KfW-Research: In Deutschland werden genug neue Wohnungen genehmigt – sie müssen nur gebaut werden
Frankfurt/Main (13.11.17) – Rund 278.000 neue Wohnungen sind im Jahr 2016 in Deutschland fertiggestellt worden – doch der Neubau bleibt weiter deutlich hinter der Nachfrage zurück, vor allem in den Ballungsgebieten. Im vergangenen Jahr wurden 90.000 bis 120.000 Wohnungen weniger fertiggestellt als erforderlich, um bestehende Wohnungsengpässe zu beseitigen. Eine aktuelle Analyse von KfW Research unter Beteiligung des Forschungsinstituts empirica belegt: Der anhaltende Trend zur Urbanisierung und Zuwanderung treiben den Neubaubedarf nach oben.
Kein Engpass hingegen besteht bei den Baugenehmigungen – über die
letzten Jahre hat sich ein Überhang von 600.000
Wohnungsbaugenehmigungen angehäuft, der auf Umsetzung wartet.
„In der öffentlichen Debatte wird der Schwarze Peter gerne den
Kommunen zugeschoben, deren langwierige Genehmigungsverfahren für den
Wohnungsmangel verantwortlich sein sollen. Einer empirischen
Überprüfung hält dieser Vorwurf jedoch kaum Stand. Das
Fertigstellungsdefizit entsteht vielmehr dadurch, dass genehmigte
Bauvorhaben oftmals nur mit Verzögerungen oder gar nicht
fertiggestellt werden“, kommentiert Dr. Jörg Zeuner, Chefvolkswirt
der KfW Bankengruppe.
Für die Verzögerung bei der Umsetzung von Baugenehmigungen gibt es
verschiedene Ursachen: So dauert der Bau von größeren
Mehrfamilienhäusern auch bei zügigem Baufortschritt oftmals länger
als 2-3 Jahre. Ebenso spielen Kapazitätsengpässe in der Bauwirtschaft
eine Rolle, die durch die anhaltende Hochkonjunktur am Bau seit
Jahren stark ausgelastet ist. Insbesondere in den großen
Ballungszentren zeigt sich außerdem das Phänomen, dass Investoren
Baugenehmigungen auf Vorrat einholen und die dahinterliegenden
Projekte zunächst nicht umsetzen, weil sie auf steigende Mieten und
Immobilienpreise in der Zukunft setzen.
Ohne Intensivierung der Bautätigkeit werden Wohnraumknappheit und
Mieten insbesondere in Berlin, Hamburg, München und dem
Rhein-Main-Gebiet in den nächsten Jahren weiter zunehmen. Bis 2020
wird die Bevölkerung im Bundesgebiet durch Arbeitnehmerzuzug
insbesondere aus EU-Mitgliedstaaten auf einen Spitzenwert von rd. 83
Mio. ansteigen, wodurch der Druck auf die Wohnungsmärkte vor allem in
Ballungsgebieten zunehmen wird. Um die Nachfrage nach neuen Wohnungen
auch längerfristig zu befriedigen, müssen bis 2030 4,4 Mio. neue
Wohnungen entstehen, rund die Hälfte davon dürfte auf Ein- und
Zweifamilienhäuser entfallen.
„Bereits der Abbau des bestehenden enormen Überhangs von
Baugenehmigungen würde erheblichen Druck von den angespannten
Wohnungsmärkten nehmen. Um die Situation mittel- bis längerfristig zu
verbessern, brauchen wir nicht nur Empfehlungen zur Senkung von
Baukosten, sondern auch Ideen für ganzheitliche Ansätze, um
Bauvorhaben grundsätzlich schneller umzusetzen“, sagt Zeuner.
Die aktuelle Analyse von KfW Research zeigt jedoch auch, dass sich
die Probleme auf den Wohnungsmärkten perspektivisch verschieben:
Während derzeit vor allem die akuten Engpässe in den Ballungszentren
im Zentrum der Diskussion stehen, werden ab dem nächsten Jahrzehnt
steigende strukturelle Leerstände in den Fokus der Betrachtung von
Wohnungspolitik und Kommunalentwicklung rücken: „Nach 2020 ist ein
Rückgang der Bevölkerung zu erwarten. Bei anhaltender Urbanisierung
dürfte steigender Wohnungsleerstand vor allem in strukturschwachen,
dünn besiedelten Gebieten die wirtschaftspolitische Herausforderung
des nächsten Jahrzehnts in Deutschland werden.“