Credimundi : Ägyptens Wirtschaft profitiert nicht

von politischer Stabilität

 

 

Frankfurt/Main (3.12.16) – Seit dem Amtsantritt von Präsident Al-Sisi vor zwei Jahren ist Ägypten zwar politisch stabil, wirtschaftlich bleibt das Land aber auf der Strecke. So haben Unterdrückung, Terroranschläge und die schlechte makroökonomische Politik dramatische Auswirkungen auf den Tourismus, der seit 2016 auf den tiefsten Stand seit zehn Jahren gesunken ist und eine der wichtigsten Deviseneinnahmequellen des Landes darstellt. Denn seit der Absetzung des vorherigen Präsidenten Mohammed Mursi wird hart gegen die Muslimbruderschaft vorgegangen – was die Zahl der terroristischen Anschläge in die Höhe treibt und sich negativ auf den Tourismussektor auswirkt. Und die jahrelangen politischen Turbulenzen, Investitionsrückgänge und Devisenbeschränkungen haben die Wirtschaft Ägyptens ins Schlingern gebracht. Seit Beginn des Arabischen Frühlings liegt das jährliche Wachstum bei durchschnittlich 2,7 Prozent, während es zwischen 2000 und 2010 einen jährlichen Durchschnittswert von 5 Prozent erreichte. 

 

Währungsreserven haben sich mehr als halbiert

 

Zudem hat sich die Lage auch in Sachen Währungsreserven erheblich verschlechtert. So wurde der Wechselkurs jahrelang auf einem überbewerteten Niveau gehalten, damit das Preisniveau der Grundbedarfsgüter nicht steigt. Unruhen konnten damit zwar vorerst eingedämmt werden, in der Folge gingen aber die Währungsreserven um mehr als die Hälfte zurück. Während im Haushaltsjahr Juli 2009 und Juni 2010 noch 5,8 Monatsimporte abgedeckt werden konnten, reichten die Reserven im Juni dieses Jahres nur noch für 2,3 Monatsimporte. Und die Kombination vom überbewerteten Wechselkurs und den niedrigen Währungsreserven führte zu einem allgemeinen Mangel an Produkten des täglichen Bedarfs wie etwa Zucker, Säuglingsmilch und Reis. Vor dem Hintergrund des zunehmenden Drucks auf den Wechselkurs gab die ägyptische Zentralbank die Freigabe der Währung bekannt, woraufhin das Pfund um etwa 50 Prozent abstürzte. „Dieser Schritt senkt zwar den Druck auf die Währungsreserven, gleichzeitig dürfte mit der Erhöhung der Importpreise aber auch die Inflation weiter ansteigen“, sagt Christoph Witte, Chef des belgischen Kreditversicherers Credimundi. Der IWF erwartet bis Juni 2017 eine Inflationsrate von mindestens 16,5 Prozent.

 

Bekämpfung der strukturellen Defizite erfordert weitere Reformen

 

Zudem dürfte die Freigabe des ägyptischen Pfundes kurzfristig auch die Haushaltsbilanz verschlechtern, da der Staat Hauptimporteur von Nahrungsmitteln und Kraftstoff ist. Dabei kämpft Ägypten ohnehin schon mit einem hohen Haushaltsdefizit, welches bis Juni 2017 voraussichtlich bei rund 9,7 Prozent des BIP liegen wird. „Reformen zur Senkung des Defizits sind daher unerlässlich“, so Witte. Ägypten hat bereits die Strompreise um 20 bis 40 Prozent und die Benzinpreise um 47 Prozent erhöht, zudem wird seit September 2016 ein Mehrwertsteuersatz von 13 Prozent angewendet. „Das wird aber nicht reichen – es sind weitere Reformen notwendig. Die Haushaltskomsolidierung dürfte jedoch schmerzliche Maßnahmen und weitere Subventionskürzungen mit sich bringen und damit die öffentliche Unzufriedenheit zusätzlich verschärfen“, sagt Witte. Zu den strukturellen Defiziten der ägyptischen Wirtschaft gehört aber nicht nur das Haushaltsdefizit, sondern auch das Leistungsbilanzdefizit. Neben den sinkenden Tourismuseinnahmen belasten die erhebliche Abnahme von Überweisungen in den Golfstaaten arbeitender Ägypter sowie die sinkenden Einnahmen aus dem kürzlich erweiterten Suezkanal infolge des zurückgehenden Welthandels das Leistungsbilanzdefizit zunehmend. Somit dürfte das Leistungsbilanzdefizit bis Juni 2017 über 50 Prozent der Leistungsbilanzeinnahmen erreichen.

 

Credimundi schätzt das kurzfristige politische Risiko von Ägypten als relativ hoch ein (5 auf einer Skala von 1 bis 7). Das Geschäftsrisiko wird als sehr hoch bewertet (C auf einer Skala von A bis C).