BMO Global Asset Management:

Die Märkte werden irrationaler

 

London (20.2.17) – Investmententscheidungen und insbesondere die Analyse von Unternehmensbewertungen werden zunehmend von verhaltensökonomischen Faktoren beeinflusst. Das verstärkt den Herdentrieb an den Märkten. „Der Einfluss des menschlichen Verhaltens auf die Märkte ist so hoch wie selten zuvor. Immer mehr Investoren laufen Gefahr, ihren eigenen irrationalen Entscheidungen zum Opfer zu fallen“, erklärt Sacha El Khoury, Fondsmanagerin und Expertin für europäische Aktien bei BMO Global Asset Management. Besonders besorgniserregend sei ein immer stärker werdender Trend zum sogenannten „anchoring“, bei dem Entscheidungsprozesse von irrelevanten Informationen beeinflusst werden.

 

Gerade in der alltäglichen Arbeit vieler Analysten ist diese Vorgehensweise fest verankert. Denn um Prognosen über zukünftige Unternehmenswerte zu erstellen, stützen sie sich auf Hochrechnungen. Diese Praxis birgt grundliegende Schwächen: So werden nicht nur fundamentale Branchenentwicklungen ignoriert, sondern auch irrationale Marktbewegungen gefördert. „In übermäßig euphorischen Phasen steigen so die Erwartungen, was die Kurse künstlich in die Höhe treibt. Gleichzeitig nimmt damit auch die Fallhöhe für potentielle Rückschläge zu“, erklärt El Khoury.  In stark pessimistischen Phasen hingegen würden sich Analysten auf einen Strom sensationalistischer Negativnachrichten fixieren, wodurch die Erwartungen auf ein unrealistisch tiefes Level gedrückt würden. El Khoury rät, bei der Titelauswahl nicht zu viel auf das aktuelle Marktsentiment zu geben. „Sektoren, die von einem Großteil der Anleger übersehen oder sogar bewusst gemieden werden, weisen häufig hochqualitative Titel auf, deren niedrige Bewertungen exzellente Chancen bieten“, so die Expertin.

 

Luxustitel – im Abwärtsstrudel gefangen?

Ein passendes Beispiel für die Auswirkungen des „anchoring“ ist die Baisse am Markt für Luxusgüter, der sich eigentlich durch liquiditätsstarke Unternehmen mit unglaublich hoher Preissetzungsmacht und hohen Gewinnen auszeichnet. Der Boom dieses Sektors fand ein abruptes Ende in 2013, als China seinen Anti-Korruptionskurs verschärfte und härter gegen vermeintliche „Zuwendungen“ vorging. Die Folge: Rund ein Drittel des Marktvolumens wurde vernichtet – vermutlich permanent. Die Branche hatte bis dahin von einem rapiden Wachstum im Einzelhandel und exzessiver Nachfrage auf dem chinesischen Markt profitiert. Aufgrund dieser langfristigen Wachstumsperiode stützten sich die Prognosen auf die zum damaligen Zeitpunkt konstant zweistelligen Wachstumsraten. Nicht wenige Marktteilnehmer wurden so in ihren hohen Erwartungen enttäuscht.

 

Die Langzeitfolgen zeigen sich beispielsweise am Schweizer Uhrenhersteller Swatch. In 2016 wurden 26,5 Prozent der sich im Streubesitz befindlichen Aktien leerverkauft. Noch im Januar 2017 war die Aktie der am vierthäufigsten leerverkaufte Titel im STOXX Euro 600. Das Unternehmen verlor in den vergangenen Jahren fast 45 Prozent seines Börsenwertes. Ein unglaublicher Tiefflug, insbesondere für ein Unternehmen mit so starken Wettbewerbsvorteilen: Preissetzungskraft, ein Quasi-Monopol am Schweizer Uhrenmarkt, ein exzellentes Management und eine starke Liquiditätsrate. Trotz dieser komfortablen Ausgangslage könnte Swatch zu seinem derzeitigen Marktvolumen nicht einmal seine Kapitalkosten für die kommenden fünf Jahre decken. Mit seinen starken Wettbewerbsvorteilen dürfte Swatch diese zyklische Schwäche hinter sich lassen und zurück zu strukturell verbesserter Profitabilität finden können. Zum jetzigen Zeitpunkt sind diese positiven Aussichten allerdings nicht eingepreist.

 

Fokus auf Fundamentaldaten

Benjamin Graham, der gemeinhin als Vater des Value Investing gilt, gab sinngemäß zu verstehen, dass man keine Information über das exakte Gewicht einer Person benötige, um einschätzen zu können, ob diese über- oder untergewichtig sei. Genauso scheint es naheliegend, dass Prognosen und Analysen zu Einzeltiteln aussichtslos und nicht zielführend sein können: Der Gewinn eines Investments hängt in erster Linie vom Preis ab, der zu Beginn bezahlt wurde. Um verhaltensökonomische Fallen zu vermeiden, bietet sich ein fundamentales Bottom-up Stock-Picking an: Dabei sollten Investoren den Fokus auf qualitative Unternehmen mit effektivem Management legen. El Khoury und ihr Team sind davon überzeugt, dass solche Titel auf lange Sicht die bessere Performance liefern werden.