Mario Draghi auf den Spuren John Laws / BIZ ein Gegenstück der EZB – Von Christoph Wehnelt

Frankfurt/Main (1.6.15) – In flotter Schreibe und mit historischer Akribie arbeitet nun in der FAZ (1.6.15 / S. 18) der Münsteraner Professor für Volkswirtschaft und Direktor am dortigen Centrum für angewandte Wirtschaftsforschung, Ulrich van Suntum, die Geldwirtschaft, die Inflationsmaschinerie der EZB auf und vergleicht ganz cool Mario Draghi mit John Law. Seine Gedankenführung ist bestechend. – Eine Gruppe Frankfurter Wirtschaftsfachleute und Journalisten befassen sich seit über 20 Jahren mit dem Law-Phänomen. Ihre Bibel ist ein Foliant mit Goldprägung aus der Zeit des Pariser Hazardeurs, erschienen 1720 in den Niederlanden: Het Groote Tafereel Der Dwaasheid. Schon darin ist alles Notwendige zum ausgeflippten Pariser Zeitgenossen gesagt.

 

John Law of Lauriston (Edinburg 16.4.1671 – 21.3.1729 Venedig)

Durch Glücksspiel „erarbeitete“ er sich in Paris ein Vermögen und wurde 1707 ein Freund Philipps von Orléans, des Regenten Frankreichs (ab 1715). Von 1716 an konnte er in Paris endlich seine geldpolitischen Ideen in die Praxis umsetzen. Er ist Begründer einer Theorie des „Kreditgeldes“, nach der nicht die im Wert schwankenden Edelmetalle Gold und Silber, sondern Grund und Boden als Wertmaßstab für das im Inneren eines Landes begebene Papiergeld zu verwenden seien. Als einer der Hauptaktionäre der von ihm kontrollierten Gesellschaften wurde er nicht nur schwerreich, sondern auch der Star von Paris. 1717 war eine (Londoner) Mordaffäre durch Begnadigung seitens des englischen Königs bereinigt worden, Ende 1719 konvertierte er zum katholischen Glauben. Bereits wenige Tage später wurde er zum Generalkontrolleur der Finanzen ernannt. In finanzieller Hinsicht war er damit der Herrscher Frankreichs und gleichzeitig – als Direktor der Mississippi-Compagnie – eines Drittels des nordamerikanischen Kontinents. Um seine gesellschaftliche Anerkennung zu stützen, gab er Unsummen für karitative Zwecke aus. Jedoch entpuppten sich seine Aktivitäten als Bankier und Finanzier des Staates als geldpolitische Katastrophe. Die so produzierte Inflationsmentalität hat sich in Frankreich und den romanischen Ländern, vorne dran Italien, bis in unsere Jahrzehnte gehalten. Deutschland nahm eine ganz andere Entwicklung.

Die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts ist von der monetären Seite kaum besser nachzuzeichnen als gemeinsam mit der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ). Mit ihr sollten die Kriegsschulden des 1. Weltkriegs geordnet und abgetragen werden. Gründungsvater Hjalmar Schacht, Reichswährungskommissar, hat 1923 mit der Schaffung der Rentenmark die Hyperinflation beendet. Von Stund an war die deutsche Stabilitätspolitik in den Köpfen und im Handeln von Wirtschaft und Staat verankert. Die BIZ wurde am 17. Mai 1930 im Rahmen einer Neuregelung der deutschen Reparationsverpflichtungen gegründet und ist somit die älteste internationale Finanzorganisation. Schacht ist 1970 in München gestorben.

Da gab es längst die Bank deutscher Länder / Bundesbank, deren Geldpolitik auf den Erfahrungen der Inflationsängste der Vorkriegszeit basierte, also stringent, stringent! Das Besatzergeld wurde abgeschafft, die Mark geschaffen. Es kamen gute Jahre. Die Zeit eilte. Alles wurde anders. Die D-Mark wurde verschenkt, der Euro kam. Trotz Maastricht usw. brachte die Euro-Währung unter dem romanischen Einfluss konträre Trends in die deutsche/europäische EZB-Politik, Geldschöpfung ohne Ende ganz gegen die Verträge. EU-politische Phantasien zerstörten die D-Mark und die unabhängige Geldpolitik zum Nachteil Deutschlands und Europas. Ohne Rückhalt in Berlin wird die Bundesbank seitdem mehr und mehr ausgespielt – bis heute. Die Frankfurter EZB realisiert nicht die in sie gesetzten Hoffnungen. Ihr Präsident Mario Draghi rangiert in der Klasse von John Law.

Die BIZ Bank für Internationalen Zahlungsausgleich hat dagegen Profil gewonnen. Basel als Sitz tut dem Institut gut. Der Verwaltungsratspräsident kommt derzeit aus Frankreich: Christian Noyer, der auch schon bei der Europäischen Zentralbank agierte. Spanien hält mit Jaime Caruana seit über einem Dutzend Jahren den Posten des Generaldirektors. Und genau zwischen diesen beiden Hierarchie-Ebenen ist Generalsekretär Hermann Greve (D) angesiedelt. Im Bundesbank-Magazin wurde die Institution vor einiger Zeit ausgiebig vorgestellt. Von ihrem architektonischen Aufbau her, aber insbesondere auch bezogen auf die weltwirtschaftliche Bedeutung. Dietrich Domanski (Administrative Committee) bereitet u.a. die zweimonatigen Sitzungen der Notenbankgouverneure der BIZ vor. Im Vorfeld trifft er sich gewöhnlich mit Generaldirektor Jaime Caruana und dem mexikanischen Notenbankgouverneur Augustin Carstens, der diese Sitzungen leitet. 85 Deutsche arbeiten in der BIZ.

Jens Ulrich kümmert sich um die Rentabilität der BIZ, schließlich ist sie eine Aktiengesellschaft, die Geld verdienen muss, um Dividenden für die 60 Aktionäre (Zentralbanken und zentralbank-ähnliche Institute) zahlen zu können und den eigenen Betrieb zu finanzieren. Die Gewinne fließen prima und das Risiko geht auf nahe Null. So steht das Baseler Finanzinstitut unglaublich robust und damit unabhängig in der globalen Finanzwelt. „Splendid isolation“ passt, wäre aber fast etwas zu wenig. Ganz eidgenössisch könnte hier von „bewaffneter Neutralität“ gesprochen werden. Für den Risikokontroller Ulrich ist die BIZ ein Mittelding zwischen Kreditgenossenschaft und Privatbank!

Gleichzeitig wurde die BIZ Mutter des globalen Geldwesens mit den 60 wichtigsten Notbanken der Welt und der trotz vieler Gegenkräfte noch recht einflussreichen Bundesbank im Herzen Europas. Der Turm zu Basel hat seine Position über die Jahrzehnte kontinuierlich gefestigt.

Die BIZ gilt als „Bank der Zentralbanken“ und nimmt eine Schlüsselrolle bei der Kooperation der Zentralbanken und anderer Institutionen aus dem Finanzbereich ein. Die Zentralbankgouverneure diskutieren fünf- bis sechsmal im Jahr vor allem Fragen der Konjunktur- und Finanzmarktlage sowie der internationalen Währungs- und Finanzstabilität. Ebenso ist das Sekretariat des Financial Stability Board (FSB) und der nach dem Zusammenbruch der Kölner Herstatt-Bank gegründete Basler Ausschuss für Bankenaufsicht bei der BIZ angesiedelt. Für Generalsekretär Greve war der ehemalige BIZ-Präsident Andrew Crockett der genialste Manager und weitsichtigste Erneuerer der Bank.

Neue Version der Baseler Bankenaufsicht (CBS 239) kostet Milliarden Regulierung beansprucht die Hälfte der Computerleistung

 

Rund 50 Prozent der Leistung ihrer IT-Systeme nutzen Banken und Versicherer inzwischen ausschließlich dafür, die Risiken ihres Geschäftes im Griff zu behalten. Künftig werden Computer noch stärker für diese Aufgaben gefordert. Denn ein neues großes Regulierungsprojekt kommt auf die Banken zu: BCBS 239. Es soll in Zeiten von globaler Wirtschaftsverflechtung und Hochfrequenzhandel dafür sorgen, dass die Institute ihre Risiken schneller erfassen können. Fest steht: BCBS 239 verursacht Gesamtkosten in Milliardenhöhe. Das zeigen Marktbeobachtungen der auf Finanzdienstleister spezialisierten Unternehmensberatung Cofinpro.

Auf die großen Banken kommen mit dem Projekt Kosten in dreistelliger Millionenhöhe zu, im Durchschnitt über alle Institutsgrößen in zweistelliger Millionenhöhe. „BCBS 239 wird in den kommenden Jahren zu den wichtigsten Regulierungsprojekten von Banken gehören und in den Bilanzen deutliche Spuren hinterlassen. Es stellt für viele Finanzdienstleister eine Herkulesaufgabe dar“, sagt Beate Sengle, Expertin für das Kreditgeschäft und regulatorische Themen bei Cofinpro. „So müssen die Institute künftig in der Lage sein, über alle Bereiche ihres Unternehmens hinweg einheitliche Risikoberichte quasi auf Knopfdruck zu erstellen.“

Denn künftig sind die Banken in der Lage, die finanziellen Folgen von Krisensituationen für das eigene Haus viel schneller und genauer zu erfassen als bisher. „Wie groß zum Beispiel bei einem Hochwasser die Kreditausfallwahrscheinlichkeit von Immobiliendarlehen in einer Region ist, musste bisher meist per Zuruf von mehreren Abteilungen ermittelt werden. Künftig müssen die Banken viel schneller erfassen können, wie sich eine Stresssituation auf die Ertragskennzahlen der eigenen Bank auswirkt.“

Aufsicht gehört immer schon zu Herausforderungen der BIZ. Das aber reicht nicht. Zu den zentralen Aufgaben der BIZ gehört auch, im Auftrag der Aktionäre wie der US-amerikanischen Fed oder der Europäischen Zentralbank (EZB) einen Teil von deren Reserven zu verwalten. Die BIZ managet zudem Teile der internationalen Währungsreserven mit einem Anlagekapital von weit über 300 Mrd. Euro. Weitere Aufgaben sind, als Zentrum für Forschung im Wirtschafts- und Finanzbereich zu agieren und sich weiter als Fachagentur für die Ausführung bestimmter spezifischer Vereinbarungen zu etablieren, die Bankmanager der Zentralbanken weltweit anwenden sollen.

Während die EZB und ihr derzeitiger Chef eher in der direkten Nachfolge von John Law gesehen werden können, so positioniert sich die BIZ als der echte Kontrapunkt dazu.

Christoph Wehnelt