Vermögensverwalter treten gegen ESMA an

Frankfurt/Main (18.1.17) – Die geplanten Guidelines der ESMA (European Securities and Markets Authority) zu Product Governance sehen vor, dass bestimmte Anlageinstrumente nur noch an zuvor definierte Zielgruppen veräußert werden. Die ebenfalls von den Guidelines betroffenen Vermögensverwalter wehren sich gegen dieses Vorhaben, da die ESMA zwei wesentliche Punkte falsch eingestuft hat: Erstens ist aus portfoliotheoretischen Gesichtspunkten die geplante Vorgehensweise sinnlos, da eine Einzelproduktbetrachtung den wissenschaftlichen Erkenntnissen widerspricht. Zweitens weisen die Guidelines dem Vermögensverwalter die Rolle eines „Vertrieblers“ zu, die er aber nicht hat.

Die Vermögensverwalterbranche fühlt sich in das Theaterstück „Warten auf Godot“ von Samuel Beckett versetzt und wartet kollektiv auf eine ähnliche Sinnlosigkeit. Am 5.1.2017 lief die Frist der europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde (ESMA) betreffend der Guidelines zu „Product Governance“ aus, innerhalb der u.a. Verbände ihre Stellungnahme abgeben konnten. Der Verband unabhängiger Vermögensverwalter Deutschland e.V. (VuV) hat dies wahrgenommen und erachtet das Konzept als solches für den normalen Vertrieb durchaus als plausibel. Ein Produktsteuerungsmechanismus zwischen Emittent und Vertrieb kann durchaus dazu beitragen, dass Anlageinstrumente nur noch an die passenden Zielkunden veräußert werden. Emittent und Vertrieb bestimmen unter Berücksichtigung vorgegebener Kriterien die Zielmärkte für die jeweiligen Produkte.

Der Konstruktionsfehler des ESMA-Konzepts besteht jedoch darin, dass es auch den Vermögensverwalter als Vertreiber der in der Vermögensverwaltung zum Einsatz kommenden Finanzinstrumente ansieht. Die Konsequenz aus dieser Fehleinstufung wäre, dass er zusätzlich zum Emittent die für seine Anlagewelt entsprechenden Zielmärkte konzipieren müsste.

Dies ist aus unserer Sicht jedoch völlig verfehlt, da der Vermögensverwalter nicht Finanzinstrumente vertreibt, sondern diese für seinen Auftraggeber in dessen Namen und in seinem Interesse erwirbt. Er steht damit in dessen Lager und nicht im Lager des jeweiligen Emittenten.

Hinzu kommt, dass eine Betrachtung des Risikos einzelner Anlageinstrumente im Rahmen eines auf Diversifikation und somit aus Risikostreuung angelegten Portfoliomanagements schon im Ansatz unsinnig ist. In einem Portfolio sind die Risikobeiträge der einzelnen Anlageinstrumente aufgrund der Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Produkten grundsätzlich anders zu verstehen als bei einer Einzelanlage.

Von juristischen Argumenten oder Angemessenheitsüberlegungen lassen sich die Normsetzungsorgane im Regelfall leider nur wenig beeindrucken. Um hier höheres Gewicht in die Waage zu legen, hat der VuV das Gutachten des Ökonomen Prof. Dr. Bernd Rudolph (LMU) in Auftrag gegeben, in dem aus wissenschaftlicher Sicht belegt wird, dass die der Product Governance zugrundeliegende Einzelproduktbetrachtung den Erkenntnissen der Portfoliotheorie (Markowitz) widerspricht.

Den im Rahmen mit der geplanten Gesetzesinitiative einzig sinnvollen Weg hat die ESMA aber nicht gesehen. Einzuräumen ist nämlich, dass bei der Konzeption der Anlagestrategien mangels rechtlicher Vorgaben gewissermaßen Wildwuchs herrscht. Ein Branchenstandard besteht nicht. Während einige Institute sich in ihren Anlagestrategien sehr detaillierte Grenzen für die Asset-Allocation setzen, sind die Anlagestrategien anderer Institute deutlich wenig konkretisiert. Um hier Missbrauch und Beliebigkeit zu vermeiden, hat der VuV angeregt, eine Diskussion zur Regulierung der Anlagestrategien aufzunehmen.

Anders als Godot, auf den die Protagonisten bei Beckett letztlich vergeblich warten, wird ESMA den Final Report aber im ersten Halbjahr bekannt geben. Abzuwarten bleibt, ob nochmals Bewegung reinkommt oder ob Vermögensverwalter die für sie sinnlose Product Governance als weitere bürokratische Last auch noch umsetzen müssen.