Ernst & Young EY:

Vor allem Frauen fürchten sich vor

Altersarmut – großer Beratungsbedarf,

aber wenig Vertrauen in Banken

Frankfurt/Main (24.2.23) – Das Vertrauen der Deutschen in die Finanzbranche ist nur gering ausgeprägt: Gerade einmal 25 Prozent der Bundesbürger halten die Banken- und Versicherungsbranche für eher oder sehr vertrauenswürdig. Dabei zeigen sich Frauen besonders distanziert: Nur 23 Prozent der weiblichen Befragten und 26 Prozent der Männer haben großes Vertrauen in die Branche. Ausdrücklich als gar nicht oder eher nicht vertrauenswürdig bezeichnen 31 Prozent sowohl der Männer als auch der Frauen die Banken- und Versicherungsbranche.

Das sind Ergebnisse der repräsentativen Finanz- und Versicherungsstudie „Finanzkompass“ von EY und dem Institut für Generationenforschung, an der über tausend Personen ab 16 Jahren mit Wohnsitz in Deutschland mitwirkten. Neben einer quantitativen Erhebung wurden im Rahmen der Studie Mitglieder verschiedener Generationen mit den Befragungsergebnissen konfrontiert, um ihre Einstellungen und Meinungen gegenüber der Finanzwelt qualitativ zu erfassen.

Die Studie zeigt, dass Männer sich deutlich stärker – nämlich zu 73 Prozent – für Finanzthemen interessieren als Frauen, von denen nur 55 Prozent ein mittleres oder großes Interesse an Neuigkeiten aus der Finanz- und Versicherungsbranche bekunden.

„Frauen stehen der Finanzbranche und Finanzthemen insgesamt recht distanziert gegenüber“, konstatiert Ralf Temporale, Partner bei EY. „Das Vertrauen in die Branche ist gering, das Interesse an Finanzthemen aber auch.“

„Vor allem verheiratete Frauen oder Frauen in langen Partnerschaften beschäftigen sich wenig mit Finanzthemen,“ ergänzt Rüdiger Maas, Gründer und Vorstand des Instituts für Generationenforschung. „Wichtige finanzielle Entscheidungen trifft häufig der männliche Partner, wie 75 Prozent der Frauen in den Interviews bestätigten. Und oft wird auch von außen genau das erwartet. ‚Fragen Sie doch Ihren Mann!‘, hören die befragten Frauen nur allzu oft, wenn es um Finanzthemen geht.“

Sorge vor Altersarmut bei Frauen besonders ausgeprägt

Gerade beim Thema Altersvorsorge könnten sich daraus für Frauen handfeste finanzielle Nachteile ergeben: Denn nur 36 Prozent der Frauen haben eine private Altersvorsorge – aber 48 Prozent der Männer. Und viele Frauen haben ein ungutes Gefühl, wenn sie an ihre Finanzlage im Alter denken: Zum einen gibt jede zweite Frau an, sich schlecht informiert zu fühlen über die Möglichkeiten der privaten Altersvorsorge – aber „nur“ 41 Prozent der Männer. Vor allem aber fürchten 49 Prozent der Frauen, dass ihre Altersvorsorge – ob staatlich oder privat – in Zukunft nicht ausreichen wird – bei den Männern liegt der Anteil mit 42 Prozent niedriger.

„Für Frauen sollte das Thema private Altersvorsorge eigentlich einen noch höheren Stellenwert haben als für Männer – denn niedrigere Einkommen, häufigere Teilzeitarbeit und Unterbrechungen im Berufsleben führen insgesamt zu niedrigeren Rentenansprüchen“, sagt Maas. „Die Realität ist aber, dass Männer auch bei der privaten Altersvorsorge besser dastehen als Frauen. Das heißt: Altersarmut wird auch zukünftig vor allem für Frauen ein Thema sein.“

Frauen sind zurückhaltend bei risikobehafteten Finanzprodukten

Während Männer und Frauen etwa gleich häufig Online-Banking nutzen (Männer: 91 Prozent, Frauen: 90 Prozent), gibt es bei der Nutzung von Finanzprodukten deutliche Unterschiede. So besitzen Frauen viel seltener Aktien als Männer: 34 Prozent der Männer, aber nur 15 Prozent der Frauen halten einzelne Aktien in ihren Depots, bei ETFs ist das Verhältnis mit 36 Prozent zu 19 Prozent ähnlich. Besonders groß ist der Unterschied bei innovativen und hochriskanten Anlagen, wie beispielsweise Kryptowährungen. Diese besitzen immerhin 20 Prozent der Männer, bei den Frauen liegt der Anteil nur bei 6 Prozent.

„Frauen sind insgesamt weniger offen für risikobehaftete Finanzprodukte“ konstatiert Temporale. „Sie legen mehr Wert auf Sicherheit und sind weniger bereit, Risiken einzugehen, was im Ergebnis zu einer niedrigeren Rendite führt.“

Großer Beratungsbedarf – aber nicht vom Bankberater

Mit dem höheren Sicherheitsbedürfnis aufseiten der befragten Frauen geht ein ausgeprägterer Wunsch nach Beratung einher: Für 67 Prozent der Frauen ist eine persönliche Beratung bei Finanzprodukten wichtig, bei den Männern liegt der Anteil bei 63 Prozent. Dazu wenden sich sowohl Männer als auch Frauen allerdings mehrheitlich nicht an die eigentlich naheliegendste Stelle: den Bankberater oder die Bankberaterin.

Tatsächlich nutzen Männer in erster Linie – zu 39 Prozent – Online-Finanzseiten und Internetforen (34 Prozent), um sich zu informieren. Oder sie sprechen mit Freunden und Familienmitgliedern (30 Prozent). Erst an vierter Stelle folgen Bankberater oder -beraterinnen. Frauen nutzen andere Informationsquellen: Bei ihnen liegen „Friends & Family“ mit 42 Prozent weit vorn – vor ihrem persönlichen Ansprechpartner bei der Bank (34 Prozent).

„Die Bedürfnisse von Frauen in punkto Beratung unterscheiden sich insgesamt deutlich von denen der Männer. Ihnen ist ein persönlicher Kontakt, ein auf Vertrauen basierendes Verhältnis besonders wichtig“, sagt Temporale. Maas sieht hier Handlungsbedarf aufseiten der Banken: „Geld kennt kein Geschlecht – die Finanzbranche kennt aber oft nur den Mann. Diese Ungleichbehandlung ist ein echtes Problem.“

Die persönliche Beratung habe nicht ausgedient, folgert Temporale. Im Gegenteil: „Die Digitalisierung und Automatisierung stoßen hier an ihre Grenzen, denn der Wunsch nach einer persönlichen Beratung ist groß – gerade bei Frauen. Darauf sollten die Banken eine Antwort haben.“

Für die Finanzbranche gehe es darum, Frauen anders und besser anzusprechen als bisher: „Da liegt ein großes Kundenreservoir brach. Wenn die Finanzbranche Frauen ignoriert, vernachlässigt sie die Hälfte ihres Potenzials. Es ist kein Naturgesetz, dass Frauen nichts mit Finanzthemen zu tun haben wollen – es braucht nur eine andere Ansprache.“ Am Ende hätten alle etwas davon, so Temporale: „Die Banken bekommen mehr Kunden, die Frauen ein besseres Verständnis für ihre eigenen Finanzen und ihre Altersvorsorge, und die Finanzbranche insgesamt mehr potenzielle Arbeitskräfte.“

Frauen in der Finanzwelt unterrepräsentiert – Jobs in der Finanzbranche für Frauen aber auch kaum interessant

Denn auch in der eigenen Lebenswelt kommt das Thema Finanzen bei Frauen deutlich seltener vor als bei Männern. So halten 36 Prozent einen Job in der Finanzbranche für nicht attraktiv, nur 27 Prozent für attraktiv. Bei Männern ist das Verhältnis genau umgekehrt: 38 Prozent finden einen Job in der Finanzbranche attraktiv, 30 Prozent nicht.

Dass Frauen in den Führungsebenen der Finanzbranche so unterrepräsentiert sind – nur 14 Prozent der Vorstandsposten der 100 größten deutschen Banken sind laut DIW Managerinnen Barometer mit Frauen besetzt – hat laut den Befragten strukturelle Gründe: 40 Prozent geben an, vorherrschende gesellschaftliche Strukturen zu Lasten der Frauen seien dafür verantwortlich, dass so wenige Frauen in Führungsebenen der Finanz- und Versicherungsbranche tätig sind.

Mehr als jede fünfte befragte Person – weitgehend unabhängig von Geschlecht und Alter – ist gar der Meinung, dass Frauen nicht die gleiche Leistung, Kompetenz oder Bereitschaft aufweisen könnten wie Männer in Führungsebenen. Maas kommentiert: „Das Erstaunliche ist, das Gender-Stereotype nicht nur bei Frauen und Männern fast gleichermaßen stark verbreitet sind, sondern immer noch in allen Generationen vorhanden sind, also auch bei jungen Leuten.“