Ernst & Young zum Neuwagenmarkt: Historischer Einbruch im April – Hoffnung auf Besserung im Mai

 Frankfurt/Main (6.5.20) – Der Neuwagenabsatz sank im April um 61 Prozent – der stärkste je in Deutschland registrierte Absatzrückgang. Die wichtigsten Entwicklungen im April:

  • Erneut historisches Absatzminus in Deutschland: Nie zuvor ist der Neuwagenabsatz innerhalb eines Monats so stark gesunken wie im März: um 61 Prozent auf knapp 121.000 Fahrzeuge. Und nie zuvor seit Beginn der 2000er Jahre wurden in einem Monat so wenige Neuwagen zugelassen. Der Grund für den Einbruch waren die staatlich verordneten Schließungen der Autohäuser, die in den meisten Bundesländern erst seit dem 20. April wieder geöffnet haben dürfen. Zudem hatten viele Zulassungsstellen ihren Betrieb eingeschränkt. „Die Wiedereröffnung der Autohäuser hat geholfen, einen noch massiveren Absturz zu verhindern und für eine Stabilisierung auf sehr niedrigem Niveau gesorgt“, sagt Peter Fuß, Partner bei EY.

  • Noch stärkere Einbußen in anderen europäischen Ländern: Noch deutlich stärkere Rückgänge bei den Neuzulassungen zeigen sich in Ländern wie Frankreich, Spanien und Italien: In Frankreich sanken die Neuzulassungen um 89 Prozent, in Irland um 96 Prozent, in Spanien um 97 Prozent und in Italien um 98 Prozent. „Im Süden Europas und in Großbritannien ist der Neuwagenmarkt praktisch tot, und im Mai wird die Situation dort nur unwesentlich besser werden“, erwartet Fuß. Ähnlich starke Rückgänge wie Deutschland verzeichneten Österreich (minus 65 Prozent) und die Schweiz (minus 67 Prozent).
  • In Deutschland bessere Entwicklung in den nächsten Monaten erwartet: Der Rückgang bei den Neuzulassungen wird in Deutschland im Mai hingegen nicht so stark ausfallen wie im April, erwartet Fuß: „Die Autohäuser sind inzwischen wieder offen, die Situation entspannt sich, die Menschen gehen wieder häufiger shoppen. Im Zuge der allgemeinen Lockerungen werden sich auch wieder mehr Kunden in die Autohäuser trauen – wir sehen da bereits eine Tendenz zur Normalisierung“, sagt Fuß. Zunehmend zeigten sich inzwischen allerdings die erheblichen konjunkturellen Auswirkungen der Corona-Krise, so Fuß: „Die Situation auf dem Arbeitsmarkt wird sich mit Sicherheit weiter verschlechtern, wir werden mehr Insolvenzen und Unternehmensschieflagen sehen. Das wird das Verbrauchervertrauen und damit auch die Bereitschaft, einen Neuwagen zu kaufen, erheblich bremsen. Und auch Unternehmen werden sehr vorsichtig bei neuen Leasingverträgen sein. Obendrein werden sich auch die mehrwöchigen Werkschließungen und der nur langsame Neustart der Produktion auf das Angebot an Neuwagen auswirken. All diese Faktoren werden den Pkw-Absatz im weiteren Jahresverlauf massiv negativ beeinflussen“.
  • Entscheidung über Kaufprämie möglichst rasch! „Die aktuelle Diskussion über eine mögliche Kaufprämie führt dazu, dass potenzielle Käufer lieber abwarten und die Kaufentscheidung verschieben – das ist genau das, was die Branche derzeit nicht gebrauchen kann. Hier wäre es sehr hilfreich, wenn möglichst schnell für Klarheit gesorgt wird“, fordert Fuß. Die Vertagung auf Anfang Juni werde die Lage in den kommenden Wochen zusätzlich belasten, erwartet Fuß.
  • Generell könne eine Kaufprämie durchaus ein wichtiger Impuls sein, meint Fuß: „Eine Kaufprämie kann die Kaufbereitschaft der Kunden erheblich beeinflussen – das hat die Abwrackprämie im Jahr 2009 gezeigt. Ein ähnlich starker Impuls wäre in der aktuellen Situation extrem hilfreich – nicht nur für die Autohersteller, die zurzeit im Zentrum der Diskussion stehen, sondern auch für Zulieferer und angrenzende Branchen, die derzeit massiv leiden. Obendrein käme eine Kaufprämie auch Herstellern aus anderen Ländern zugute und hätte damit europaweit einen positiven konjunkturellen Effekt“, betont Fuß.
  • Jetzt auch Rückgänge bei Elektroautos: Im März konnten Elektroautos dem negativen Markttrend noch trotzen und bei den Neuzulassungen weiter zulegen. Im April hingegen schrumpfte auch der Absatz rein elektrisch betriebener Neuwagen: um 3 Prozent. Bei Plug-in-Hybriden stiegen die Neuzulassungen hingegen weiter – um 87 Prozent (im März hatte das Wachstum allerdings noch bei 173 Prozent gelegen).Der Marktanteil stieg bei Elektroautos um 2,3 Prozentpunkte auf 3,8 Prozent und bei Plug-in-Hybriden um 3,7 Prozentpunkte auf 4,6 Prozent. „Auch Elektroautos müssen produziert werden – wir sehen in diesem Segment ganz klar die Auswirkungen der Fabrikschließungen, denn genug Bestellungen liegen eigentlich vor“, sagt Fuß. „Mit dem Anlaufen der Produktion im laufenden Monat werden die Neuzulassungen von Elektroautos, die zum großen Teil vor der Krise bestellt wurden, wieder deutlich steigen. Allerdings werden sich auch in diesem Segment natürlich konjunkturelle Faktoren negativ auswirken.“
  • Aufgrund des gestiegenen Marktanteils von elektrifizierten Neuwagen sank der durchschnittliche CO2-Ausstoß der Neuwagenflotte: im Vergleich zu April 2019 von 158,6 g/km auf 150,9 g/km.

Ausblick: Im günstigsten Fall Absatzrückgang um 15 Prozent

  • Im bisherigen Jahresverlauf liegt der deutsche Neuwagenmarkt um 31 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Die Kaufzurückhaltung von gewerblichen und privaten Kunden wird nach Fuß‘ Einschätzung den deutschen Neuwagenmarkt auch im weiteren Jahresverlauf erheblich belasten: „Die weitere Entwicklung auf dem Neuwagenmarkt hängt von drei Faktoren ab: Der Verbreitung des Coronavirus in Deutschland, den konjunkturellen Auswirkungen und einer Kaufprämie. Im günstigsten Fall – wenn es also gelingt, die die Virusausbreitung einzudämmen, Masseninsolvenzen und -entlassungen zu verhindern und zügig eine einfach gestaltete Kaufprämie zu etablieren – sinkt der Neuwagenabsatz nach unserer Einschätzung in diesem Jahr um
    15 Prozent. Aber auch deutlich stärkere Einbußen sind absolut möglich, vor allem, wenn es zu der befürchteten zweiten Ansteckungswelle mit einem erneuten Lockdown kommt“, sagt Fuß.