Euro-Wegweiser: Für eine Weltwährung kann der Euro nur eine extrem kurze Geschichte vorweisen. Ihm wird aber eine große Zukunft vorhergesagt. Warten wir es ab. Europa hängt dran. Sein deutsches historisches Fundament hat bis zu 1000-jährige Wurzeln. – Und jetzt sollen über diesen Amboss auch noch die Etats der EU-Staaten geschmiedet werden. Einer zahle des Nachbarn Schulden. Das kann zum Untergang der EU führen. In seinem Buch „10 Jahre Euro, wie er wurde, was er ist“ beschäftigt sich Christoph Wehnelt mit der Vergangenheit, aber immer mit Blick auf die Zukunft und warnt. – 4. Teil

 

Hummrich und die Wacht am Main

(ein Szenario)

Für die „Wacht am Main“ steht seit Jahren Günther Hummrich im Rentenhändler-Saal der Frankfurter Börse. Er ist der Degen der Bundesbank am Kapitalmarkt. Mit drei Kollegen operiert er im Namen der Zentralbank,  kauft und verkauft im Auftrag der Bundesbank öffentliche Anleihen, Anleihen des Bundes, der Bahn und der Post. Er betreut aber auch zur „Kurspflege“ Emissionen der Kredit- anstalt für Wiederaufbau und der Lastenausgleichsbank, die beide Staatsbanken sind, also dem Bund gehören. Seine Geschäftspartner sind die vier Makler, die wenige Schritte vom Bundesbank-Büro entfernt, rechts hinter der Rampe, mit diesen öffentlichen Anleihen makeln, Angebote von den Händlern entgegennehmen und Käufer für die wert- volle Ware suchen. Sie gleichen, und das ist ihre Aufgabe, Angebot und Nachfrage aus. Für ihre Bemühungen kassie- ren auch sie Courtage. Je besser die Umsätze laufen, umso besser sind die Einnahmechancen, genau so wie bei den Kollegen am Aktienmarkt. Mit Hummrich müssen sie sich von Amts wegen gutstellen. Aber sie tun es auch von ganzem Herzen des Geschäftsmannes, abgesehen davon, dass sie ihn, Hummrich, und seine trockene Art hoch schätzen und manchen Spaß mit ihm treiben.

Hummrich hat eine doppelte Aufgabe: Erstens muss er die Kurse der ihm anvertrauten Anleihen pflegen. Der Bund als Emittent (aber auch die andere Großkundschaft) möchte nicht, dass der Kurs seiner Papiere täglich wie ein Lämmer- schwänzchen hin- und herzappelt. Er soll ruhig liegen und nur gemächlich auf- und abwogen, wie es der breite Strom der Zinsentwicklung verlangt. Zur Kurspflege wird Mate- rial benötigt. Dazu gehören die Millionen, die beim Ankauf hereinkommen. Aber schon ganz zu Anfang reserviert sich die Bundesbank bei jeder Emission einen bestimmten Betrag

–  20, 30 oder 50 Millionen DM. Zur besseren Spekulanten- Abwehr bevorzugt der Bund neuerdings sogenannte Wert- rechtsanleihen, bei denen die einzelnen Anleihestücke nicht ausgedruckt werden. Wertrechte werden dem Käufer gutge- schrieben. Der Vorteil liegt einerseits in der Ersparnis der Druckkosten und ausländische D-Mark-Spekulanten kön- nen so besser abgewehrt werden. Tafelgeschäfte heißen die über den Tresen abgewickelten Wertpapierverkäufe oder auch Koffergeschäfte. Es ist nämlich Mode geworden, Wert- papiere  und  Bargeld  kofferweise  nach  Luxemburg,  in die Schweiz oder Frankreich zu schleppen, nachdem man sich vorher bei der eigenen Bank damit eingedeckt hat.

Damit hat Hummrich aber nichts zu tun. Er und seine Kollegen würden sich längst zu Tode geschleppt haben, wollten sie ihre Anleihegeschäfte physisch abwickeln. Sind es Wertrechte, bei denen sie intervenieren, dann handelt es sich um elektronische Buchungsvorgänge nach dem Kauf an der Händler-Rampe. Sind es aber ausgedruckte Stücke, wer- den die Anleihen auch nicht bewegt, sondern entsprechende Gut- und Lastschriften über die Wertpapiersammelbank ausgetauscht, die dann in ihrem Keller die Papiere den jewei- ligen Besitzern zurechnet und den Verkäufern abzieht.

Neben der Kurspflege hat Hummrich eine noch viel wich- tigere Aufgabe. Er muss Offenmarktpolitik betreiben. Mit seinen Wertpapierkäufen und -verkäufen versucht er den Kapitalmarkt in eine bestimmte Richtung zu drängen. Sicherlich ist das nicht seine eigene Politik, die er so betreibt. Er weiß oftmals gar nicht, ob er gerade im Auftrag und für Rechnung der Emittenten Kurse pflegt, oder aber im Auf- trag seiner Oberen und für Rechnung der Bundesbank Offenmarktpolitik betreibt.

Die Geldpolitik der Deutschen Bundesbank macht natürlich der Zentralbankrat. Nach den jeweiligen Zentralbankratsbe- schlüssen setzt dieses Direktorium in persona von Prof. Claus Köhler den Hauptabteilungsleiter, Kurt Andreas, von seinen Absichten in Kenntnis. Es geht also um Einflussnahme über die Börse. Andreas bespricht sich mit seinen Abteilungsleitern und setzt Walter Reinhardt auf die Schiene, der dann die gewünschte Marschrichtung Günther Hummrich verklickert. Der Instanzenweg von oben nach unten kann Tage dauern. Aber es geht auch in Minuten.

Um 12.30 Uhr stellt Hummrich bei seinen Maklern fest, dass ein sehr großes Angebot seitens der Kundschaft vorliegt. Viele Banken wollen eine ganze Reihe von Rentenwerten in hohen Volumina verkaufen. Alles deutet auf Zinssteigerungen hin. Hummrich winkt seinen Kollegen Wolfgang Karbach herbei: „Mach’ du mal weiter, aber nicht in diesen und jenen Bundesanleihen.“ Zu Makler Faust: „Wir stoppen hier. Ich bin bald wieder zurück.“ Hummrich informiert Reinhardt. Dieser gibt Meldung an Andreas und stellt sofortigen Kontakt zu den Rentenhändlern der Landeszentralbanken in den übri- gen sieben deutschen Börsen her und befragt sie: „Wie sieht’s bei euch aus?“ „Krasser Angebotsüberhang.“ Reinhardt addiert auf. Es geht über 100 Millionen DM. Selbst der so unterkühlt erscheinende Andreas wagt sich aus seiner emotio- nellen Reserve heraus: „Was ist denn eigentlich los“, faucht er? Kurzes Briefing mit Reinhardt. Andreas spricht sich mit Claus Köhler ab, dem dafür zuständigen Direktoriumsmit- glied. Die Ringleitung Köhler – Schlesinger (Chefvolkswirt und Vizepräsident) – Pöhl funktioniert. Die Absprache über die Politikänderung, zumindest der Nuancen, klappt in einer Minute. In sehr schwierigen Fällen wird eine Ad-hoc-Direkto- riumssitzung einberufen. Dann wetzt der Leiter des Präsidial- büros, Rüdiger von Rosen, von Tür zu Tür: „Der Chef  bittet zu einem kurzen Gespräch.“

Nach 12 Minuten wissen Hummrich und die Kollegen in den Börsenboxen der Landeszentralbanken, was sie zu tun oder zu lassen haben. Entweder kaufen sie zu unveränderten Kursen jede Menge auf oder lassen die Preise der Obligatio- nen abgleiten. In jeder dieser Aktionen liegt eine zinspoliti- sche Entscheidung. Kauft Hummrich jede Menge des ange- botenen Materials zu unveränderten Kursen, soll das Zinsniveau auf der bis dahin geltenden Basis gehalten wer- den. Lässt die Bundesbank den Marktkräften freien Lauf, drückt das Überangebot auf den Kurs. Dabei ändert sich der fest vereinbarte Zinssatz einer achtprozentigen Bundesan- leihe nicht, auch nicht ihr nominaler Wert von 100 DM. Wenn aber der Kapitalmarktzins auf zehn Prozent geht, muss bei niedriger (als 10 Prozent) verzinsten Anleihen der Kurswert sinken, zum Beispiel auf 80 Mark. So entsteht an der Börse die Kuriosität, dass 100-Mark-Anleihen zu 80  DM zu haben sind. Eines, das Wichtigste, ist aber justiert: die Rendite. Hummrich hat jetzt Order erhalten. Er kommt zu Faust zurück: „Wir machen weiter!“ der gewifte Humm- rich lässt sich nicht in die Karten gucken. Er camoufliert schon die Taktik. Die Strategie seiner Oberen erkennt er diesmal zunächst selbst nicht. Und wenn er sie Tage später erahnt, schweigt er. Schweigen ist das halbe Bankerleben – in der Bundesbank sowieso.

Apropos Rüdiger von Rosen. Trotz des immer wieder stram- men Auftritts wird der Extremalpinist nur in den seltensten Fällen als Laufbursch genutzt. Er ist ein bestens qualifizierter Berater des Präsidenten. Manchmal versucht er sogar die Geld- politik vorab zu formulieren, wird da aber dann doch in Zaum gehalten. Sein Chef schätzt seinen Habitus: „Herr von Rosen“, sagte er beim Rückflug von der IWF-Tagung in Belgrad, „Sie haben all das, was mir fehlt. Sie sind adlig und Reserveoffizier und haben obendrein den Doktortitel.“

 

Offenmarktpolitik historisch

 

Kurt Andreas, Hauptabteilungsleiter Geld und Kredit bei der Bundesbank, hat das Schweigen einmal gebrochen. Im Geschäftsbericht 1980 lieferte er einen historischen Abriss über die Offenmarktpolitik. Während der ersten 15 Wieder- aufbaujahre des deutschen Rentenmarktes – seit der ersten Bundesanleihe 1952 – intervenierte die Bundesbank an den Börsen ausschließlich im Auftrag und für Rechnung der Emittenten öffentlicher Anleihen, niemals auf eigene Rech- nung. Zu Käufen von Anleihen des Bundes, der Bundespost und der Bundesbahn auf eigene Rechnung kam es in nen- nenswertem Umfang erstmals im Herbst 1967, erinnert sich Andreas. Zu solchen Käufen ist die Bundesbank nach § 21 des Bundesbank-Gesetzes ermächtigt, jedoch mit der Auf- lage, dass die Offenmarktgeschäfte der Regulierung des ganz kurzfristigen Geldmarktes dienen. Die Bundesbank muss also im Falle des Erwerbs von Wertpapieren primär stets die Bereitstellung zusätzlicher Gelder (Liquidität) im Bankenapparat bezwecken. Eine ausgeprägte Phase solcher Politik war die Zeit der Rezession im Jahre 1975. Die Bun- desbank sah sich seinerzeit zur verstärkten Fortführung ihrer auflockernden Geldpolitik gezwungen, was unter anderem eine spürbare Liquiditätsanreicherung bei den Ban- ken erforderte. Da sich gleichzeitig ein lähmender Zinspessi- mismus breit machte, schaltete die Bundesbank im Spätsom- mer 1975 ihre Liquiditätsbereitstellung auf den definitiven Ankauf von Anleihen der „Bundesemittenten“ über die Börse um. Dies hatte die erwünschte Folge, dass sich die konjunkturell falschen Zinssteigerungstendenzen bald als „behebbares Stimmungstief“ am Rentenmarkt erwiesen. Die Zentralbank hatte seinerzeit Anleihen der Bundesemit-

tenten von über 7,5 Milliarden DM erworben. Am Ende die- ser Periode der konsequenten Nutzung ihrer offenmarktpoli- tischen Befugnisse hatte das Haus Pöhl mehr als ein Fünftel der damals umlaufenden Anleihen der „Bundesemittenten“ in ihrem Bestand. Aber schon im darauffolgenden Jahr konnte es seinen Wertpapierberg in die Märkte wieder einspeisen. – Im Gegensatz zur Praxis im Jahre 1975 hat die Bundesbank ihre Interventionen und/oder Offentmarktkäufe von Wertpa- pieren später aber niemals mehr zu unveränderten Kursen vorgenommen, sondern sich der jeweils herrschenden Tagestendenz lediglich im Rahmen des für richtig erachteten Maßes „entgegen gelehnt“. Kurs glättende Transaktionen, die jedoch niemals gegen den Trend oder gar zum Zwecke der Trendumkehr vorgenommen worden sind, bildeten die Regel. An der hier kurz skizzierten Entwicklung der „Regulie- rung“ des Börsenhandels von Anleihen der Bundesemittenten durch die Bundesbank im Zeitverlauf lässt sich unschwer der Bedeutungswandel der Geschäfte erkennen. Die zunächst nur der Kurspflege dienende Beteiligung der Bundesbank an den Börsengeschäften wuchs im Zusammenhang mit dem kredit- politischen Einsatz des Offenmarktinstruments schubartig in Größenordnungen hinein, die früher kaum vorstellbar gewe- sen sind. Die ständige Präsenz der Bundesbank an den Börsen führte mit anderen Worten im Laufe der Zeit zur Ausbildung eines weit greifenden, eigenständigen Interventionsinstru- ments, wobei schon die Rücksicht auf das stark gewachsene Interventionsvolumen eine ständige Ausrichtung der Strategie auch an kredit- und kapitalmarktpolitischen Erfordernissen nahelegt. Die Bundesbank folgt dem Grundsatz, möglichst alle Wertpapiergeschäfte über die Börsen vorzunehmen, um stets die Gewissheit zu haben, dass die Interventionen die größtmögliche Kurswahrheit und Transparenz herstellen. Andreas weiß, wovon er spricht. Er spielt auf dem Offen- marktinstrument virtuos und hat mit diesen Ausführungen den Börsianern gezeigt, wo hier die Kniffe liegen.

 

Gentlemen’s Agreements

 

Gegenüber der Rampe für die Makler inländischer Obligatio- nen arbeiten hinter einer ähnlichen Brüstung die „Ausländer.“ Es sind natürlich deutsche Makler, die hier agieren. Sie handeln aber mit ausländischen D-Mark-Anleihen. So komfortable

Kursstützungsaktionen wie bei den Bundesanleihen gibt es hier nicht. Nur die Deutsche Bank pflegt ihre beste Kundschaft. Alles Übrige bleibt der Entwicklung auf den Märkten überlas- sen. Geht es der D-Mark gut, florieren die Auslandsanleihen. Mickert die deutsche Währung im internationalen Kursver- gleich dahin, haben auch sie es schwer. Da aber die Bundes- bank in alles, was Geld heißt, die Nase stecken muss – das ist ganz gewiss ihre Pflicht – kann ihr die Entwicklung bei den Auslandsanleihen nicht ganz gleichgültig sein. So schließt sie zur Regelung dieser Märkte mit dem deutschen Bankgewerbe auch schon mal Gentlemen’s Agreements ab.

Der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giro-Verban- des hat das hässliche Kind dann auch beim Namen genannt. Helmut Geiger bezeichnete diese Art von Vereinbarungen der deutschen Banken mit der Bundesbank als eine subtile Form des Markteingriffes. Die Maßnahme, vorübergehend auf den Kapitalexport über DM-Auslandsanleihen zu verzichten, „ist insofern Gift“, meint Geiger. Das Haus Pöhl freut sich dage- gen: „Das Agreement hat erwartungsgemäß dazu beigetragen, den Kapitalabfluss zu begrenzen.“ In einem Schreiben an die

„sehr geehrten Herren“ des deutschen Kreditgewerbes bedan- ken sich Präsident Pöhl und Bundesbankdirektor Köhler für die Kooperation. Sie wollen auch künftig nicht ganz auf das

„Gift“ verzichten. „Angesichts der veränderten Zinssituation erscheint es uns nicht mehr notwendig, Sie um eine Verlänge- rung der mit uns getroffenen Absprache zur Begrenzung der langfristigen Auslandskreditgewährung zu bitten“. schreiben Pöhl und Köhler. „Wir würden es jedoch sehr begrüßen, wenn sich die deutschen Kreditinstitute auch künftig Zurückhal- tung bei Kreditgewährung an ausländische Kreditnehmer auf- erlegen würden.“

Für Realkreditinstitute, Hypothekenbanken zum Beispiel, gilt die dem Sinn nach gleiche Vereinbarung. Auch sie sollen die ihnen erlaubte Auslandskreditvergabe im Betrage von mehr als zehn Millionen Mark möglichst unterlassen. Zur marktwirtschaftlichen Ordnung aber, mahnt der Verband öffentlicher Banken, gehört freier Kapitalverkehr ebenso wie freier Güterverkehr. Dass die Bundesrepublik dieses Prinzip weiterhin strikt vertritt und auch in schwierigen wirtschaft- lichen Situationen durchzuhalten gedenkt, sollte gegenüber dem Ausland zufriedenstellend klargemacht werden. „Dazu gehört auch, dass die Kreditinstitute als unmittelbar Betrof- fene gegenüber ihren ausländischen Kunden nicht länger den Eindruck entstehen lassen können, sie trügen Kapital- verkehrsbeschränkungen auf der Basis eines Gentlemen’s Agreements“ mit. So die öffentlichen Banken.

Finanzplatz-Schachpartie: Börsianer sind die Bauern – die Bundesbank die Dame

Doch freie Vereinbarungen zwischen den feinen Bankherren haben in der Bundesrepublik schon eine längere Geschichte. Sie begleiten die Entwicklung des DM-Auslandsanleihe- Marktes schon seit 1968. Damals vereinbarte die Bundesbank mit den Emissionsbanken, dass sich fortan deutsche Institute nur noch an jenen ausländischen DM-Anleihen beteiligen, die unter deutscher Federführung begeben wer- den. Tatsächlich sind seither sämtliche DM-Auslandsanlei- hen von Deutschen gemanagt worden und werden in Frank- furt an der Börse gehandelt. Commerzbank-Vorstand Jürgen Reimnitz sieht ganz klar: „Die Bundesbank bezwecke mit diesem Agreement die Kontrolle über die wachsende inter- nationale Verwendung der D-Mark und die Sicherung ihres Einflusses auf Euro-DM-Anleihen.“ „Wir legen auf deutsche Konsortialführung wert“, betont Bundesbankdirektor Dr. Leonhard Gleske. „Auf diese Weise haben wir die Möglich- keit, zu einem gewissen Grade Einfluß auf den Markt zu nehmen.“ Tatsache ist, dass die deutschen Banken in den vergangenen Jahren DM-Auslandsanleihen auf dem so genannten Euro-Markt, also dem Kapitalmarkt, der zwi- schen den westlichen Ländern fließt, untergebracht haben, die sich in sehr hohen zweistelligen Milliarden-Beträgen bewegten. Heute sind von diesen Papieren rund 80 Milliar- den Mark im Umlauf. Dazu kommen die D-Mark-Bestände der Zentralbanken der westlichen Welt von rund 70 Milliar- den Mark. Somit hat die Bundesbank praktisch keinen Ein- fluss auf ein internationales DM-Volumen von 150 Milliar- den Mark, für das sie aber jede währungspolitische Verpflichtung hat. „Das ist eine schwere Bürde“, bemerkt Pöhl. Doch es stellt sich noch ein weiteres Problem.

In den vergangenen Jahren konnten ausländische Finanziers am deutschen Kapitalmarkt zusätzlich zum Zinsertrag hohe Wechselkursgewinne einheimsen. Das hat sich 1980 gewandelt. Derzeit bestehen international kaum Aufwertungserwartungen für die DM. Somit sinkt das ausländische Interesse an DM- Titeln. Mit ihrer vergleichsweise höheren Rendite traten 1980 die „DM-Ausländer“ in Konkurrenz zu Inlandsanleihen, die dann aber nicht mehr reibungslos abzusetzen waren. Reimnitz:

„Schwankungen in der Kaufneigung des Auslands können über die Rendite sehr wohl – wie in einem System kommunizieren- der Röhren – auf Inlandstitel zurück wirken. Außerdem bedeu- tete die Platzierung von DM-Auslandsanleihen am inländischen Rentenmarkt Kapitalexport, der die Leistungsbilanz ver- schlechtert. „Und hier wird der neuralgische Punkt der Bundes- bank berührt.“ Die Interdependenzen zwischen dem inländi- schen Kapitalmarkt, dem ausländischen Kapitalmarkt und den Devisenmärkten sind unglaublich komplex.

Auf jeden Fall wird die Bundesbank auch in Zukunft den Kapitalex- und -import genauestens beobachten. Sie muss es, weil das Wohl und Wehe der deutschen Leistungsbilanz auch davon abhängt. Trotz Fallenlassen des Agreements gab Pöhl deshalb den Banken in zwei Punkten nicht nach. „Bis auf weiteres möchten wir Folgendes verlängern“, diktiert der Bundesbankpräsident. „Die deutschen Kreditinstitute wer- den zum Zwecke der Mittelbeschaffung im Ausland keine – in der Bundesrepublik nicht übliche – Einlagenzertifikate ausgeben, die auf DM lauten. Sie werden ferner bei der Bege- bung eigener Schuldverschreibungen keine variable Zinszahlung (Koppelung der Verzinsung an einen anderen Zins oder an eine Rendite) vorsehen. Sie werden Ihre ausländischen Tochterinstitute dazu anhalten“, beschied Pöhl, „bei auf DM lautenden Geschäften entsprechend zu verfahren.“

Die für das Inland wie für das Ausland wichtigen Kapital- marktschachzüge, die die Finanziers in Deutschland, in Europa, in der ganzen Welt zu Gegenzügen veranlassen, werden in der Frankfurter Börse zuerst sichtbar, in einem Saal, der die Größe eine Klassenzimmers hat. Die Dame im Spiel ist die Bundesbank. Sie operiert meist mit den Türmen der Geschäftsbanken. Die Läufer, die öffentlichen Banken, kommen aber ebenso zum Einsatz wie die Rössl des übrigen Bankgewerbes. Die Börsianer sind in diesem Spiel die Bau- ern und der König die D-Mark.