Commerzbank:

Fällt die Rezession aus?

von Dr. Jörg Krämer, Commerzbank-Chefvolkswirt
Frankfurt/Main (25.1.23) – Das Ifo-Geschäftsklima hat sich zum dritten Mal in Folge deutlich von 88,6 auf 90,2 erholt, weil die Entspannung am Gasmarkt die Angst der Unternehmen vor einer schweren Rezession weiter schwinden ließ. Aber das Ifo-Geschäftsklima befindet sich noch immer auf einem Niveau, bei dem es in der Vergangenheit regelmäßig Rezessionen gab. Außerdem mussten die Zentralbanken in vielen Ländern wegen der hohen Inflation ihre Leitzinsen massiv anheben. Eine milde Rezession bleibt das wahrscheinlichere Szenario.

Das Ifo-Geschäftsklima ist im Januar zum dritten Mal in Folge merklich gestiegen, und zwar von 88,6 auf 90,2. Das Plus lag im Rahmen der Erwartungen (Konsens: 90,3; Commerzbank: 89,5). Mit Ausnahme der Bauwirtschaft ging es in allen großen Branchen nach oben.

Im Januar ging die Erholung des Ifo-Geschäftsklimas ausschließlich auf die sich aufhellenden Geschäftserwartungen für die kommenden sechs Monate zurück (86,4 nach 83,2). Offenbar hat die Entspannung am Gasmarkt die Angst der Unternehmen vor einer schweren Rezession, die im Spätsommer durchaus vorstellbar war, abebben lassen. Dagegen ist die Beurteilung der gegenwärtigen Geschäftslage leicht gefallen (94,1 nach 94,4).

Nicht einmal eine milde Rezession?

Nicht erst seit heute stellt sich die Frage, ob es überhaupt zu einer Rezession kommt:

  • Die harten Konjunkturdaten geben noch keine klare Auskunft. Auf der einen Seite ist die Industrieproduktion stabil, weil die Unternehmen die rekordhohen Auftragsbestände wegen der abebbenden Materialengpässe zunehmend abarbeiten können. Auf der anderen Seite setzt der Einzelhandel seit dem Frühjahr vergangenen Jahres preisbereinigt weniger um, weil die hohe Inflation die Kaufkraft der Bürger schwächt. In der Summe hat das deutsche Bruttoinlandsprodukt im vierten gegenüber dem dritten Quartal nach Aussagen des Statistischen Bundesamtes stagniert.
  • Anders als die harten Konjunkturdaten deutet das Ifo-Geschäftsklima auf eine bevorstehende Rezession. Denn es liegt trotz der Erholung noch immer auf einem Niveau, bei dem das Bruttoinlandsprodukt in der Vergangenheit zumeist mindestens zwei Quartale in Folge geschrumpft ist (Chart).
  • Für Vorsicht spricht auch die weltweite Straffung der Geldpolitik. In den westlichen Ländern und vielen Schwellenländern mussten die Zentralbanken ihre Leitzinsen wegen der hohen Inflation massiv anheben. Bei US-Staatsanleihen und Bundesanleihen ist die Zinsstrukturkurve invers, was in der Vergangenheit ein recht guter Indikator für eine Rezession war. Allerdings haben solche monetäre Indikatoren einen zeitlichen Vorlauf, der unterschiedlich lang ausfallen kann.

Alles in allem bleibt eine milde Rezession das wahrscheinlichere Szenario. Wir erwarten für das deutsche Bruttoinlandsprodukt im Durchschnitt dieses Jahres einen Rückgang um 0,5%.

Chart 1 – Ifo immer noch auf Rezessionsniveau
Ifo-Geschäftsklima für Deutschland, 2015=100; graue Flächen markieren Zeiträume, in denen das reale Bruttoinlandsprodukt mindestens zwei Mal hintereinander gefallen ist
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Quelle: IHS, Commerzbank-Research