Natixis: Technologische Innovationen bereiten den Weg für einen grundlegenden Wandel in der Automobilindustrie

Von Jörg Knaf, Executive Managing Director – DACH Countries, Natixis Global Asset Management

 

Frankfurt/Main (21.6.17) – „Der Dieselskandal ist das „Fukushima“ der Automobile-Industrie. Statt konsequent und zukunftsweisend zu handeln, klammert sich die deutsche Politik an diese umweltschädliche Technologie und verspielt  damit die Chance, Autos Made in Germany für weitere 100 Jahre zu sichern. Vielleicht wird es von der einen oder anderen Partei noch im Wahlkampf thematisiert.“

 

Obwohl die zwei Billionen US-Dollar schwere Autoindustrie im Jahr 2016 sehr gute Umsätze verbucht hat, dürfte sich ihre Produktpalette in Zukunft wesentlich von der aktuellen unterscheiden. So konzentrieren sich die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten bei allen großen Automobilherstellern zurzeit auf elektronische, selbstfahrende Konzepte. Inzwischen sind auch diverse Technologiefirmen auf diesen Zug aufgesprungen. So verwenden Unternehmen wie Apple, Google, Samsung, Amazon, Intel und Uber sehr viel Zeit und Geld für die Entwicklung fahrerloser Technologien. Anfang Mai hat das Ministerium für Landwirtschaft, Infrastruktur und Verkehr in Südkorea Samsung die Genehmigung erteilt, deren selbstfahrende Technologie in Fahrzeugen von Hyundai auf südkoreanischen Straßen zu testen.

 

Ein Credit-Researchanalyst von Loomis, Sayles & Company liefert Einblicke in die jüngsten Innovationen und gibt zudem einen Überblick über die Automobilbranche insgesamt. Parallel dazu geht der für nachhaltige Investments zuständige CIO von Mirova auf die weltweiten Megatrends ein, welche die Bedürfnisse im Transportsektor, die Automobilindustrie und auch die entsprechenden Anlagechancen grundlegend verändern dürften.

 

Steven Bocamazo, Associate Director of Credit Research Loomis, Sayles & Company

 

Die globale Automobilindustrie steht zurzeit vor dem grundlegendsten technologischen Wandel seit ihrer Geburtsstunde vor über 100 Jahren. Momentan investieren die Automobilhersteller weltweit massiv in die Entwicklung von Elektroautos und autonomen Fahrzeugen, die auch als fahrerlose oder selbstfahrende Fahrzeuge bezeichnet werden. Neben allen bedeutenden Automobilherstellern stellen sich auch deren Zulieferer auf diesen Innovationstrend ein.

 

Vor diesem Hintergrund haben die Automobilhersteller zuletzt verstärkt Firmen übernommen, die im Hinblick auf diese Entwicklung über entscheidendes technologisches Know-how verfügen. Gleichzeitig haben große, multinational agierende Unternehmen wie Intel und Samsun, die bisher kaum als Automobilzulieferer in Erscheinung getreten sind, jüngst einige unabhängige Zulieferer, deren Fokus auf für autonomes Fahren unverzichtbaren Technologien liegt, aufgekauft oder werden derartige Transaktionen demnächst abschließen.

 

Obwohl inzwischen eine immer größere Zahl von Elektroautos auf dem Markt ist, ist ihr Anteil an der Zahl der Fahrzeuge insgesamt nach wie vor recht gering. Dies gilt insbesondere für die USA. Die Gründe dafür sind die höheren Anschaffungskosten sowie die derzeit niedrigen Benzinpreise. Wir gehen jedoch davon aus, dass die Absatzzahlen bei Elektrofahrzeugen wegen der immer strengeren Vorgaben für Abgasemissionen im nächsten Jahrzehnt vor allem in China und Europa ansteigen werden. Darüber hinaus wird auch die Einführung von autonomen Fahrzeuge, überwiegend Elektroautos, dazu beitragen, dass weltweit immer weniger Fahrzeuge von einem Verbrennungsmotor angetrieben werden.

 

Innovationen und Umwälzungen

 

Aufstrebende Mitfahrservices wie beispielsweise Uber könnten für die Automobilindustrie in Zukunft ebenfalls sowohl Herausforderungen als auch Chancen mit sich bringen. So lässt sich eindeutig feststellen, dass das Aufkommen des Segments Car-Sharing die Nachfrage nach traditionellen Taxi- und Chauffeur-Dienstleistungen dämpft. Für die Automobilbranche gilt dies bisher noch nicht, denn die Zahl der verkauften Fahrzeuge ist weiter angestiegen. Sollte Car-Sharing jedoch wie erwartet zu einer weit verbreiteten Dienstleistung werden, könnte die Nachfrage nach privat genutzten Fahrzeugen vor allem in den Innenstädten (wo der Besitz eines eigenen Autos mit hohen Kosten verbunden ist) dadurch erheblich sinken. Um von diesem Phänomen zu profitieren, arbeiten die Automobilhersteller beispielsweise bei der Entwicklung von autonomen Fahrzeugen mit Uber und Lyft zusammen. Und General Motors hat sogar bereits eine Beteiligung an Lyft erworben.

 

Aktuell werden autonome Fahrzeuge sowohl auf Teststrecken als auch auf öffentlichen Straßen getestet. Neben der Erprobung und der Verfeinerung der Technologie, die teilweise schon heute in Fahrzeugen verfügbar ist (z.B. in Form von Fahrerassistenzsystemen), gilt es jedoch noch viele Probleme zu lösen. Dazu zählen versicherungstechnische Fragen, Anforderungen an die Infrastruktur sowie rechtliche Vorgaben. Diese Hindernisse müssen zunächst aus dem Weg geräumt werden, bevor autonome Fahrzeuge auf unseren Landstraßen und Autobahnen irgendwann alltäglich sind. Es bestehen allerdings kaum Zweifel daran, dass autonome Fahrzeuge in den nächsten drei bis vier Jahren die Straßen erobern werden – obwohl deren Einführung vermutlich eher schrittweise und mit Bedacht erfolgen wird.

 

Branchenausblick

 

Hinter der globalen Automobilindustrie liegt ein erfolgreiches Jahr 2016, das durch solide Umsätze in den USA, in China sowie in Westeuropa bestimmt wurde. Allerdings fielen die Absatzzahlen in Südamerika und Russland wegen der allgemeinen wirtschaftlichen Probleme in diesen Regionen erneut schwach aus. Obwohl wir für 2017 mit einem weiteren Anstieg der weltweiten Umsätze rechnen, trüben sich die zugrunde liegenden Fundamentaldaten an zwei der wichtigsten Absatzmärkte – nämlich in den USA sowie in China – momentan ein.

 

Ein reifer Markt, eine wohlhabende Kundenbasis sowie ein steigender Anteil von Autofahrern an der Gesamtbevölkerung machen die USA für die Autoindustrie zu einem hochattraktiven Markt. Dies zeichnete sich bereits zwischen 2010 und 2016 ab, als jene Automobilhersteller, die am stetig wachsenden US-Markt agierten, ihre Mitbewerber überholten. Bereits seit jeher haben US-Kunden eine größere Affinität zu teureren Trucks und SUVs als ihre Pendants in anderen Teilen der Welt. Niedrigere Benzinpreise und günstigere Finanzierungsbedingungen haben diesen Trend in den letzten Jahren noch verstärkt. Wir vertreten jedoch die Auffassung, dass der US-Automobilmarkt auf seinem aktuellen Niveau gewissermaßen gesättigt ist und die Absatzzahlen auf Jahresbasis deshalb nur noch um wenige hunderttausend Einheiten  schwanken werden.

 

Die aggressive Förderung von Fahrzeugkäufen sowie der nach wie vor relativ einfache Zugang zu günstigen Finanzierungsquellen könnten dazu beitragen, dass die Umsätze auf kurze bis mittlere Sicht hoch bleiben. Trotz des derzeit günstigen Wirtschaftsumfelds sowie der niedrigen Benzinpreise könnten steigende Zinsen, sinkende Gebrauchtwagenpreise sowie eine immer größere Zahl von Leasing-Rückläufern das Umsatzwachstum in Zukunft jedoch beeinträchtigen.

 

Wettbewerb in China verschärft sich

 

Mit China setzt der weltweit größte Automobilmarkt seinen Wachstumstrend fort – wenn auch in etwas moderaterem Umfang als noch vor einigen Jahren. Pioniere am chinesischen Markt wie etwa Volkswagen und General Motors halten zwar nach wie vor die höchsten Marktanteile, aber mittlerweile sind alle größeren Automobilhersteller an diesem wichtigen Markt präsent. Eine Verbesserung der Wettbewerbsposition seitens der einheimischen Marken stellt für die etablierten Automobilhersteller allerdings eine Gefahr dar, die auch zu dem anhaltenden Druck auf die dortigen Fahrzeugpreise beiträgt.

 

Jens Peers, CFA®, Chief Investment Officer, Sustainable Investing Mirova

 

Urbanisierung, bahnbrechende Technologien sowie die Senkung des CO2-Ausstoßes zur Bekämpfung des Klimawandels zählen zu den weltweiten Megatrends unserer Zeit, die unserer Meinung nach auch beträchtliche Auswirkungen auf die Automobilindustrie haben werden.

 

Einer der bedeutendsten Trends, die wir im 21. Jahrhundert beobachten, ist die Urbanisierung. Bereits heute lebt über die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten, und diese Entwicklung wird sich fortsetzen. So werden nach Schätzungen der Vereinten Nationen bis 2030 fast zwei Drittel aller Menschen weltweit in Städten leben. Das bedeutet aber auch, dass man – neben vielen anderen Aspekten des täglichen Lebens – auch über ganz neue Transportlösungen nachdenken muss.

 

Vor allem jüngere Menschen, die es hauptsächlich in die Städte zieht, kaufen inzwischen nicht mehr so viele Autos wie andere Generationen zuvor und nutzen stattdessen vermehrt das Angebot von Uber. Das Segment Car-Sharing ist zweifellos eine Marktentwicklung, die grundlegende Veränderungen mit sich bringt. Deshalb wird auch die Automobilbranche ihr Geschäftsmodell auf den Prüfstand stellen müssen. Ein mögliches Szenario könnte so aussehen, dass die Automobilhersteller als Eigentümer der Fahrzeuge auftreten, während Uber oder andere Car-Sharing-Anbieter die damit zusammenhängenden Dienstleistungen organisieren. Dann bräuchte man selbst gar kein eigenes Auto mehr zu besitzen, sondern könnte per Smartphone oder Tablet das gewünschte Modell buchen. Somit hätte man zwar immer noch eine Auswahl, doch statt ein Fahrzeug zu kaufen oder zu leasen, würde man lediglich die wirklich gefahrenen Kilometer bezahlen.

 

Innovationen im Bereich elektrische und fahrerlose Fahrzeuge

 

Darüber hinaus werden wir aktuell Zeugen einer Vielzahl technologischer Innovationen, die einen Trend hin zu Elektrofahrzeugen und selbstfahrenden Autos antreiben. Derzeit können viele das Konzept selbstfahrender Fahrzeuge in seinen Dimensionen noch gar nicht vollumfänglich begreifen. Wir sind jedoch davon überzeugt, dass wir alle bereits in wenigen Jahren soweit sein werden. Aufgrund ihrer Gespräche mit den Automobilherstellern sowie wegen der hohen Investitionen, die diese zurzeit im Bereich autonomes Fahren tätigen, halten es unsere Researchanalysten nämlich für sehr wahrscheinlich, dass in weniger als 10 Jahren viele Neuzulassungen selbstfahrende Autos sein werden.

 

Eine weitere emissionsarme Antriebstechnologie, an der große Automobilhersteller wie Ford, Honda und Daimler (Mercedes Benz) aktuell arbeiten, sind mit Wasserstoff-Brennstoffzellen betriebene Elektroautos. Diese Variante des Elektrofahrzeugs bietet dieselben umwelttechnischen Vorzüge wie batteriebetriebene Elektroautos, erreicht dabei aber dieselbe Leistung wie konventionelle Fahrzeuge. Da die Brennstoffzelle unterwegs wieder aufgeladen werden kann, gibt es auch keine Probleme mit der Ladedauer sowie der Reichweite, mit denen Elektroautos in der Regel noch zu kämpfen haben. Außerdem könnten Wasserstoff-Tankanlagen in bereits bestehende, konventionelle Tankstellen integriert werden. Allerdings müssten die Tankstellenbetreiber zunächst in Wasserstoff-Tankanlagen investieren, bevor sich diese Antriebsform dann in der Praxis durchsetzt. Darüber hinaus müssen auch noch einige weitere Schwierigkeiten überwunden werden. Dazu zählen unter anderem die derzeit noch übertrieben hohen Kosten für Brennstoffzellen.

 

Nachhaltige Anlagechancen

 

Entwickler von sauberen und effizienten Technologien zur Optimierung von Fahrzeugen – von Energiespeichern bis hin zu Sensoren, die Straßenverhältnisse sowie potenzielle Hindernisse erkennen – oder Zulieferer leichterer Materialie für den Bau energieeffizienter Fahrzeuge sind Beispiele für nachhaltige Anlagechancen, die ein langfristig attraktives Wachstumspotenzial aufweisen.

 

Parallel dazu eröffnen der Urbanisierungstrend sowie die Notwendigkeit, nachhaltige städtische Strukturen und entsprechende Gebäude zu konzipieren, eine Vielzahl weiterer Anlagechancen. Dazu zählen beispielsweise Firmen aus den Sektoren Infrastruktur und öffentliche Verkehrsmittel,Anbieter energieeffizienter Lösungen für Gebäude, Hersteller neuer Technologien für Ampelanlagen und viele weitere Segmente.