Allianz Pulse 2020: Schlechte Aussichten

München (3.9.20) – Die zweite Ausgabe des “Allianz Pulse”, einer Umfrage zur Stimmung in Deutschland, Frankreich und Italien, offenbart tiefen Pessimismus: 82% der französischen, 77% der italienischen und 49% der deutschen Befragten halten die Wirtschaftsaussichten für schlecht. Und weiter:

  • Die Ablehnung der EU hat sich weiter verfestigt: In allen drei Ländern erwartet die Mehrheit der Befragten weniger Solidarität zwischen den EU-Mitgliedern und die EU-Skeptiker sind in der Mehrzahl – erstmals auch in Deutschland
  • Mit Blick auf die Digitalisierung bleibt die Frage der Datensicherheit das größte Problem für 42% der Befragten in Deutschland (Frankreich: 37% und Italien: 28%); die Konsequenz: rund ein Drittel der Befragten in allen drei Ländern lehnt es ab, persönliche Daten über eine Corona-App zu teilen
  • Klimawandel steht ganz oben auf der Agenda – aber die Bereitschaft für klima-freundliche Produkte mehr zu bezahlen ist eher niedrig: 44% der deutschen Befragten sind dazu nicht bereit (Frankreich: 46% und Italien: 36%)

Für die zweite Ausgabe des „Allianz Pulse“ wurde in allen drei Ländern eine repräsentative Stichprobe von jeweils 1000 Menschen zu ihrer Einstellung zu Politik, Wirtschaft und persönlichen Zielen befragt.

 

Ansteckungsrisiko: politische Apathie

Eine Umfrage so kurz nach der schwersten Krise, die die meisten Teilnehmer erlebt haben dürften, ist kaum geeignet, nette Ergebnisse zu produzieren. Das Ausmaß des Pessimismus überrascht dennoch. Wie erwartet fällt die Einschätzung der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage miserabel aus: 59% der deutschen Befragten halten sie für schlecht, gegenüber 30% im Vorjahr. Die Lage ist noch schlechter in Frankreich (81%) und Italien (80%). Aber auch die Zukunftsaussichten werden in ebenso düsteren Farben gesehen, vor allem in Frankreich (82%) und Italien (77%); aber selbst nahezu die Hälfte der deutschen Befragten (49%) haben wenig Hoffnung auf Besserung in naher Zukunft. Dieser tiefe Pessimismus steht dabei im Kontrast zu der Tatsache, dass die große Mehrheit der deutschen Befragten (65%) angibt, von der Krise nicht getroffen zu sein, zumindest wirtschaftlich (Frankreich: 62% und Italien: 57%). Und 74% der Befragten in Deutschland sagen, dass sie mit dem Regierungshandeln während der Krise zufrieden seien (Frankreich: 47% und Italien: 58%). „Der Kampf gegen die Ausbreitung von Covid-19 war relativ erfolgreich“ sagt Ludovic Subran, Chefvolkswirt der Allianz. „Mehr noch, Unternehmen und Mitarbeiter haben sich in Rekordzeit auf die Lockdowns eingestellt. Während dies in der Wirtschaft eine gewisse Aufbruchsstimmung entfacht hat und Neues ausprobiert wird, zum Beispiel neue Arbeitsformen, ist in der politischen Sphäre davon kaum etwas zu spüren: Kein Optimismus, kein Glaube an Veränderung und Aufbrechen verkrusteter Strukturen. Stattdessen scheinen viele Befragte in eine Art politische Apathie zu verfallen, das Zukunftsvertrauen hat einen neuen Tiefpunkt erreicht.“

 

Corona und die EU: eine verschwendete Krise?

Dieser tiefe Pessimismus strahlt auch auf die EU aus. Trotz der Einigung auf den EU Wiederaufbaufonds – der nicht nur einen Wendepunkt im gemeinsamen Kampf gegen die Pandemie sondern generell auch in der Arbeitsweise der EU bedeuten könnte – denkt eine Mehrheit der Befragten in allen drei Ländern – 54% in Frankreich, 52% in Deutschland und 61% in Italien –, dass die Solidarität unter den EU-Mitgliedern wegen Corona abnehmen werde. Diese Skepsis findet sich auch in der Bewertung des Wiederaufbaufonds selbst wieder. 37% der deutschen Befragten lehnen die Entscheidung über gemeinsame Schulden und Verteilung als Zuschüsse ab; nur 17% sehen darin ein Modell für die Zukunft (der Rest sieht darin eine akzeptable einmalige Notmaßnahme oder ist unentschieden). Während einige Politiker die Einigung euphorisch als „Hamilton-Moment“ der EU begrüßt haben, zeigt sich die große Mehrheit der Befragten eher unbeeindruckt. Es scheint ein tiefes Misstrauen gegenüber der EU zu bestehen – mittlerweile wohl auch in Deutschland. Dieses Jahr sind die EU-Skeptiker nicht nur in Frankreich und Italien in der Überzahl (Nettoprozentsatz von -19% bzw. -17%), sondern auch in Deutschland: 31% der Befragten in Deutschland haben ein negatives Bild der EU, gegenüber 27% mit einem positiven Image (33% sind neutral und 9% unentschieden). Im Vorjahr noch lagen die EU-Befürworter mit 14 Prozentpunkten vorne.

 

Keine Digitalisierung bitte, wir sind Franzosen

Aufgrund der Erfahrungen im Lockdown wäre zu erwarten, dass sich die Befragten nahezu enthusiastisch über die Segnungen der Digitalisierung äußern. Fehlanzeige. Die Antworten fallen nahezu identisch zum Vorjahr aus – wobei sich die französischen Befragten nahezu digitalisierungsfeindlich äußern: Nur 20% sehen mehr Vorteile in der Digitalisierung, gegenüber 23%, die mehr Nachteile sehen. In Deutschland und Italien dagegen übertreffen die Digitalisierungsbefürworter diejenigen mit ablehnender Haltung bei Weitem (Nettoprozentsatz von 25% bzw. 29%). Nichtsdestotrotz, die deutschen Befragten bleiben besorgt über die Datensicherheit: 42% von ihnen (Frankreich: 37% und Italien: 28%) sehen den Umgang mit ihren Daten im Internet als problematisch an. Dieses fehlende Vertrauen hat handfeste Konsequenzen für den Kampf gegen die Pandemie: Ungefähr ein Drittel der Befragten in jedem Land – 38% (Frankreich), 34% (Deutschland) und 27% (Italien) – lehnen es ab, persönliche Daten zur Nachverfolgung von Infektionswegen über eine Corona-App zu teilen.

 

Klimawandel, die eigentliche Gefahr?

Das Thema Klimaschutz steht bei den Befragten hoch oben auf der Agenda. Gefragt, verschiedene gesellschaftliche Ziele einzuordnen, geben 31% der deutschen Befragten dem Klimaschutz die höchste Priorität (Frankreich: 34% und Italien: 31%). Arbeitsplätze folgen mit großem Abstand, 19% der Befragten setzen dieses Ziel an die erste Stelle (Frankreich: 24% und Italien: 19%). Ein Drittel der Befragten liegt dabei allerdings etwas unter den Erwartungen. Und die Dominanz des Zieles Klimaschutz relativiert sich weiter, wenn nicht nur die erste Stelle, sondern die ersten drei Stellen in den Blick genommen werden. Klimaschutz landet bei 58% der deutschen Befragten unter den Top-3-Prioritäten – das Ziel Arbeitsplätze bei 60% (Frankreich: 63% vs. 62%, und Italien: 59% vs. 58%). Die Einigkeit unter den Befragten in allen drei Ländern ist bemerkenswert: Eine Mehrheit der Befragten ist nicht bereit, dem Klimaziel alles andere unterzuordnen. Der Geist der Gelbwesten ist nach wie vor lebendig. Dies unterstreicht auch eine andere Frage zum Thema, die nach der Zahlungsbereitschaft für klimafreundliche Produkte. 44% der deutschen Befragten geben an, nicht bereit zu sein, für klimafreundliche Produkte mehr zu bezahlen (Frankreich: 46% und Italien 36%). Auch eher ernüchternd: Ein gutes Drittel der Befragten – 39% (Frankreich), 35% (Deutschland) und 32% (Italien) – lehnen höhere Preise für Benzin und damit auch das Konzept einer CO2-Steuer rundweg ab. „Viele Politiker und Ökonomen sehen in der Erholung post Corona eine große Chance für die Klimapolitik, für eine Beschleunigung der grünen Transformation“, sagt Arne Holzhausen, Co-Autor der Studie. „Aber der diesjährige Allianz Pulse zeigt, dass das Thema auch nach Corona heikel bleibt. Zu tiefen Einschnitten scheinen die wenigsten bereit. Nach dem pandemie-bedingten wirtschaftlichen Einbruch der letzten Monate ist dies auch kaum verwunderlich. Klimapolitik bleibt eine Gratwanderung zwischen dem gesellschaftlich Wünschenswerten und dem persönlich Akzeptierbaren. Es gibt keine einfache Lösung. Es wäre dabei fatal, die Erfahrungen der Corona-Krise fehl zu interpretieren und der Versuchung des vermeintlich reuelosen Schuldenmachens zu erliegen. Dies wäre ein Pyrrhus-Sieg der Generation Greta – die am Ende die Zeche zahlen muss.“

 

Was werden die Konsequenzen der Corona-Krise für die EU sein? Die Solidarität zwischen den Mitglieder wird …
Antworten in %

 

Frankreich

stärker werden

22

schwächer werden

54

unentschieden

24

Deutschland

stärker werden

23

schwächer werden

52

unentschieden

25

Italien

stärker werden

22

schwächer werden

61

unentschieden

17

 

 

Die EU plant, gemeinsame Schulden zu begeben und als Zuschüsse an Mitglieder zu verteilen. Wie denken Sie über diesen Plan?

Antworten in %

 

Frankreich

richtig – Modell für die Zukunft

19

einmalige Notmaßnahme

33

falsch oder problematisch

30

unentschieden

18

Deutschland

richtig – Modell für die Zukunft

17

einmalige Notmaßnahme

38

falsch oder problematisch

37

unentschieden

8

Italien

richtig – Modell für die Zukunft

34

einmalige Notmaßnahme

31

falsch oder problematisch

21

unentschieden

14