Wissmann: Deutsche Automobilindustrie bei Forschung und Entwicklung ganz vorn – BMBF-Zukunftskongress „Energieoffensive 2030“

 

Berlin (23.5.17) – „Die deutsche Automobilindustrie investiert in Forschung und Entwicklung weltweit 39 Mrd. Euro – doppelt so viel wie vor zehn Jahren. Von den gesamten FuE-Investitionen der deutschen Wirtschaft stemmt die deutsche Automobilindustrie rund 35 Prozent. Damit ist sie Spitzenreiter, weit vor anderen  Branchen. Über 110.000 Mitarbeiter sind in den FuE-Abteilungen deutscher Hersteller und Zulieferer beschäftigt“, betonte Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) und Vizepräsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), auf dem Zukunftskongress „Energieoffensive 2030“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) in Berlin.

 

Der wesentliche Investitionsschwerpunkt seien moderne Antriebstechnologien: „Allein für die Weiterentwicklung der Elektromobilität geben unsere Unternehmen bis zum Jahr 2020 insgesamt 40 Milliarden Euro aus. Dies ist eine große Kraftanstrengung. Denn die Milliardenaufwendungen müssen aus dem laufenden Geschäft erwirtschaftet werden, also aus dem Verkauf von Autos mit konventionellen Antrieben“, so Wissmann. Er verwies auf eine aktuelle ifo-Studie, wonach die deutschen Hersteller und Zulieferer internationale Spitzenreiter bei alternativen Antriebspatenten sind: Weltweit jedes dritte Patent im Bereich Elektromobilität (34 Prozent) und beim Hybridantrieb (32 Prozent) stammt aus Deutschland.

 

„Bis 2020 werden die deutschen Automobilhersteller ihr Modellangebot an E-Autos mehr als verdreifachen – von derzeit 30 Modellen auf knapp 100. Schon heute sind die deutschen Anbieter in den Märkten führend, in denen der Markthochlauf bereits besser gelungen ist“, betonte Wissmann. So lag der Elektro-Marktanteil deutscher Konzernmarken 2016 in Norwegen bei 58 Prozent, in Schweden bei 50 Prozent und in den Niederlanden sogar bei 65 Prozent. Bereits jedes fünfte E-Auto, das in den USA neu verkauft wird, kommt von deutschen Herstellern.

 

„Der jüngste Electric Vehicle Index von McKinsey zeigt, dass Deutschland hinter China aktuell auch der zweitgrößte Produzent von Elektrofahrzeugen ist – noch vor den USA. McKinsey geht davon aus, dass Deutschland in fünf Jahren sogar der größte Produzent von Elektroautos sein wird – mit 1,3 Mio. E-Autos deutlich vor den USA und China mit jeweils rund 850.000 Fahrzeugen“, sagte Wissmann.

 

Er rechnet damit, dass die Verkäufe von E-Modellen nach und nach steigen werden: „Bei allen neuen Technologien ist das Wachstum nicht linear, sondern steigt nach einer Anfangsphase progressiv an. Der Markt für Elektroautos wächst bereits heute viel stärker als der Pkw-Gesamtmarkt: In den ersten vier Monaten des laufenden Jahres erhöhten sich die Neuzulassungen von E-Pkw um gut 87 Prozent, während der Pkw-Gesamtmarkt um 3 Prozent zulegte. Im Jahr 2025 könnte der Anteil von Elektrofahrzeugen an den Neuzulassungen in Europa laut einzelnen Herstellern bei 15 bis 25 Prozent liegen“, unterstrich Wissmann.

 

Parallel dazu müsse die Ladeinfrastruktur auf- und ausgebaut werden: „Die Förderung der Bundesregierung in Höhe von 300 Millionen Euro von 2017 bis 2020 für den Auf- und Ausbau von Ladeinfrastruktur und der Aufbau von 400 Schnellladesäulen durch Tank & Rast an den Rastplätzen der Autobahnen bis Ende 2017 sind richtige und wichtige Schritte. Wir schätzen, dass so etwa 15.000 öffentliche Ladepunkte und einige Tausende Schnellladestationen aufgestellt werden können.“

 

Wissmann wies darauf hin, dass die deutschen Hersteller auch auf diesem Feld in die Offensive gehen: „Zusammen mit dem Ford-Konzern werden Daimler, BMW und Volkswagen mit seinen Konzernmarken Audi und Porsche in Europa ein Schnellladenetz an Autobahnen installieren. Diese Initiative zeigt, wie ernst es die deutschen Hersteller mit der Elektromobilität meinen und dass sie gewillt sind, dieses Projekt im Schulterschluss anzupacken. Damit ist klar: Der Umstieg auf die Elektromobilität ist in vollem Gange. Dabei geht es nicht nur um die Zukunft der Automobilindustrie – sondern auch um eine strategische Weichenstellung für den Technologie- und Industriestandort Deutschland.“

 

Neben der massiven Förderung alternativer Antriebe setze die deutsche Automobilindustrie weiterhin auf die Einsparung von fossilen Kraftstoffen durch die Optimierung von Benziner und Diesel. Wissmann betonte: „Moderne, besonders schadstoffarme Dieselmotoren bleiben aufgrund ihres geringen Verbrauchs mittelfristig ein unverzichtbarer Baustein, um die CO2-Ziele erreichen zu können.“ Sowohl beim Diesel als auch beim Benziner sei damit zu rechnen, dass deren Effizienz in den kommenden Jahren noch um mindestens 10 bis 15 Prozent gesteigert werden könne.

 

„Zugleich forschen wir intensiv an erdölunabhängigen ‚E-Fuels‘. Dies sind Kraftstoffe für Verbrennungsmotoren, die auf Basis regenerativer Energiequellen, wie Sonne oder Wind, produziert werden. Sie sind unter dem Strich klimaneutral, denn sie binden bei ihrer Produktion in etwa die CO2-Menge, die bei ihrer Verbrennung freigesetzt wird. ‚E-Fuels‘ bieten die faszinierende Perspektive, konventionelle Antriebstechnologien CO2-neutral zu betreiben. Sie können zu einer umfassenden Dekarbonisierung des Verkehrssektors beitragen, weil sie direkt im Bestand wirken“, so Wissmann.

 

„Mit ‘E-Fuels‘ können Überschusskapazitäten aus erneuerbaren Energien wie Wind- und Solarstrom bis zur tatsächlichen Verwendung gespeichert werden. So könnte überschüssiger Strom im Verkehr klimapolitisch sinnvoll genutzt werden. Mit dieser Verknüpfung würde der Verkehrssektor zu einem entscheidenden Element einer effektiven Energiewende. In einer solchen Sektorkopplung liegt letztlich der Schlüssel zur erfolgreichen vollständigen Dekarbonisierung des Verkehrssektors“, unterstrich der VDA-Präsident.

 

Die Technik dafür sei heute bereits verfügbar. „Allerdings bedarf es einiger Änderungen der Rahmenbedingungen, um eine Wettbewerbsfähigkeit am Markt zu ermöglichen und Investoren zum Aufbau einer europäischen Produktionskapazität zu motivieren. Entscheidend ist dafür – neben der Belastung durch Steuern und Abgaben in den einzelnen Mitgliedsstaaten – die Möglichkeit der Anerkennung von klimaneutral hergestellten Kraftstoffen auf die CO2-Flottenbilanz von Fahrzeugherstellern“, sagte Wissmann.

 

Ein weiterer Innovationsschwerpunkt der deutschen Automobilindustrie sei das vernetzte und automatisierte Fahren, unterstrich der VDA-Präsident: „Die deutsche Automobilindustrie hat einen Anteil von 58 Prozent an den weltweiten Patenten im vernetzten und automatisierten Fahren. Auch hier wollen wir weiter führend bleiben. Darum investiert die deutsche Automobilindustrie in den nächsten drei bis vier Jahren weitere 16 bis 18 Mrd. Euro in Technologien der Digitalisierung.“

 

Das automatisierte Fahren werde dazu beitragen, den Kraftstoffverbrauch und die Emissionen deutlich zu reduzieren, den Bedarf an Verkehrsfläche zu begrenzen und die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Wissmann: „Deshalb unterstützt die deutsche Automobilindustrie die Strategie der Bundesregierung, Deutschland zum Leitmarkt für vernetztes und automatisiertes Fahren zu machen. Die für das automatisierte Fahren getroffenen Regelungen im Straßenverkehrsgesetz (StVG) stellen Rechtssicherheit für Kunden und Fahrzeughersteller her. Dabei werden zu Recht hohe Anforderungen an die Fahrzeugtechnik, aber auch an die Informationspflichten der Fahrzeughersteller und Kunden formuliert.“