.490 |
11,1 |
18 |
12 | Japan |
91.940 |
6,2 |
4 |
13 | Großbritannien |
80.110 |
1,4 |
8 |
14 | Italien |
76.930 |
7,4 |
7 |
15 | Irland |
74.450 |
5,2 |
16 |
16 | Frankreich |
72.380 |
8,2 |
12 |
17 | Österreich |
70.410 |
5,2 |
13 |
18 | Deutschland |
69.060 |
9,2 |
17 |
19 | Malta |
58.730 |
5,2 |
19 |
20 | Spanien |
43.690 |
9,1 |
21 |
Die interaktive “Allianz Global Wealth Map” finden Sie hier: https://www.allianz.com/en/economic_research/research-data/interactive-wealth-map.html