Ernst & Young EY:  EU-Neuwagenmarkt weiter deutlich unter Vorkrisenniveau

Frankfurt/Main (16.6.22) – Weiter keine Trendwende auf dem europäischen Neuwagenmarkt: Im Mai sanken die Pkw-Neuzulassungen in der EU im Vergleich zum Vorjahresmonat um elf Prozent. Gegenüber dem Vor-Pandemieniveau (Mai 2019) ergibt sich sogar ein Rückgang um 35 Prozent. Weniger Autos wurden in der EU (seit der Osterweiterung) nur im Mai 2020, auf dem Höhepunkt der ersten Corona-Welle, verkauft.

Es ist weiterhin vor allem der Mangel an Vor- und Zwischenprodukten, der die Neuwagenproduktion massiv ausbremst, so Peter Fuß, Partner bei EY: „Der Mangel an Halbleitern und Rohstoffen führt nach wie vor zu erheblichen Beeinträchtigungen – und diese Situation wird mindestens noch einige Monate anhalten. Es ist noch unklar, wie stark die Corona-Lockdowns in China die weltweiten Lieferketten belasten werden. Die erhoffte Erholung dürfte sich dadurch aber weiter verzögern. Das Gesamtbild bleibt damit unverändert: Die Verfügbarkeit von Neuwagen wird beschränkt bleiben, die Neuwagenpreise bleiben hoch, die Lieferzeiten lang. Und die Hersteller werden sich weiterhin auf die Produktion hochmargiger Fahrzeuge konzentrieren.“

Die aktuellen Rückgänge seien in erster Linie auf Limitierungen auf der Angebotsseite zurückzuführen – aber auch die Nachfrage könnte unter Druck geraten, so Fuß: „Angesichts der sehr hohen Inflation, einer sinkenden Kaufkraft und gleichzeitig steigender Zinsen könnte sich die bislang noch hohe private Nachfrage deutlich abschwächen. Und die konjunkturelle Eintrübung dürfte sich auch auf die Investitionsbereitschaft der Unternehmen auswirken. Noch sitzen die Autokonzerne allerdings auf einem sehr komfortablen Auftragspolster, so dass bei einer Verbesserung der Versorgungslage mit Halbleitern mit einer spürbaren Markterholung zu rechnen ist.“

Selbst wenn sich die Liefersituation bei Halbleitern in der zweiten Jahreshälfte leicht verbessern sollte, erscheine ein Rückgang der Neuzulassungen in der EU im Gesamtjahr um etwa zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr realistisch, so Fuß: „Der EU-Neuwagenmarkt dürfte im Jahr 2022 auf einen neuen historischen Tiefstand fallen. Und die aktuelle Konjunkturlage dürfte verhindern, dass 2023 zu einem Boom-Jahr wird – selbst wenn die Chipkrise dann überwunden sein sollte.“

Plug-in-Hybride zunehmend unter Druck

Die Chipkrise dämpft auch den Absatz elektrifizierter Fahrzeuge: Im Mai legten zwar die Neuzulassungen reiner Elektroautos im Vergleich zum Vorjahresmonat in den fünf größten Märkten Westeuropas um 14 Prozent zu, im gesamten ersten Halbjahr lag das Wachstum mit 31 Prozent aber noch deutlich höher. In Italien schrumpfte der Elektro-Absatz um 13 Prozent, in Deutschland kletterte er nur noch um neun Prozent in Spanien um elf Prozent. „Das Wachstum des Elektrosegments ist fast zum Stillstand gekommen“, beobachtet Fuß. „Das Interesse an Elektroautos ist zwar groß, die Hersteller können die Produktion aber nicht in ausreichendem Maß hochfahren.“

Besonders stark abgebremst wurde die Wachstumsdynamik bei Plug-in-Hybriden. Deren Absatz schrumpfte in den Top-5-Märkten im Mai um 13 Prozent. Von den Top-5-Märkten wies nur noch Spanien ein Absatzplus bei Plug-in-Hybriden auf. „Plug-in-Hybride dürften ihren Zenit überschritten haben“, sagt Fuß. „Es ist unklar, ob und in welchem Maß diese Autos zukünftig noch gefördert werden. Das führt zu Verunsicherung bei potenziellen Käufern. Und ohne eine Förderung sind Plug-in-Hybride, die bislang gern als Dienstwagen geordert wurden, kaum konkurrenzfähig.“

Der Marktanteil reiner Elektroautos kletterte im Mai im Vergleich zum Vorjahresmonat in den Top-5-Märkten von 7,6 auf 10,0 Prozent, wobei er in Deutschland mit 14,1 Prozent überdurchschnittlich hoch lag. Bei Plug-in-Hybriden stagnierte der Marktanteil hingegen bei 8,1 Prozent; in Deutschland, wo Plug-in-Hybride am populärsten sind, ging er von 11,8 auf 11,2 Prozent zurück. In Summe stieg der Marktanteil elektrifizierter Neuwagen in den Top-5-Märkten im Mai von 15,7 auf 18,1 Prozent. In Deutschland war sogar jeder vierte neu zugelassene Pkw entweder ein Elektroauto oder ein Plug-in-Hybrid.