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Strahlemänner: Gerhard Grandke, geschäftsführender Präsident des Sparkassen- und Giroverbandes Hessen-Thüringen (rechs), Verbandesgeschäftsführer Thomas Wagner (Mitte) und Verbandsgeschäftsführer Klaus Reusch (links) – Foto: PK

Sparkassen, Herzogin Anna Amalia

und der 500-Millionen-Puffer

 

Weimar/Frankfurt/Main (20.9.2016)/PK – Mit 19 Jahren Witwe zu werden, ist schrecklich.  Genau dieses Schicksal ist  Herzogin Anna Amalia von Sachsen-Weimar-Eisenach in der Mitte des 18. Jahrhunderts widerfahren, in einem Alter, in dem sie bereits Mutter zweier Söhne war. Ihr Mann, Herzog Ernst August II, war mit nur 21 Jahren gestorben. Wohlweislich hatte er testamentarisch festgelegt, dass seine Frau in die Rolle der Herzogin schlüpfen möge. – Anna Amalia: jedem fällt dabei die ihretwegen erbaute weltberühmte Bibliothek in Weimar ein. 2004 durch einen verheerenden Brand zum Großteil zerstört, ist das im Rang eines Weltkulturerbes stehende Bibliotheks-Gebäude am Platz der Demokratie längst wiederaufgebaut worden. Auch dorthin, und nun schlage ich den Bogen zu den Sparkassen, auch dorthin hatte der Sparkassen- und Giroverband Hessen-Thüringen, der SGVHT, am zurückliegenden Wochenende eine Journalisten-Gruppe eingeladen. Dabei stand natürlich nicht sighseeing in Weimar im Mittelpunkt der Thüringen-Tour, sondern die aktuelle Lage und Aussicht der 50 im SGVHT gebündelten Sparkassen. – Ums kurz zu machen: Das Geschäftsjahr 2016 ist nach den Worten des geschäftsführenden Präsidenten des SGVHT, Gehard Grandke, gut angelaufen.

Warum Grandke diese Zwischenbilanz zog, dazu gleich mehr. Zunächst aber greife ich das Stichwort „500-Millionen-Puffer“ auf. Dahinter verbirgt sich eigentlich eine Bürde, eine Last, die Deutschlands Sparkassen ihren Kunden abnehmen. Denn wegen der Negativ-Zinsen, die die Europäische Zentralbank inzwischen eingeführt hat, schultern Deutschlands Sparkassen eine Last in der Größenordnung von 500 Millionen Euro, weil sie – zum allergrößten Teil – darauf verzichten, ihren Kunden Negativzinsen zu berechnen. Täten Sparkassen dies, müßten allein die Sparkassenkunden nach den Schätzungen von Gerhard Grandke rund 500 Millionen Euro an Zinslasten tragen. Dass die Sparkassen nun über höhere Gebühren versuchen, die 500-Millionen-Last doch irgendwie ihren Kunden aufzubürden, steht auf einem ganz anderen Blatt.

Nun zu den Gründen, warum SGVHT-Präsident Gerhard Grandke – trotz des Null- und Negativ-Zins-Kurses der Europäischen Zentralbank – von einem „gut angelaufenen“ Geschäftsjahr 2016 gesprochen hat.  Sie werden in der Pressemitteilung des SGVHT zusammengefaßt. Dort heißt es:  „Wir konnten unser Einlagengeschäft in den ersten sechs Monaten stabil halten und unser Kreditgeschäft mit Kunden weiter ausbauen. Auf der Ertragsseite werden unsere Sparkassen laut Prognoserechnung 2016 trotz sinkender Betriebsergeb nisse wieder ein auskömmliches Resultat erzielen“, zeigte sich Gerhard Grandke, Geschäftsführender Präsident des Sparkassen- und Giroverbandes Hessen-Thüringen, mit der Halbjahresbilanz insgesamt zufrieden.

Bilanzsumme steigt leicht

Die Bilanzsumme der 50 Mitgliedsinstitute ist zum 3 0. Juni 2016 leicht um 59 Mio. € bzw. 0,1% auf 116,8 Mrd. € gestiegen. Für das Wachstum zeichnete vor allem das Kundengeschäft auf der Aktivseite verantwortlich. Das Interbankengeschäft wurde dagegen von den Instituten in der Summe zurückgefahren. Das Kundenkreditgeschäft der Sparkassen hat sich im ersten Halbjahr 2016 sehr dynamisch entwickelt. Über alle Kundengruppen hinweg sind die Ausleihungen um insgesamt 1,2 Mrd. € bzw. 1,8% auf 69,9 Mrd. € gewachsen. Auch das Neugeschäft bewegt sich auf sehr hohem Niveau. So sind die Darlehensauszahlungen seit Jahresbeginn insgesamt um 3,6% auf 5,6 Mrd. € nach oben gegangen. Die Darlehenszusagen knüpften mit 6,2 Mrd. € fast nahtlos an den hohen Vorjahreswert an (-0,6%).

Mehr Firmenkundenkredite

Auf die Ausleihungen an die öffentlichen Haushalte entfiel ein Bestandswachstum von 162 Mio. € bzw. 2,6% auf 6,5 Mrd. €. Im Kreditgeschäft mit Unternehmen und Selbständigen erhöhte sich derBestandin den ersten sechs Monaten des Jahres 2016 trotz derpolitischen und wirtschaftlichen Unsicherheit in der Welt um507 Mio. € bzw. 1,7% auf 31,0 Mrd. €. Im Neugeschäft mitFirmenkunden gingen die Darlehenszusagen aber leicht um 3,3%zurück.

Bei den Privatpersonen konnten die Sparkassen in Hessen undThüringen ihr Kreditgeschäft um 389 Mio. € bzw. 1,3% auf 30,5 Mrd. €ausbauen. Treiber waren hier einmal mehr die Baufinanzierungen, bei denen die Bestände um 543 Mio. € bzw. 2,1% höher ausfielen als zuJahresbeginn.
Wohnimmobilienkreditrichtlinie sorgt für Zurückhaltung
Das Neukreditgeschäft im privaten Wohnungsbau präsentierte sich nicht zuletzt wegen der Umsetzung der europäischen Wohnimmobilienkreditrichtlinie im März 2016 gespalten: Während sichdie Darlehenszusagen im ersten Quartal 2016 um 10,2% verbesserten,schlug im zweiten Quartal ein Minus von 11,6% zu Buche.
„In Deutschland gab es im Gegensatz zu Spanien oderIrland keine Immobilienkrise. Dennoch haben wir jetzt bei uns bei derKreditwürdigkeitsprüfung mit die striktesten Regeln. Die Institutemüssen deutlich stärker als bisher auf das perspektivisch verfügbare Einkommen des Kreditnehmers und weniger auf die Sicherheit der Immobilien abstellen. Da niemand über eine Glaskugel oder App verfügt, mit der man verlässlich die Zukunft vorher sagen kann, ist das gerade in der Baufinanzierung mit ihren langen Laufzeiten schwierig.

Die zusätzlichen Prognose- und Dokumentationspflichten haben bei manchen Instituten erst einmal zu einer verständlichen Zurückhaltung in der privaten Wohnungsbaufinanzierung geführt. Inzwischen haben Baufinanzierungen als Wachstumstreiber bei PrivatkreditenZusätzliche Prognose-und Dokumentationspflichten haben beimanchen Instituten erst einmal zu einer verständlichen Zurückhaltung in der privaten Wohnungsbaufinanzierung geführt. Inzwischen haben sich die Zahlen in unserem Verbandsgebiet aber schon wieder eingependelt. Im Juni haben unsere Darlehenszusagenim privaten Wohnungsbau das März-Niveau fast schon wieder erreicht“, hobGrandke hervor.

Einlagen: Sparkassenkunden sparen trotz Dauerniedrigzinsen
Im Einlagengeschäft lagen die Kundenverbindlichkeiten der Sparkassen im ersten Halbjahr 2016 mit 91,3 Mrd. € fast so hoch wie zu Jahresbeginn (-304 Mio. € bzw. -0,3%). „Das zeigt,dass sich unsere Kunden auch von der Dauerniedrigzinsphase nicht beirren lassen, sondern konsequent weitersparen. Unsere hohen Einlagenbestände sind deshalb auch ein Ausdruck des Vertrauens, das unsere Sparkassen als Marktführer bei den Kunden genießen. Dieses Vertrauen wirkt wie ein starkes Immunsystem gegen Lockvogelangebote wie manche Mittelstandsanleihen. Im Niedrigzinsumfeld hören sich jährliche Renditen von 6,7 oder gar 8 Prozent natürlich traumhaft an. Diese Renditeversprechen werden aber zum Alptraum, wenn man nach ein paar Jahren wegen der Pleite des Emittenten nur noch einen Bruchteil des Anleihewertes zurückbekommt“, warnte Grandke.
Bei den Kundeneinlagen der Sparkassen im Verbandsgebiet hat sich auch im ersten Halbjahr 2016 der Trend in Richtung kurzfristige Gelder fortgesetzt. Die Täglich Fälligen verzeichneten ein Plus von 1,4% und machen jetzt zwei Drittel aller Einlagengelder aus. Dagegen sind die Termingelder um 18,6%, die Eigenemissionen um 6,8% und die Spareinlagen um 2,1% gesunken.
Ertragsprognose 2016: Sinkendes, aber auskömmliches Betriebsergebnis
Laut Prognosesystem wird der Zinsüberschuss der Sparkassen in Hessen und Thüringen 2016 spürbar zurückgehen. Der Provisionsüberschuss wird zulegen. Auch beim Verwaltungsaufwand wird mit einem Zuwachs gerechnet. Das Bewertungsergebnis gestaltet sich derzeit unauffällig. In der Summe wird das Betriebsergebnis vor und nach Bewertung deutlich niedriger als im Vorjahr liegen.