Ernst & Young: Schwacher Jahresauftakt auf dem EU-Neuwagenmarkt – Konjunktur- und Brexit-Sorgen dämpfen die Kauflaune

Frankfurt/Main (15.2.19) – Der europäische Neuwagenmarkt ist schwach ins neue Jahr gestartet – die Neuzulassungen in der EU sanken im Dezember um knapp 5 Prozent. Alle großen Märkte lagen im Minus – zum Teil nur leicht wie Deutschland, Frankreich und Großbritannien, zum Teil aber auch deutlich wie Italien und Spanien.

Die anhaltend schwache Marktentwicklung ist laut Peter Fuß, Partner bei EY, auf mehrere Faktoren zurückzuführen: „Nach wie vor sehen wir bei einigen Marken WLTP-bedingte Lieferschwierigkeiten, die offenbar langwieriger sind als zunächst erwartet. Wenn diese Zertifizierungs- und Lieferschwierigkeiten allerdings behoben sein werden, wird es voraussichtlich gegenläufige Aufholeffekte geben, die den Markt leicht stützen können. Auf der anderen Seite haben sich aber die konjunkturellen Aussichten zuletzt deutlich eingetrübt, so dass die generellen Rahmenbedingungen auf dem Neuwagenmarkt längst nicht mehr so günstig sind wie noch vor einem Jahr. In Italien und Großbritannien sind die gewerblichen Neuzulassungen im Januar beispielsweise um etwa ein Drittel gesunken, was auf eine stark gesunkene Investitionsbereitschaft der Unternehmen schließen lässt.“

Für Verunsicherung sorge zudem der nahende Brexit, so Fuß: „Der Brexit-Poker wird vermutlich bis unmittelbar vor dem Austrittstermin anhalten – damit steht noch mehr als ein Monat Ungewissheit und Verunsicherung bevor. Ein harter Brexit liegt immer noch im Bereich des Möglichen und dürfte erhebliche wirtschaftliche Turbulenzen zur Folge haben. Das würde auch den Neuwagenmarkt treffen.“

Diesel-Absatz weiter kräftig unter Druck – nur in Deutschland nicht

Auch im Januar setzte sich der Abwärtstrend beim Absatz von Diesel-Neuwagen fort: Die Neuzulassungen von Diesel-Pkw in den fünf größten EU-Märkten (Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Spanien) sanken insgesamt um 19 Prozent, nachdem sie im Jahr 2018 bereits um 19 Prozent eingebrochen waren – der Absturz setzt sich also ungebremst fort. Der Diesel-Marktanteil schrumpfte in diesen fünf Ländern gegenüber Januar 2018 um 6,6 Prozentpunkte auf 34,1 Prozent. Massive Absatzrückgänge waren vor allem in Spanien (minus 36 Prozent), Italien (minus 31 Prozent) und Großbritannien (minus 20 Prozent) zu verzeichnen. Gegen den Trend – und erstmals seit Ausbruch der Dieselkrise im Jahr 2015 – konnte der Diesel in Deutschland hingegen im Januar wieder Marktanteile gewinnen: Die Neuzulassungen von Dieselfahrzeugen stiegen um 2 Prozent, während der Absatz benzinbetriebener Pkw um 8 Prozent sank.
„In Deutschland sehen wir seit einigen Monaten eine Stabilisierung auf niedrigem Niveau, während der Abwärtstrend für den Diesel in anderen Ländern ungebremst anhält. In Spanien und Großbritannien ist der Diesel-Marktanteil inzwischen sogar unter die 30-Prozent-Marke gesunken.“
Die sinkende Bedeutung des Diesel-Antriebs habe erhebliche negative Folgen für die CO2-Emissionen der Neuwagenflotte, so Fuß: „Die sehr ambitionierten Vorgaben der EU werden – wenn überhaupt – nur noch über einen erheblichen Anstieg der Neuzulassungen von Elektrofahrzeugen zu erreichen sein.“
Absatz von Elektrofahrzeugen steigt im Januar erneut deutlich
Im Januar stieg der Absatz von Elektroautos (einschließlich Plug-in-Hybriden) in den Top-5-Märkten um 29 Prozent. Der Marktanteil kletterte trotz dieses deutlichen Wachstums aber nur von 1,4 auf 1,9 Prozent. Insgesamt wurden in den fünf Ländern gut 16.000 Elektroautos neu zugelassen.
Von den sechs analysierten Absatzmärkten (Top 5 sowie Österreich) weist Frankreich mit 2,7 Prozent den höchsten Marktanteil von Elektrofahrzeugen auf, während in Italien gerade einmal 0,3 Prozent der Neuwagen elektrisch fahren.
„Die Elektromobilität kommt nur langsam voran“, beobachtet Fuß. „Die Zuwachsraten sind zwar auf den ersten Blick durchaus beeindruckend, in absoluten Zahlen ist das Marktvolumen aber nach wie vor sehr überschaubar. Wir rechnen allerdings mit einer deutlich zunehmenden Dynamik – vor allem im Lauf der kommenden Jahre, wenn endlich auch von den deutschen Herstellern attraktive Elektroautos auf den Markt kommen. Diese neuen Modelle haben das Potenzial, gerade als Dienstwagen achtbare Marktanteile einzufahren.“
Etliche grundsätzliche Probleme verhindern aber bis auf weiteres, dass sich Elektroautos stärker am Markt durchsetzen – abgesehen davon, dass bislang nur relativ wenige attraktive Modelle tatsächlich verfügbar sind: „Die Reichweiten der rein elektrisch betriebenen Autos sind für den Alltagsbetrieb immer noch zu gering, die Ladeinfrastruktur ist nach wie vor unzureichend. Hier werden in den kommenden Jahren noch erhebliche Anstrengungen und Investitionen – etwa in zusätzliche Ladesäulen – nötig sein. Erst wenn tatsächlich eine flächendeckende Ladeinfrastruktur existiert, wird die Hemmschwelle auch bei Privatkäufern sinken.“
Für die Hersteller stehe viel auf dem Spiel, so Fuß: „Der derzeitige Absatzboom bei Benzinern lässt das Erreichen der ambitionierten CO2-Ziele in weite Ferne rücken und damit hohe Milliardenstrafen immer wahrscheinlicher werden. Also haben die Unternehmen ein großes Interesse daran, dass sich Elektroautos schnellstmöglich am Markt durchsetzen. Die Elektromobilität ist also zum Erfolg verdammt – auch wenn die Kosten – Milliardeninvestitionen, deutlich höhere Anschaffungskosten für die Käufer, niedrigere Margen für die Hersteller und zunehmende Abhängigkeit von asiatischen Batterieherstellern – hoch sind.“