CFS: Die DAX-Reform – eine verpasste Chance für mehr Nachhaltigkeit

Frankfurt/Main (2.12.20) – Der Zusammenbruch von Wirecard hat auch eine Diskussion über die Kriterien für eine Aufnahme in den deutschen Leitindex DAX ausgelöst. Daher hat die Deutsche Börse eine Marktkonsultation zu den Auswahlindizes DAX, MDAX, SDAX und TecDAX mit dem Ziel durchgeführt, striktere Kriterien bei der Aufnahme in die betreffenden Indizes einzuführen. Am 24. November wurden die beschlossenen Maßnahmen veröffentlicht. So wird die Anzahl der DAX-Mitglieder von derzeit 30 auf 40 erhöht. Die Aktien von DAX-Werten müssen eine Mindestliquidität aufweisen. Zudem müssen Unternehmen künftig bei der Aufnahme in den DAX profitabel sein. Unternehmen, die nicht fristgerecht ihren testierten Jahresbericht oder verpflichtende unterjährige Finanzinformationen vorlegen, können über einen Fast Exit aus dem Index ausgeschlossen werden. Des Weiteren müssen Index-Unternehmen künftig die Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex in Bezug auf den Prüfungsausschuss zwingend erfüllen.  „Diese Veränderungen sind grundsätzlich zu begrüßen, allerdings blendet diese Reform das Thema Nachhaltigkeit völlig aus“, kritisiert der Frankfurter Ökonom Prof. Dr. Volker Brühl, Geschäftsführer des Center for Financial Studies an der Goethe-Universität (CFS).


Von einem DAX-Unternehmen könne man erwarten, dass es hohe Standards bei allen wesentlichen Nachhaltigkeitskriterien erfüllt. In der Finanzindustrie wird „Nachhaltigkeit“ anhand von drei Dimensionen definiert, die man unter ESG (Environment, Social, Governance) zusammenfasst. Daher wäre es sinnvoll, wenn künftig jedes DAX-Unternehmen ein bestimmtes ESG-Risikopotenzial – gemessen durch einen „ESG-Risk-Score“ –  nicht überschreiten darf.

Brühl hat eine Simulationsrechnung anhand der ESG-Rating-Methodik von Systainalytics durchgeführt, die zeigt, wie stark die Verschiebungen im DAX durch die Einführung eines solchen ESG-Risk-Score sein könnten. „Wenn künftig Unternehmen mit einem ESG-Risk-Score von „hoch“ oder „sehr hoch“ dem DAX nicht mehr angehören dürften, könnten prominente Namen wie BAYER, Volkswagen und RWE nicht mehr dem DAX angehören“, erklärt Brühl.

Die Deutsche Börse selbst hat im März dieses Jahres mit dem DAX 50 ESG einen neuen Index eingeführt, bei dem auch ESG-Kriterien einfließen. Auch wenn die Einführung spezifischer Nachhaltigkeitsindizes wünschenswert ist, ersetzt dies nach Auffassung von Brühl nicht eine Reform der jeweiligen Leitindizes wie hierzulande des DAX. „Eine Neugestaltung wichtiger Aktienindizes kann einen Beitrag dazu leisten, dass mehr Kapital in nachhaltig wirtschaftende Unternehmen und Sektoren fließt. Denn die Einführung eines ESG-Kriteriums für den DAX würde starke Anreize bei den Unternehmen setzen, Nachhaltigkeitsaspekte stärker als bisher in ihrer Strategie zu berücksichtigen“, erläutert Brühl.

* Prof. Dr. Volker Brühl, Center for Financial Studies, Goethe-Universität Frankfurt

Das Working Paper von Prof. Brühl können Sie hier downloaden