Helaba-Konjunkturaussichten:

Weltwirtschaft im Umschaltspiel

Frankfurt/Main (9.11.23) – Auch für das kommende Jahr folgt der Konjunktur- und Kapitalmarkt­ausblick von Helaba Research & Advisory einem Motto: „Weltwirtschaft im Umschaltspiel“. 2024 geht nichts an Fußball vorbei. Mit der Europa­meisterschaft in Deutschland wird das Thema noch präsenter sein als sonst. Außerdem hat Fußball sehr viel gemeinsam mit Volkswirtschaft: Langfristige Strategien kombiniert mit kurz­fristigen Taktiken führen letztlich zur Wettbewerbs­fähigkeit bzw. zum Erfolg. So fragen sich hier­zulande viele: Ist Deutschland fit genug, um 2024 endlich wieder ein BIP-Wachstum zu generieren oder scheidet Deutschland schon wieder in der Vorrunde aus?

Strukturelle Rahmen­bedingungen müssen passen

Flexi­bilität und Anpassungs­fähigkeit sind im Fußball und in der Wirtschaft von entscheidender Bedeutung. Dies gilt für die Geld- und Fiskalpolitik auf der taktischen Seite, aber auch für strukturelle Faktoren. Denn diese helfen, auf Schocks schnell reagieren zu können. Das sich rapide verändernde makro­ökonomische und geopolitische Umfeld erfordert jedoch ein schnelles Umschalten und ist somit für 2024 sowohl Herausforderung als auch Chance.

Umschalten der Geldpolitik 2024 notwendig

Rückläufige Inflationsraten eröffnen den Spielraum für Zins­senkungen. Unterstützt durch eine sich erholende Industrie wird es im Laufe des Jahres 2024 konjunkturell aufwärtsgehen. „Die deutsche Volkswirtschaft wächst um 1,3 Prozent“, prognostiziert Dr. Gertrud R. Traud, Chefvolkswirtin der Helaba. Die deutsche Inflationsrate wird sich im Vergleich zum Vorjahr von 6 Prozent auf 3 Prozent verringern. Dabei wird im Jahresverlauf 2024 ein sukzessiver Rückgang zu beobachten sein, der 2025 in eine durchschnittliche Inflationsrate von 2,5 Prozent münden wird. „Damit bleibt die deutsche Inflationsrate einen Prozentpunkt über dem Durchschnitt der 20 Jahre vor der Pandemie. Verantwortlich sind dafür jedoch keine konjunkturellen, sondern strukturelle Faktoren wie Demografie und Deglobalisierung“, so Dr. Traud weiter.

Geopolitische Risiken bleiben

Geopolitische Belastungen wirken sich nicht nur auf das Preisniveau aus, sondern auch auf den internationalen Handel. Die Weltwirtschaft droht in zwei Technologie- und Handelsblöcke zu zerfallen. In den Industrie­nationen gewinnen Protektionismus und eine aktive Industriepolitik an Popularität. Gleichzeitig zeigen sich – insbesondere in Deutschland – die Nachteile ausufernder staatlicher Eingriffe. Der Trainings­zustand Deutschlands lässt zu wünschen übrig: Bürokratie­abbau, eine wettbewerbsfähige Steuer- und Abgabenpolitik sowie eine funktions­fähige Infrastruktur müssen 2024 auf dem Trainingsplan stehen. Vieles davon ist erkannt, ob es aber umgesetzt wird, bleibt offen. Das Basisszenario von Helaba Research & Advisory hat mit 70 Prozent eine höhere Eintritts­wahrscheinlichkeit als im Vorjahr.

Anlageklassen im Basis­szenario: Welt­wirtschaft im Umschaltspiel (70 Prozent)

Der Druck auf Renten lässt im Jahres­verlauf nach. Inflationsrückgang und Leitzins­wende geben positive Impulse für die Saison 2024. Der Abbau der Wert­papier­bestände bei den Notenbanken bei gleichzeitig relativ hoher staatlicher Emissions­tätigkeit begrenzt jedoch das Kurspotenzial.

Covered Bonds profitieren weiter von ihrem Status als „Safe Haven-Assets“. Die Qualität der Deckungs­werte, hohe Übersicherungs­quoten und die starke Bonität der Kreditinstitute liefern Argumente für die Assetklasse. Dennoch ist mit einem leicht rückläufigen Neugeschäft und etwas geringerem Emissions­volumen zu rechnen.

An den Aktienmärkten sind hohe Zinsen, schwaches Wachstum und geopolitische Belastungs­faktoren bereits eingepreist. Eine moderate bis günstige Bewertung, schon sehr negative Konjunkturerwartungen und eine verhaltende Positionierung weiter Anlegerkreise legen die Basis für wieder deutlich steigende Kurse. Ende 2024 dürfte der DAX um 17.500 Punkte notieren.

Am deutschen Immobilien­markt dürfte dank weiterhin hoher Nachfrage und stark rückläufiger Bautätigkeit die Trendwende bei Wohn­immobilien vollzogen werden. Die Kaufpreise von Einzelhandels­immobilien werden sich nach langjähriger Tal­fahrt stabilisieren, während bei Büros mit weiteren Rückgängen gerechnet werden muss.

Gold kann von nachlassenden Opportunitäts­kosten profitieren. Spätestens in der zweiten Jahreshälfte, wenn sich eine Entspannung bei der Realverzinsung abzeichnet, wird das Edelmetall wieder die Marke von 2.000 US-Dollar je Feinunze in Angriff nehmen.

Der US-Dollar tendiert im Umfeld des beginnenden Zinssenkungs­zyklus zumeist schwächer. Zudem verringert sich der US-Wachstums­vorteil gegenüber der Euro­zone. Da die Fed jedoch recht zögerlich vorgeht, hält sich das Verlust­potenzial der hoch bewerteten US-Währung in Grenzen. Der Euro-Dollar-Kurs dürfte Ende 2024 um 1,10 notieren.

Negatives Alternativszenario „Vorrundenaus“ (Eintrittswahrscheinlichkeit 20 Prozent)

Die massiven Leitzins­erhöhungen lassen die Weltwirtschaft zeit­verzögert in eine Rezession fallen. Die Arbeitslosigkeit steigt, belastet die Einkommen und die Finanz­stabilität wird in Mitleidenschaft gezogen. Falsche geo- und handels­politische Entscheidungen bremsen notwendige strukturelle Veränderungen und dämpfen den Produktivitäts­zuwachs. Die Aktien rutschen in einen Bärenmarkt und die Renditen an den Rentenmärkten sinken deutlich. Die Immobilienpreise – insbesondere für Büro- und Einzelhandels­immobilien – gehen auf Talfahrt. Der US-Dollar und der Goldpreis steigen krisenbedingt.

Positives Alternativszenario „Ballzauber“ (Eintrittswahrscheinlichkeit 10 Prozent)

Im positiven Szenario „Ballzauber“ wächst die deutsche Wirtschaft um rund 2 Prozent. Politische Voraus­setzungen sind, dass es gelingt, geopolitische Spannungen zu reduzieren, weltweit in der Handels- und Umweltpolitik stärker zu kooperieren und den Subventions­wettlauf auf Kosten ärmerer Länder abzu­bremsen. Alles läuft richtig gut und alle Beteiligten sind mit vollem Engagement dabei. Immobilien profitieren von der besseren wirtschaftlichen Lage. Gold ist nicht mehr als Krisen­währung gefragt, ebenso der sichere Hafen US-Dollar. Die Aktienmärkte haussieren. Der DAX überschreitet die Marke von 20.000 Index­punkten.