“Wirtschaftsweisen”: Perspektiven für morgen schaffen – Chancen nicht verspielen

Berlin (12.12.25) – Die deutsche Wirtschaft stagniert nach zwei Jahren Rezession im laufenden Jahr. Damit sie wieder auf einen Wachstumspfad gelangt, muss ihre Produktivi-tät steigen, insbesondere durch mehr Innovationen und Investitionen. „Angesichts der ak-tuellen Herausforderungen muss Deutschland neue wachstums- und sicherheitspolitische Perspektiven entwickeln. Die Chancen, die sich aus dem Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaneutralität ergeben, dürfen nicht verspielt werden“, sagt Monika Schnitzer, Vor-sitzende des Sachverständigenrates Wirtschaft.

Die aktuell geplanten Ausgaben des Sondervermögens für Infrastruktur und Klimaneutrali-tät (SVIK) werden nur eine geringe positive Wirkung auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) haben, da es bisher zu großen Teilen für Umschichtungen im Haushalt und zur Finanzie-rung konsumtiver Ausgaben genutzt wird. Die Wirkung wäre deutlich größer, wenn die Mittel vollständig für zusätzliche Ausgaben und für Investitionen eingesetzt würden. Die jüngst beschlossene Senkung der Unternehmensteuern wird Investitionen und BIP-Wachs-tum moderat erhöhen. Eine neutralere Gestaltung der Besteuerung könnte sich allerdings deutlich stärker auswirken. Der europäische Binnenmarkt für Waren und Dienstleistungen birgt enormes Potenzial, die EU zu einem attraktiven Wirtschaftsstandort zu machen. Der-zeit ist die EU jedoch weit davon entfernt, dieses Potenzial auszuschöpfen. Nach wie vor er-schweren Handelsbarrieren den grenzüberschreitenden Verkehr von Waren, Dienstleistun-gen, Personen und Kapital. In Deutschland sollte der private Vermögensaufbau, insbeson-dere für die Altersvorsorge, gestärkt werden. Erbschaften und Schenkungen sollten gleich-mäßiger besteuert werden, um die Besteuerung stärker am Leistungsfähigkeitsprinzip aus-zurichten.

Konjunktur mit mäßigem Schwung

Die deutsche Wirtschaft befindet sich weiterhin in einer Schwächephase. Im laufenden Jahr dürfte die Volkswirtschaft erstmals seit dem Jahr 2022 minimal wachsen. Der Sachverstän-digenrat Wirtschaft rechnet mit einem preisbereinigten BIP-Wachstum von 0,2 Prozent ge-genüber dem Vorjahr. Die schwache private Investitionstätigkeit und die schwache Export-wirtschaft belasten die gesamtwirtschaftliche Entwicklung. Für das Jahr 2026 erwartet der Sachverständigenrat ein BIP-Wachstum von 0,9 Prozent. Dies dürfte maßgeblich durch die steigenden staatlichen Ausgaben sowie die kalenderbedingt hohe Anzahl an Arbeitstagen getragen werden.


Zusätzlichkeit im Sondervermögen verankern

Weniger als 50 Prozent der Ausgaben aus dem SVIK lassen sich als zusätzliche Ausgaben für Infrastruktur und Klimaneutralität klassifizieren. Daher fallen die erwarteten Wachs-tumswirkungen geringer und der Anstieg der Schuldenstandsquote höher aus, als dies bei einem strikt investitionsorientierten Ausgabenplan der Fall wäre. Damit die Mittel des Son-dervermögens für Investitionen ausgegeben werden, die über die bisherigen Planungen hinausgehen, sollten gesetzliche Vorgaben, die die Zusätzlichkeit gewährleisten sollen, ver-schärft werden. Bei der Berechnung der Investitionsquote im Kernhaushalt sollten deshalb die Verteidigungsausgaben einheitlich nicht berücksichtigt werden, da sie nicht über das Sondervermögen finanziert werden. Geplante, aber nicht getätigte Investitionen sollten über eine verbindliche Nachholregel in das nächste Haushaltsjahr übertragen werden. Auch für die Länder und den Klima- und Transformationsfonds fehlen klare Regeln, die sicher-stellen, dass die Mittel des SVIK dort jeweils zusätzlich genutzt werden. Um Tragfähigkeit und Krisenfestigkeit der Staatsfinanzen zu sichern, sollten die Ausgaben für Infrastruktur und Verteidigung perspektivisch wieder aus dem Kernhaushalt finanziert werden.


Potenziale des Binnenmarktes ausschöpfen

Die EU bleibt bisher deutlich hinter ihrem wirtschaftlichen Potenzial zurück. Um die Chan-cen des europäischen Binnenmarktes voll auszuschöpfen, müssen Handelsbarrieren abge-baut, der Kapitalmarkt gestärkt und die Fragmentierung im Verteidigungsmarkt überwun-den werden. Ein stärker integrierter europäischer Binnenmarkt kann entscheidend zur Steigerung des Produktivitäts- und Wirtschaftswachstums beitragen. Dafür sollten territo-riale Lieferbeschränkungen reduziert und Vorschriften harmonisiert werden, beispielsweise durch die Einführung eines 28. Regimes im Unternehmensrecht. Die Verteidigungsfähigkeit könnte durch ein gemeinsames europäisches Vorgehen deutlich gestärkt werden, wenn es effizient gestaltet wird. Die Nachfrage nach Verteidigungsgütern auf europäischer Ebene zu bündeln, würde Anreize für eine Ausweitung der Produktionska-pazitäten setzen. Gleichzeitig würde eine koordinierte Beschaffung die Verhandlungsposi-tion gegenüber der Industrie stärken und Kostenvorteile für die europäischen Staaten schaffen. Zudem sollten militärische Innovationen durch gemeinsame Forschungs- und Entwicklungsprojekte gefördert werden.


Unternehmen entlasten, Besteuerung effizient gestalten

Mit derzeit 28,5 Prozent ist die effektive Steuerbelastung der Unternehmen in Deutschland verglichen mit anderen großen Industriestaaten oder europäischen Nachbarländern hoch.

Die jüngst beschlossene Senkung der Unternehmensteuern bis zum Jahr 2032 wird sich vo-raussichtlich moderat positiv auf Investitionen und Einkommen auswirken – bei einem temporär spürbar geringeren Gesamtsteueraufkommen. Würden die Unternehmensteuern neutraler ausgestaltet als bisher, beispielsweise durch eine steuerliche Gleichbehandlung von Eigen- und Fremdfinanzierung, würde dies langfris-tig Investitionsanreize stärken und den Anreiz zu übermäßiger Verschuldung von Unter-nehmen verringern. Geeignete Ansätze sind die Allowance for Corporate Equity mit dem Steuerabzug der kalkulatorischen Eigenkapitalkosten oder die Cash-Flow-Steuer mit einer Sofortabschreibung. Obwohl die Umstellung auf eine solche neutrale Besteuerung mit deut-lichen Aufkommenschwankungen in der Übergangsphase einhergehen dürfte, wäre es – angesichts des großen Potenzials – lohnenswert, eine solche Besteuerungsform langfristig anzustreben.


Privaten Vermögensaufbau stärken, Erbschaften gleichmäßiger besteuern

Die Vermögensungleichheit ist in Deutschland im europäischen Vergleich hoch, seit dem Jahr 2010 jedoch stabil. Die Vermögensbildung privater Haushalte kann durch eine höhere Beteiligung am Kapitalmarkt und eine verbesserte Förderung des Vermögensaufbaus ge-stärkt werden. Der Sachverständigenrat Wirtschaft schlägt dazu ein neues staatlich geför-dertes Vorsorgedepot vor, das sowohl der privaten Alterssicherung als auch dem allgemei-nen Vermögensaufbau dient. Bei Erbschaften und Schenkungen werden verschiedene Vermögensarten ungleichmäßig besteuert. Vor allem Betriebsvermögen werden steuerlich stark begünstigt. Die Erbschaft- und Schenkungsteuer sollte reformiert werden, um für eine gleichmäßigere Besteuerung aller Vermögensarten zu sorgen. Dazu sollte die steuerliche Begünstigung von Betriebsver-mögen deutlich verringert werden, indem die Verschonungsregelungen erheblich einge-schränkt und die Erbschaft- und Schenkungsteuer stärker am Leistungsfähigkeitsprinzip ausgerichtet werden.

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