Ernst & Young EY:
EU-Neuwagenmarkt weiter schwach –
Lebenszeichen vom Elektrosegment
Stuttgart (22.10.24) – Der EU-Neuwagenmarkt schwächelt weiterhin: Der Absatz schrumpfte im September um sechs Prozent, im bisherigen Jahresverlauf ergibt sich nur noch ein leichtes Plus von 0,6 Prozent. Damit liegt das Marktniveau aber immer noch etwa ein Fünftel niedriger als im Vergleichszeitraum des Jahres 2019 – also vor dem Ausbruch der Pandemie. Im bisherigen Jahresverlauf wurden im Vergleich zu 2019 zudem etwa 1,9 Millionen Neuwagen weniger zugelassen. Im Gesamtjahr wird die Lücke bei mehr als 2 Millionen fehlenden Neuzulassungen liegen.
Constantin M. Gall, Managing Partner und Leiter Mobility bei EY für die Region Europe West, rechnet nicht mit einem Jahresendspurt: „Die Nachfrage ist immer noch schwach, die Absatzzahlen bleiben auf niedrigem Niveau, die Branche verharrt im Krisenmodus. Es gibt zum Jahresende hin keinerlei positive Impulse – die Konjunktur schwächelt, die erheblichen geopolitischen Spannungen werden nicht geringer und sorgen für Verunsicherung sowohl bei privaten wie auch bei gewerblichen Kunden. Gerade in Deutschland kommt hinzu, das die strukturellen Probleme der deutschen Wirtschaft gerade immer deutlicher zutage treten, was wiederum Fragen in Bezug auf die Zukunftsfähigkeit der deutschen Wirtschaft aufwirft.“
Eine echte positive Trendwende sei auf dem Neuwagenmarkt zwar vorerst nicht zu erwarten, dennoch rechnet Gall mit einem steigenden Neuwagenabsatz im kommenden Jahr: „Nach mehreren sehr schwachen Jahren, in denen der Absatz massiv unter dem Vorkrisenniveau lag, hat sich ein hoher Ersatzbedarf aufgestaut. Zudem dürfte sich die Wirtschaft im kommenden Jahr wieder etwas erholen. Und positive Impulse dürften dann auch wieder verstärkt vom Elektrosegment kommen.“
Absatz von Elektroautos steigt leicht
Immerhin gibt das Elektro-Segment im September wieder Lebenszeichen von sich: Nach einem Einbruch der Neuzulassungen von Elektroautos im August um 44 Prozent stieg der Absatz im September um zehn Prozent. Im bisherigen Jahresverlauf ergibt sich dennoch ein Minus von immerhin sechs Prozent.
In Deutschland stiegen die Elektro-Neuzulassungen um neun Prozent – was allerdings in erster Linie auf den sehr schwachen Vergleichsmonat im Vorjahr zurückzuführen ist: Die staatliche Förderung von gewerblichen Käufen von Elektroautos war zum 01. September 2023 ausgelaufen, entsprechend stark gingen die Neuzulassungen im September zurück. Neben Deutschland verzeichneten auch Märkte wie Dänemark (plus 40 Prozent), Portugal (plus 44 Prozent) oder Spanien (plus 70 Prozent) ein deutliches Wachstum bei den Elektro-Neuzulassungen. In anderen wichtigen Absatzmärkten wie Frankreich (minus sechs Prozent) oder Schweden (minus acht Prozent) sanken die Neuzulassungen von Elektroautos hingegen.
EU-weit stieg der Marktanteil von Elektroautos im September im Vergleich zum Vorjahresmonat von 14,8 auf 17,3 Prozent. Einen sinkenden Marktanteil von Elektroautos wiesen allerdings immerhin zehn der 27 EU-Länder auf.
„Die Entwicklung bei Elektroautos verläuft derzeit sehr heterogen, es gibt keinen klaren europaweiten Trend“, sagt Gall. „Wir sehen Märkte mit teils hohen Wachstumsraten, in anderen Ländern gehen die Elektro-Neuzulassungen zurück. Das liegt zumeist an der Frage, ob und wie stark der Staat fördert, und ob ein Förderende bevorsteht. Denn nach wie vor gilt: Da, wo gefördert wird, steigen die Elektro-Verkäufe. Ein Auslaufen staatlicher Förderung führt eigentlich immer zu deutlich sinkenden Neuzulassungen.“
Für das kommende Jahr rechnet Gall allerdings mit einem steigenden Absatz von Elektroautos. „Das Angebot wird immer größer, die Auswahl attraktiver und leistungsstarker Modelle mit elektrischem Antrieb wird immer größer. Es kommen nun endlich auch mehr elektrische Kleinwagen zu einigermaßen bezahlbaren Preisen auf den Markt, was neue Käuferschichten erschließen könnte.“ Vor allem aber dürften Preissenkungen dazu führen, dass Kunden, die bisher von hohen Preisen abgeschreckt wurden, sich nun vielleicht doch für ein Elektroauto entscheiden könnten: „Um Strafzahlungen wegen zu hoher Flottenemissionen zu vermeiden, werden viele Hersteller nicht umhinkommen, den Absatz von Elektroautos mit deutlichen Preissenkungen anzukurbeln. Die Kunden sind sehr preissensibel, starke Preissenkungen dürften daher ihre Wirkung nicht verfehlen“, erwartet Gall. Einen echten Elektro-Boom werde es aber nicht geben, so Gall: „Nach wie vor sind weite Teile der Bevölkerung nicht von der Elektromobilität überzeugt. Selbst wenn im kommenden Jahr die Elektro-Neuzulassungen wieder steigen, wird sich die Wachstumsdynamik in Grenzen halten. Die Hersteller müssen noch viel Überzeugungsarbeit leisten.“
Im Osten Europas spielen Elektroautos weiterhin keine Rolle
Hohe Elektro-Marktanteile findet man derzeit vor allem in Nordeuropa und den Benelux-Ländern – auch dank großzügiger staatlicher Fördermaßnahmen. In den meisten anderen EU-Ländern sind Elektroautos hingegen nach wie vor ein absolutes Nischenprodukt: In immerhin 14 EU-Ländern lag der Elektro-Marktanteil im September unter zehn Prozent.
Besonders niedrig ist der Marktanteil von Elektroautos in den ost- und südosteuropäischen Ländern. Insgesamt betrug der Marktanteil von Elektroautos in diesen Ländern im September 5,8 Prozent – nach 5,0 Prozent im Vorjahreszeitraum. „Osteuropa ist eine Elektro-Diaspora, hier spielen Elektroautos quasi keine Rolle. Diese sehr schwache Entwicklung ist einer der Gründe, weshalb man hinter die ambitionierten Elektro-Ziele der EU ein großes Fragezeichen setzen muss“, sagt Gall.
In den skandinavischen Ländern hingegen erfreuen sich Elektroautos großer Beliebtheit, der Marktanteil lag im September bei 49 Prozent. Dänemark wies im September mit 57 Prozent den EU-weit höchsten Marktanteil von Elektroautos auf. Deutschland lag im August mit einem Elektro-Marktanteil von 17 Prozent im EU-Vergleich im Mittelfeld.
Plug-in Hybride rückläufig
Plug-in-Hybride verzeichneten im September Einbußen, der Absatz schrumpfte um 22 Prozent, der Marktanteil sank von 8,2 auf 6,8 Prozent. In Summe verzeichneten Neuwagen mit Stecker – also PHEV und BEV – einen leichten Absatzrückgang von zwei Prozent, der gemeinsame Marktanteil stieg dennoch von 23,0 auf 24,0 Prozent. Am höchsten war der kombinierte Marktanteil von PHEVs und BEVs in Schweden mit 65 Prozent, am niedrigsten in der Slowakei und Bulgarien mit jeweils fünf Prozent.