Ernst & Young: Deutscher Neuwagenmarkt schwächelt zum Jahresende – für 2019 kein Wachstum erwartet

Stuttgart (4.1.19) – Der deutsche Neuwagenmarkt spürt immer noch die Nachwehen der WLTP-Umstellung: Im Dezember ging die Zahl der Pkw-Neuzulassungen im vierten Monat in Folge deutlich – um 7 Prozent – zurück. Peter Fuß, Partner bei EY: „Das Modellangebot ist bei einigen Herstellern nach wie vor eingeschränkt – es sind immer noch nicht alle Modelle zertifiziert und lieferbar. Entsprechend verschieben viele Kunden ihre Kaufentscheidung.“ Von den größeren Marken verzeichneten vor allem Peugeot, Renault, Seat, Skoda und Volkswagen deutliche Einbußen (Peugeot: -43%; Renault: -21%, Seat: -15%, Skoda: -12%, VW:-11%).

Neben der offenbar weiterhin problematischen Modellverfügbarkeit bei einigen Herstellern wirkten sich im Dezember auch Kalendereffekte negativ aus: Der Dezember hatte 2018 in Deutschland nur 17 Verkaufstage, im Vorjahr waren es 19 gewesen.

Im vierten – stark WLTP-beeinflussten – Quartal gingen die Neuzulassungen in Deutschland um 8 Prozent zurück, nachdem sie in den drei ersten Quartalen des Jahres immerhin um 2,4 Prozent gestiegen waren. Die schwache Entwicklung im Schlussquartal sorgte auch für einen leichten Rückgang der Pkw-Neuzulassungen im Gesamtjahr (um 0,2 Prozent).

Auch außerhalb Deutschlands war der Dezember-Absatz rückläufig: In Spanien gingen die Neuzulassungen um 3,5 Prozent zurück, in der Schweiz um 11,4 Prozent. Frankreich verzeichnete ein Minus von 14,5 Prozent, Österreich sogar von 25 Prozent. Ein Mini-Plus von 0,4 Prozent gab es allein auf dem italienischen Markt.

Ausblick: Nachholeffekte könnten für Wachstum sorgen – aber Konjunkturrisiken nehmen zu

Wenn im Frühjahr tatsächlich alle Hersteller die WLTP-Zertifizierungen abgeschlossen und sich die Lieferzeiten normalisiert haben, dürften allein die Nachholeffekte dem Neuwagenmarkt einen gewissen Schub verleihen, erwartet Fuß. „Wir gehen von einem relativ guten ersten Quartal aus – allerdings könnte sich die Nachfrage bei einem weiteren Konjunkturabschwung rasch wieder eintrüben. Obendrein stellt der Brexit ein erhebliches Risiko dar: Sollte es zu einem No-Deal-Brexit kommen, würde das auch auf die Investitionsbereitschaft der Unternehmen und die Kauflaune der Privatpersonen durchschlagen“, erwartet Fuß.

Selbst wenn derartige Schocks ausbleiben, wird der Neuwagenmarkt im Jahr 2019 wohl keine großen Sprünge machen, so Fuß: „Unterm Strich wäre ein Neuwagenabsatz auf dem Niveau des Vorjahres schon ein guter Erfolg – mehr wird angesichts der konjunkturellen Lage nicht drin sein.“

Dieselantrieb im Jahr 2018 massiv unter Druck

Im Jahr 2018 sanken die Neuzulassungen von Diesel-Pkw um 17 Prozent. Mit 1,1 Millionen Diesel-Neuwagen lag das Absatzniveau auf dem niedrigsten Stand seit dem Jahr 2000. Der Diesel-Marktanteil bei Neuwagen schrumpfte im Vergleich zum Vorjahr von 38,8 auf 32,3 Prozent. Zum Vergleich: Noch im Jahr 2015 war fast jeder zweite Neuwagen (48 Prozent) ein Selbstzünder gewesen.

„Der Dieselantrieb stand 2018 stark unter Druck – und es steht zu befürchten, dass es auch im neuen Jahr zu Absatzeinbußen kommt, sofern nicht endlich Klarheit und Rechtssicherheit geschaffen werden.“ Mitte Dezember hatte ein EU-Gericht in Luxemburg entschieden, dass die EU-Kommission Stickoxid-Grenzwerte für Autos der Norm Euro-6 zu Unrecht einseitig neu berechnet habe – was zu Befürchtungen führt, dass in Zukunft sogar Euro-6-Diesel von Fahrverboten betroffen sein könnten. „Die Serie der Hiobsbotschaften für den Diesel reißt nicht ab – das ist Gift für den Diesel-Absatz“, sagt Fuß. „Auch wenn neue Dieselmotoren der Euro 6d-Temp-Norm sauber und hoch effizient sind, wird es in den kommenden Monaten und Jahren kaum gelingen, in größerem Umfang Marktanteile für den Diesel zurückzugewinnen.“

Eine Folge des sinkenden Diesel-Marktanteils ist ein steigender CO2-Ausstoß der Neuwagenflotten, da Dieselmodelle weniger CO2 ausstoßen als Benzin-Pkw. Also werden hohe Strafzahlungen immer wahrscheinlicher, denn bis 2021 sollen die CO2-Emissionen der Pkw-Neuwagenflotten in der EU im Schnitt auf 95 Gramm je Kilometer sinken. „Die Autoindustrie steuert auf Milliarden-Strafzahlungen zu“, warnt Fuß. „Und es steht nur sehr begrenzt in ihrer Macht, den CO2-Ausstoß ihrer Flotten kurzfristig zu verringern, denn die Käufer entscheiden sich zunehmend gegen den Diesel – gleichzeitig aber für SUVs mit relativ hohem Verbrauch“. Der einzige Ausweg sei eine deutliche Zunahme der Verkäufe von Elektrofahrzeugen.

 

Neuzulassungen von Elektroautos steigen kräftig

Die Neuzulassungen von Elektrofahrzeugen stiegen im vergangenen Jahr in Deutschland immerhin um 44 Prozent, im Dezember lag das Wachstum allerdings nur bei 12 Prozent – in einem schrumpfenden Gesamtmarkt.
Trotz der beeindruckenden Wachstumszahlen bleibt der Marktanteil von Elektrofahrzeugen bescheiden: Er stieg 2018 im Vergleich zum Vorjahr von 0,7 auf 1,0 Prozent. „Der Absatz von Elektroautos legt zwar kräftig zu, allerdings ist die Ausgangsbasis weiterhin sehr niedrig. Selbst wenn das Absatzwachstum von Elektroautos 2019 ähnlich stark ausfallen sollte wie im vergangenen Jahr, läge der Marktanteil nur bei knapp 2 Prozent. Für den Durchbruch auf dem Massenmarkt braucht es also noch deutlich kräftigere Impulse.“
Nach wie vor sei die Auswahl tatsächlich verfügbarer und einigermaßen bezahlbarer Modelle begrenzt, so Fuß. Zudem sei die Reichweite bei den meisten Fahrzeugen unzureichend, was vor allem angesichts der hierzulande unzureichenden Ladeinfrastruktur ins Gewicht falle, so Fuß. Allerdings komme derzeit Bewegung in den Markt: „Gerade die deutschen Hersteller haben bald interessante neue Modelle im Angebot – vom elektrischen Stadtflitzer bis zu Oberklasse-SUVs –, die das Potenzial haben, tatsächlich zu Bestsellern zu werden.“
Fuß ist sich sicher: „Der Umstieg von Autos mit Verbrennungsmotoren auf E-Antriebe wird mittelfristig massiv an Dynamik gewinnen – nicht zuletzt weil die Autokonzerne ein starkes finanzielles Interesse daran haben, ihren Absatz von Elektroautos deutlich in die Höhe zu schrauben. Wenn auch die Ladeinfrastruktur weiter wächst, kann der Elektro-Marktanteil binnen fünf Jahren durchaus zweistellig werden.“