Ernst & Young EY:

Krieg, Krisen?! Na, und! – Deutsche Top-Konzerne verbuchen 2022

Rekordumsätze bei anhaltend hohen Margen

Stuttgart (26.12.22) – Das klingt ziemlich zynisch: Deutschlands Top-Unternehmen konnten im vergangenen Jahr erneut Rekordumsätze erwirtschaften: Von den 100 umsatzstärksten börsennotierten Konzernen Deutschlands verzeichneten fast alle – 93 Prozent – in den ersten drei Quartalen des Jahres 2022 ein Umsatzwachstum gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Unterm Strich legte der Gesamtumsatz der Unternehmen um 30 Prozent auf 1,78 Billionen Euro zu. – Das sind Ergebnisse einer Analyse der Entwicklung der 100 umsatzstärksten börsennotierten Unternehmen Deutschlands im Zeitraum Januar bis September 2022 durch die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY. Banken und Versicherungen wurden nicht mit einbezogen, da hier der Umsatz keine relevante Kennzahl ist.

Drei große Herausforderungen, die das Jahr 2022 prägten – gestörte Lieferketten, der Halbleitermangel und steigende Energiepreise – spiegelten sich auch in den Bilanzen der deutschen Top-100-Unternehmen wider: So führten die weltweit gestörten Lieferketten zu hohen Frachtraten, von denen Logistikunternehmen unterm Strich profitierten: Sie verzeichneten ein Umsatzwachstum von insgesamt 44 Prozent. Der Chipmangel und die daraus folgende Strategie, vorrangig margenstarke Modelle anzubieten und auf Rabatte zu verzichten, bescherte den Autokonzernen trotz gesunkener Absatzzahlen ein Umsatzplus von 13 Prozent. Zudem sorgten die im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine massiv gestiegenen Kosten für Energie für erhebliche Umsatzsteigerungen bei Energieversorgern von insgesamt 125Prozent.

Dass Umsatzsteigerungen allerdings nicht automatisch zu Gewinnwachstum führen, zeigt der Sonderfall Uniper: Der Konzern erwirtschaftete im bisherigen Jahresverlauf mit 213 Milliarden Euro den höchsten Umsatz aller börsennotierten Unternehmen, verzeichnete mit rund 45 Milliarden Euro aber auch den höchsten Verlust.

Der Rekordverlust von Uniper trübt auch die Gewinnbilanz der deutschen Top-100-Konzerne und führte dazu, dass der Gesamtgewinn aller 100 Unternehmen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 16 Prozent auf 100 Milliarden Euro sank. Wird das Uniper Ergebnis aus dem Gesamtgewinn des aktuellen Jahres herausgerechnet, ergibt sich hingegen ein Rekordgewinn von 145 Milliarden Euro.

Allerdings: Nur 52 der 100 untersuchten Unternehmen konnten im bisherigen Jahresverlauf ihren Gewinn steigern – 48 verbuchten ein geringeres operatives Ergebnis. Und die kumulierte Gewinnmarge der deutschen Top-Konzerne sank (ohne Berücksichtigung von Uniper) leicht von 9,8 auf 9,3 Prozent – lag damit allerdings weiterhin deutlich über dem Vor-Corona-Niveau von 2019, als die Gesamtmarge der Top-100-Unternehmen 6,9 Prozent betrug.

„Trotz kräftigen Gegenwinds haben sich die deutschen Top-Unternehmen in diesem Jahr wacker geschlagen“, fasst Henrik Ahlers, Vorsitzender der Geschäftsführung von EY Deutschland, die Entwicklung in diesem Jahr zusammen. „Die Gewinnsituation der Mehrheit der Unternehmen ist gut – die große Frage ist, ob das auch im kommenden Jahr noch so sein wird. Denn die hohe Inflation und Rezessionssorgen führen zu Kaufzurückhaltung bei Verbrauchern und zu einer sinkenden Investitionsbereitschaft aufseiten der Unternehmen. Sowohl Bürger als auch Unternehmen müssen den Gürtel enger schnallen. Große Umsatzsprünge sind daher im kommenden Jahr nicht zu erwarten.“ Um auch künftig wettbewerbsfähig zu bleiben, sollten die Unternehmen die gute Gewinnsituation dafür nutzen, um kräftig in ihre Transformation und in Innovation zu investieren.“

Autobauer führen das Gewinnranking an

Autokonzerne erwiesen sich in diesem Jahr erneut als besonders gewinnstark: Volkswagen führt mit einem neun-Monats-Gewinn von 17,1 Milliarden Euro das Gewinnranking an – vor Mercedes Benz (15,0 Milliarden Euro) und Hapag-Lloyd (14,2 Milliarden Euro).

Die höchste Marge erzielte aber ein deutlich jüngeres Unternehmen: Das Mainzer Biotechnologieunternehmen BioNTech führt mit 71,7 Cent Gewinn je umgesetzten Euro das Margenranking an. Dahinter folgen das Hamburger Transport- und Logistikunternehmen Hapag-Lloyd (53,2 Prozent) und der Düngemittelhersteller K+S (31,1 Prozent). Derartig hohe Gewinnmargen sind aber die Ausnahme: 71 der 100 Unternehmen wiesen in diesem Jahr eine Marge von unter zehn Prozent auf.

 NRW ist Heimat besonders vieler Top-100-Unternehmen

An der regionalen Verteilung der Top 100 Unternehmen hat sich im Lauf des vergangenen Jahres wenig geändert. Nordrhein-Westfalen ist mit 26 Unternehmen Spitzenreiter. Dahinter folgen Bayern und Baden-Württemberg mit 24 bzw. 17 Unternehmen. Nur zwei der 100 Unternehmen haben ihren Sitz in einem der ostdeutschen Bundesländer: Das Medizintechnikunternehmen Carl Zeiss Meditec mit Sitz im thüringischen Jena belegt im Umsatzranking Platz 90. Ebenfalls im Ranking platzieren konnte sich Verbio, ein Anbieter von Biokraftstoffen aus Sachsen-Anhalt, auf Rang 88.

Beschäftigung steigt leicht

Die Mehrzahl der deutschen Top-Unternehmen – 66 Prozent – stockte im bisherigen Jahresverlauf die Belegschaft auf. Insgesamt beschäftigten die 100 umsatzstärksten börsennotierten Unternehmen zum 30. September 2022 weltweit 4,3 Millionen Menschen – das waren 1,7 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. 2021 war noch ein Beschäftigungsrückgang von 1,5 Prozent verzeichnet worden.

„Die meisten Unternehmen waren in diesem Jahr auf Wachstumskurs – das zeigt sich auch bei der Zahl der Beschäftigten“, sagt Ahlers. Für das kommende Jahr rechnet er aber mit einer weniger positiven Entwicklung: „Wir werden in den kommenden Monaten mehr Restrukturierungs- und Kostensenkungsmaßnahmen sehen. Den Unternehmen bleibt angesichts stark gestiegener Einkaufs- und Energiepreise nichts anderes übrig, um wettbewerbsfähig zu bleiben und Mittel freizumachen für kostspielige anstehende Investitionen“, ergänzt Ahlers. „Gut möglich, dass wir bei den Top-Unternehmen daher im kommenden Jahr kein Wachstum mehr sehen werden.“

Einen umfassenden und flächendeckenden Stellenabbau werde es aber nicht geben, erwartet Ahlers: „Der Bedarf an hochqualifizierten Mitarbeitenden ist heute größer denn je. Die Unternehmen werden so weit wie möglich auf Stellenstreichungen verzichten, denn sie wissen, wie schwierig es ist, noch gut qualifizierte Mitarbeiter zu finden, wenn die Auftragslage wieder besser ist.“

Das börsennotierte Unternehmen mit den meisten Mitarbeitern ist nach wie vor Volkswagen: Bei dem Wolfsburger Autokonzern waren zum 30. September 2022 insgesamt knapp 646.000 Menschen beschäftigt. Auf den Rängen zwei und drei folgen die Deutsche Post mit etwa 539.000 und Fresenius mit 320.000 Beschäftigten.