GAM: Indiens Konsum-Boom treibt Aktienmärkte an

 

Zürich (21.11.17) – Mit einem Wachstum von rund 25 Prozent zählten Indiens Aktienmärkte im vergangenen Jahr zu den Top-Performern in den Schwellenländern. Die jüngsten politischen Reformen und eine wachsende, zahlungsfreudige Mittelschicht könnten diese positive Entwicklung weiter vorantreiben – davon ist Tim Love, Investment Director für Schwellenländeraktien bei GAM, überzeugt. „Bislang wurde Indien weltweit als starker Akteur in den Bereichen Generika, Beratungsdienstleistungen und Autoteile wahrgenommen. Nach dem Reformprogramm von Ministerpräsident Modi bieten jetzt breitere Bereiche der konsumorientierten Wirtschaft attraktive Risiko-Rendite-Profile, unter anderem Portfolioengagements in den Bereichen Hochzeiten, Süßwaren, Bollywood, Luxusreisen und Motorroller“, sagt Love.

 

Gold und Schokolade

Inder geben im Durchschnitt etwa ein Fünftel ihres lebenslang ersparten Vermögens für die Hochzeit ihres Sohnes oder ihrer Tochter aus. „So erstaunlich das auch klingen mag, die Zahlen sprechen für sich. Im Vergleich zum Vorjahr wuchs die Branche souverän von 25 Prozent auf 30 Prozent an. Bis 2019 wird der Markt voraussichtlich einen Wert von 50 Milliarden US-Dollar erreicht haben“, schätzt Love. Hier böten sich gleich mehrere Anlagechancen – die attraktivste läge jedoch in der Goldindustrie. „In Indien werden Hochzeitspaare traditionell mit Gold beschenkt. Allein diese Branche setzt pro Jahr über 400 Tonnen Gold um. Dementsprechend rechnen wir mit außerordentlichen Transaktionswerten am Goldmarkt, sollte das geschätzte Wachstum des Hochzeitsbereichs weiter anhalten“, so Love.

 

Die Hochzeitsbranche ist laut dem Experten aber nicht die einzige, die nie gekannte Höhen erreichen dürfte: „Indische Aktien werden von einer riesigen, jungen und zahlungskräftigen Mittelschicht unterstützt, die ihr Geld gerne für Luxusartikel ausgibt. Süßwaren sind kein Luxus mehr, den man sich einmal im Jahr leistet, sondern ein Genuss, den sich Inder jetzt regelmäßig gönnen“, fährt Love fort. Ein durchschnittlicher britischer Konsument kaufe derzeit sechs Kilo Schokolade im Jahr, Inder dagegen leisteten sich derzeit im Durchschnitt lediglich 0,15 Kilogramm. In Verbindung mit dem Konsumwachstum von 13 Prozent im Jahresvergleich böte dies eine unglaubliche Chance. Selbst die hohe Umsatzsteuer von 28 Prozent auf die süße Ware habe die Nachfrage bislang nicht dämpfen können.

 

Bollywood und Reisen

Die indische Reise- und Tourismusbranche habe unterdessen einen Umsatz von 112 Milliarden US-Dollar und damit rund 7,5 Prozent des indischen Bruttoinlandproduktes erreicht. „Wir nehmen an, dass sich dieser Wert bis 2024 verdoppeln wird“, so Love. Indische Reiseunternehmen profitierten von der wachsenden Anzahl der nunmehr zur Mittelschicht gehörenden Inder, die im Urlaub ins Ausland reisten. „Viele davon haben eine Vorliebe für Luxusziele wie Mauritius, Dubai und die Malediven entwickelt. Einige dieser Ferienziele haben sich inzwischen auch auf den indischen Geschmack eingestellt, zum Beispiel mit streng vegetarischen Speisen“, so der Experte weiter.

 

Die unter dem Begriff Bollywood bekannte indische Filmbranche dürfte ebenfalls explosionsartig weiterwachsen. Bollywood produziert mehr als doppelt so viele Filme wie das US-Pendant Hollywood, nämlich rund 800 pro Jahr. Die Branche zählt über zwei Milliarden leidenschaftliche Kinogänger. „Derzeit gehen 1,4 Prozent der indischen Bevölkerung regelmäßig ins Kino und geben dabei jedes Mal das Äquivalent eines Tagesverdienstes aus. Kombiniert man dies mit dem prognostizierten Wachstum von rund 30 Prozent bis 2020 und dem Anstieg des verfügbaren Einkommens der Mittelschicht, ist hier ein außerordentliches Umsatzwachstum zu erwarten“, so Love.

 

Wachstum durch mehr Mobilität

Zudem zählt Indien die weltweit größte Zahl an Motorrollern: Sie waren mit rund 16,5 Millionen im Jahr 2016 das beliebteste Fahrzeug der Inder. Und der Umsatz der Branche wird laut Love weiter wachsen: „Motorroller ermöglichen eine komfortable Mobilität in verkehrsdichten Innenstädten und werden auch bei Pendlern aus ländlichen Dörfern schnell immer beliebter. Da die städtische Bevölkerung bis 2030 voraussichtlich auf 41 Prozent der Gesamtbevölkerung – derzeit 1,3 Milliarden mit einem Wachstum von 1,2 Prozent jährlich – anwachsen wird, dürfte dies eine hohe Nachfrage nach diesem Fahrzeugtyp sicherstellen.“

 

Attraktiv, aber nicht frei von Herausforderungen

Die fundamentale Stärke der indischen Wirtschaft und attraktive Bewertungen machten Indien zu einem attraktiven Ziel für Investoren. Mit der kürzlich in Kraft getretenen Waren- und Dienstleistungssteuer (GST) habe die indische Wirtschaft einen wichtigen Meilenstein erreicht, der die Aktienmärkte bereits angekurbelt habe. Laut Aussagen des IMF werde die GST mittelfristig für einen Anstieg der indischen BIP-Wachstumsrate von derzeit 6,5 auf 8 Prozent sorgen.

 

Damit Indien jedoch auf lange Sicht ein attraktives Ziel für die Ansiedlung ausländischer Unternehmen bleibe, seien fortgesetzte Reformen der Corporate Governance und eine faire Behandlung ausländischer Unternehmen in historischen Steuerfragen erforderlich. „Indische Aktien als Anlageklasse sind nicht frei von Herausforderungen, doch bei einer umsichtigen Titelauswahl sollten sich damit weiterhin attraktive Erträge erzielen lassen“, schließt Love.