Ernst & Young EY: Chipkrise hat

Neuwagenmarkt weiter fest im Griff

Frankfurt/Main (17.12.21) – Der EU-Neuwagenmarkt ist im November um 21 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat geschrumpft. Damit fällt das Minus allerdings etwas weniger stark aus als im Oktober, als der Rückgang noch 30 Prozent betrug. Erneut lag der Neuwagenabsatz in allen großen Märkten im November im Minus. Die stärksten Einbußen verzeichneten im November Deutschland (minus 32 Prozent) und Italien (minus 25 Prozent). Im bisherigen Jahresverlauf liegt der Absatz EU-weit fast exakt auf dem Vorjahresniveau (minus 0,1 Prozent), aber deutlich – um 26 Prozent – unter dem Vorkrisenniveau von 2019.

Eine Besserung der Lage auf dem Neuwagenmarkt ist vorerst nicht zu erwarten. Im Gegenteil: Die Aussichten haben sich zuletzt eher verschlechtert als verbessert, so Peter Fuß, Partner bei EY: „Omicron führt zu neuen Unsicherheiten und konjunkturellen Risiken. Und die Chipkrise hat den Neuwagenmarkt weiterhin fest im Griff – und wird ihn vorläufig auch nicht wieder loslassen. In diesem Jahr werden in der EU noch weniger Neuwagen verkauft werden als im ohnehin schon sehr schwachen Vorjahr. Wir liegen damit erheblich unter dem Vorkrisenniveau, und eine Trendwende ist vorerst nicht in Sicht. Mindestens bis zur Mitte des kommenden Jahres wird der Mangel an Halbleitern und anderen Vorprodukten zu erheblichen Produktionsausfällen führen. Danach dürfte sich die Situation langsam entspannen, aber wir werden voraussichtlich auch 2023 noch Auswirkungen dieser Krise sehen.“ Der Aufbau der Kapazitäten in der Chip-Produktion brauche Zeit, zudem sei der Chip-Bedarf durch den zunehmenden Fokus auf elektrifizierte Fahrzeuge sehr hoch.

Für die Branche stelle diese Lage eine enorme Herausforderung dar: „Für einige Marktteilnehmer wird die Situation zunehmend existenzbedrohend, die Erholung wird für einige zu spät kommen“, so Fuß. Laut Fuß werden die Autohersteller vorerst weiter versuchen, ihre Produktion und den Modellmix so anzupassen, dass möglichst margenstarke Neuwagen ausgeliefert werden. Auch das Preisniveau werde vorerst hoch bleiben, erwartet Fuß.

Elektro-Marktanteil erreicht Rekordhoch. Die Chipkrise bremst auch die Absatzdynamik auf dem eigentlich boomenden Markt für elektrifizierte Neuwagen: Der Absatz von Elektroautos stieg in den fünf größten Märkten Westeuropas (Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Spanien) im November nur noch um 36 Prozent (Oktober: plus 52 Prozent, bisheriger Jahresverlauf: plus 93 Prozent).

Besonders stark abgebremst wurde die Wachstumsdynamik bei Plug-in-Hybriden. Diese legten im November in den Top-5-Märkten nur noch um 13 Prozent zu, während reine Elektroautos auf ein Plus von 59 Prozent kamen. In Deutschland war der Absatz von Plug-in-Hybriden im November – wie schon im Oktober – sogar rückläufig. „Die Chipkrise hat nun auch das Elektrosegment erreicht – der Absatz elektrifizierter Neuwagen könnte deutlich höher sein, wenn die Industrie lieferfähig wäre“, beobachtet Fuß.

Dennoch stieg der Marktanteil elektrifizierter Neuwagen auf ein neues Rekordhoch: 24,4 Prozent aller in den Top-5-Märkten Westeuropas neu zugelassenen Pkw waren entweder Elektroautos (14,5 Prozent) oder Plug-in-Hybride (10,0 Prozent). Zum Vergleich: Im Vormonat (Oktober 2021) lag der Marktanteil bei 22,1 Prozent, vor einem Jahr, im November 2020, kamen Elektroautos und Plug-in-Hybride zusammen auf einen Marktanteil von 14,7 Prozent.

Deutschland wies im November erneut mit 34,4 Prozent den höchsten Marktanteil elektrifizierter Neuwagen unter den Top-5-Märkten auf, gefolgt Großbritannien (28,1 Prozent) und Frankreich (23,4 Prozent). In Spanien waren hingegen im September nur 10,8 Prozent der Neuwagen Plug-in-Hybride oder Elektroautos. Insgesamt erweist sich derzeit die Nachfrage nach elektrifizierten Neuwagen in den deutschsprachigen Ländern als besonders hoch. So lag der gemeinsame Marktanteil von Plug-in-Hybriden und Elektroautos in der Schweiz im November bei 29,6 Prozent und in Österreich bei 26,5 Prozent.

„Die Nachfrage nach Elektroautos und Plug-in-Hybriden wird auch im kommenden Jahr sehr hoch sein – dank hoher Kaufprämien und massiver Steuervorteile“, beobachtet Fuß. „Zumindest für 2022 ist sichergestellt, dass es in Deutschland nicht zu einem Abschmelzen der Vorteile kommt. Damit spricht viel für eine Fortsetzung des Elektro-Booms“, erwartet Fuß. „Zumal neue attraktive Modelle mit immer höherer Reichweite auf den Markt kommen und das Kundeninteresse entfachen werden. Dass die neuen Modelle in erster Linie dem Mittelklasse- und Premiumsegment zuzuordnen sind, dürfte allerdings den Chipbedarf und damit auch die Chipknappheit weiter befeuern.“