Ernst & Young EY:
EU-Neuwagenmarkt lahmt –
Elektroautos weiter im Rückwärtsgang
Stuttgart (29.8.24) – Der EU-Neuwagenmarkt legte im Juli insgesamt minimal – um 0,2 Prozent – zu. Allerdings wurden in zwölf der 27 EU-Länder weniger Neuwagen zugelassen als im Vorjahresmonat, darunter große Märkte wie Deutschland, Frankreich und Belgien. Ein Grund für die schwache Entwicklung könnte vorgezogene Neuzulassungen im Monat Juni gewesen sein – seit dem 01. Juli müssen neu zugelassene Pkw diverse Assistenzsysteme aufweisen. Einige Kunden dürften ihren Kauf auf Juni vorgezogen haben, um dem zu entgehen – diese Käufe fehlten entsprechend im Juli.
Insgesamt stieg der Pkw-Absatz in der EU im bisherigen Jahresverlauf zwar um vier Prozent. Damit liegt das Marktniveau aber immer noch etwa ein Fünftel niedriger als im Vergleichszeitraum des Jahres 2019 – also vor dem Ausbruch der Pandemie. Im Monat Juli lag der Neuwagenabsatz sogar 25 Prozent unter dem Wert von Juli 2019. Im bisherigen Jahresverlauf wurden im Vergleich zu 2019 damit etwa 1,5 Millionen Neuwagen weniger zugelassen. Im Gesamtjahr wird die Lücke bei mehr als 2 Millionen fehlenden Neuzulassungen liegen.
Constantin M. Gall, Managing Partner und Leiter Mobility bei EY für die Region Europe West, sieht den europäischen Neuwagenmarkt trotz der leichten Erholung im bisherigen Jahresverlauf weiterhin im Krisenmodus: „Dem Neuwagenmarkt fehlt jegliches positives Momentum. Die Nachfrage verharrt auf einem sehr niedrigen Niveau und bleibt damit deutlich niedriger als vor der Pandemie. Das anhaltend niedrige Absatzniveau in Europa zusammen mit ebenfalls schwächelnden Exportmärkten führt zu einer dauerhaften Unterauslastung vieler heimischer Autofabriken. Das wird auch weiterhin Kapazitätsanpassungen nötig machen.“
Eine durchgreifende Besserung der Lage und ein deutlicher Anstieg der Verkaufszahlen sei derzeit nicht zu erwarten, so Gall: „Es gibt aktuell keine Wachstumsimpulse. Die Konjunktur entwickelt sich schwach, die erheblichen geopolitischen Spannungen sorgen für Verunsicherung sowohl bei privaten wie auch bei gewerblichen Kunden. Zudem hat die hohe Inflation der vergangenen Jahre die Kaufkraft der Kunden geschwächt.“
Obendrein verliere der wichtigste Wachstumstreiber der Vorjahre – die Elektromobilität – derzeit deutlich an Dynamik.
Elektroautos: Marktanteile rückläufig
Nicht nur in Deutschland, wo das Aus für die Umweltprämie den Absatz von Elektroautos nach wie vor erheblich dämpft, sondern auch in vielen anderen europäischen Ländern entwickeln sich die Absatzzahlen für Stromer derzeit schwach. Im Juli sank die Zahl der neu zugelassenen Elektroautos gegenüber dem Vorjahresmonat EU-weit um elf Prozent, rückläufige Absatzzahlen wurden in immerhin 12 Ländern registriert. Der Marktanteil von Elektroautos sank von 13,5 auf 12,1 Prozent. Einen sinkenden Marktanteil von Elektroautos wiesen immerhin 12 der 27 EU-Länder auf.
„Der Markt für Elektroautos entwickelt sich schwächer als von der Branche erwartet. Elektroautos verlieren in vielen EU-Ländern Marktanteile. Fest steht: Der Hochlauf der Elektromobilität stockt – nicht nur in Deutschland. Das liegt teils an auslaufenden oder sinkenden Förderungen. Fakt ist aber auch, dass das Kundeninteresse nach wie vor überschaubar ist. Auch die neu entfachte europaweite Diskussion über eine mögliche Anpassung des Verbrennerverbots ab 2035 sorgt für Verunsicherung auf Seiten potenzieller Käufer“, so Gall.
„Der entscheidende Faktor, der derzeit eine weitere Verbreitung von Elektroautos verhindert, ist der hohe Preis. In den Ländern, wo es eine hohe finanzielle Förderung durch den Staat gibt, entwickelt sich der Absatz erfreulich. Wo diese Subventionen fehlen, greifen die Kunden zu den günstigeren Verbrennern“, sagt Gall.
Das Ergebnis: „Wir erleben eine Renaissance des Verbrenners. Die Hersteller passen nun ihre Elektro-Ziele an die neue Realität an und verlängern notgedrungen das kostspielige Nebeneinander von Verbrennern und Elektroautos.“
Eine Verbesserung der Lage dürfte sich erst mittelfristig einstellen, erwartet Gall: „Wenn günstigere Elektroautos auf den Markt kommen, können auch neue Käuferschichten erschlossen werden. Zudem wird es Verbesserungen bei der Batterietechnologien geben und damit höhere Reichweiten.“
Derzeit aber gelte: „Verbrennermodelle verkaufen sich derzeit EU-weit deutlich besser als Elektroautos, der Hochlauf der Hochlauf der Elektromobilität kommt nicht voran, die Unterschiede bei der Verbreitung von Elektroautos innerhalb der EU werden eher größer als kleiner.“
Im Osten Europas spielen Elektroautos keine Rolle
Hohe Elektro-Marktanteile findet man derzeit vor allem in Nordeuropa und den Benelux-Ländern – auch dank großzügiger staatlicher Fördermaßnahmen.
In den meisten anderen EU-Ländern sind Elektroautos hingegen nach wie vor ein absolutes Nischenprodukt: In immerhin 15 EU-Ländern lag der Elektro-Marktanteil im Juli unter zehn Prozent. Besonders niedrig ist der Marktanteil von Elektroautos in den ost- und südosteuropäischen Ländern.
Insgesamt lag der Marktanteil von Elektroautos in den Ländern Ost- und Südosteuropas im Juli wie im Vorjahresmonat bei 4,3 Prozent. „Im Osten Europas spielt Elektromobilität nach wie vor so gut wie keine Rolle. Die Marktanteile sind homöopathisch, und es spricht wenig dafür, dass sich daran in absehbarer Zukunft etwas ändern wird“, sagt Gall.
In den skandinavischen Ländern hingegen erfreuen sich Elektroautos hoher Beliebtheit: Insgesamt stieg der Marktanteil in den drei skandinavischen EU-Ländern im Jahresvergleich von 33 auf 39 Prozent. Den EU-weit höchsten Marktanteil von Elektroautos wies im Juli in Dänemark mit 52 Prozent auf. Deutschland lag im Juli mit einem Elektro-Marktanteil von 12,9 Prozent im EU-Vergleich im Mittelfeld.
Plug-in Hybride verlieren noch stärker als Elektroautos
Berücksichtigt man zusätzlich Plug-in-Hybride (PHEV), wird der Unterschied zwischen den Elektro-Vorreitern in Skandinavien und Benelux und dem Osten Europas noch deutlicher. So reicht die Spanne von 60 Prozent (gemeinsamer Marktanteil BEV und PHEV) in Schweden bis fünf Prozent in Kroatien und Rumänien.
Insgesamt schrumpfte der Absatz von Plug-in-Hybriden in der EU im Juli um 14 Prozent, der Marktanteil sank von 7,9 auf 6,8 Prozent. In Summe verzeichneten Neuwagen mit Stecker – also PHEV und BEV – einen Absatzrückgang von 12 Prozent, der gemeinsame Marktanteil sank von 21,4 auf 18,8 Prozent.