Roland Berger-Studie:

Quo vadis, Privatbank?

 

München (24.8.16) – Umfassende quantitative Analyse der Schweizer und Liechtensteiner Privatbanken zeigt in den vergangenen fünf Jahren klare Gewinner und Verlierer:

– Langfristiger Wachstumstrend der Kundenvermögen 2015 unterbrochen

– 88 Milliarden CHF Nettoneugeld 2015 sind der niedrigste Wert der

vergangenen fünf Jahre – Wachstumsbeitrag sinkt kontinuierlich

– Bei fast 50 Prozent der Privatbanken schrumpfen die angelegten

Vermögen (AuM) oder es gibt sogar Nettoabflüsse

– 75 Prozent der Privatbanken weisen niedrigere Erträge und/oder

Bruttomargen auf

– Es gibt klare Gewinner und Verlierer: der „100er-Klub“ legt mächtig

zu, mittelgroße Privatbanken als Segment auf dem absteigenden Ast

– Drei Strategieoptionen für eine erfolgreiche Gestaltung der Zukunft

– Die Beschäftigtenzahl in der Branche nimmt ab, besonders in der

Schweiz, da Aufbau von Personal vor allem im Ausland erfolgt

 

Bis zum Ausbruch der Finanzkrise zeichnete sich das Schweizer und Liechtensteiner Privatbanken-Universum durch überschaubare Regulierung und fast garantiertes jährliches Wachstum auf hohem Profitabilitätsniveau aus. Doch seit rund zehn Jahren stehen die Zeichen auf Veränderung. Das zeigt die neue Studie „Quo vadis, Privatbank?“, für die Experten von Roland Berger die knapp 60 größten Schweizer und Liechtensteiner Privatbanken über den Fünf-Jahres-Zeitraum 2011 bis 2015 umfassend quantitativ analysiert haben.

 

Langfristiger Wachstumstrend unterbrochen – Nettoneugeld rückläufig

 

„Insgesamt haben sich die Privatbanken in der Schweiz und in Liechtenstein in den vergangenen fünf Jahren verhalten positiv entwickelt“, sagt Robert Buess, Partner und Private Banking-Spezialist bei Roland Berger in Zürich. „Es wird aber immer schwieriger, weiteres Wachstum und höhere Gewinne zu realisieren.“

Ein leichter, knapp zweiprozentiger Rückgang der Assets under Management (AuM) im Jahr 2015 hat eine Entwicklung unterbrochen, die zwischen 2011 und 2014 einen stetigen Anstieg der Kundenvolumina mit sich brachte. Auch beim Nettoneugeld zeigt sich ein klarer Dämpfer.

Mit knapp 88 Milliarden Schweizer Franken (ein Minus von fast 20 Prozent gegenüber 2011) wurde 2015 der geringste Wert der vergangenen fünf Jahre realisiert. Zusätzlich schrumpft die Bruttomarge auf mittlerweile noch 86 Basispunkte. „Drei Viertel aller Privatbanken haben in den letzten fünf Jahren einen Rückgang bei den Erträgen und/oder der Bruttomarge verzeichnet“, sagt Markus Strietzel, Partner und Co-Head Financial Services von Roland Berger. „Die Cost-Income-Ratio blieb allerdings dank bereits ergriffener Kostenmaßnahmen mit einem Wert von rund 79 Prozent stabil.“

 

Schweizer Private Banking wird zur Zweiklassengesellschaft

 

Wer sind nun die Gewinner und Verlierer der vergangenen fünf Jahre?

Laut der Roland Berger-Studie dominieren weiter die beiden Schweizer Großbanken die Branche durch ihre schiere Größe – Kundenvermögen sowie Erfolgsrechnung – und globale Reichweite, nicht aber bei Wachstum, Bruttomarge und Effizienz. „Unsere quantitative Analyse zeigt klar, dass die großen Privatbanken – das sind solche mit AuM von mehr als 100 Milliarden Franken – nach signifikanten Zukäufen und starkem organischen Wachstum die Gewinner sind. Erfreulicherweise zeigen sich aber auch viele der kleinen und kleinsten Privatbanken robust und wachstumsstark“, sagt Buess. „Zu den klaren Verlierern zählt dagegen die Gruppe der mittelgroßen Privatbanken mit AuM zwischen 25 und 100 Milliarden Franken, und dort vor allem die Private Banking-Geschäftseinheiten der größeren Auslandsbanken.“

Deren Problem des „stuck in the middle“ ist aus der Studie klar ersichtlich, doch auch hier gibt es Ausnahmen. Laut Strietzel ist die Größe eines Instituts kein Muss für den Erfolg: „Es gibt attraktive und erfolgreiche Nischen sowie passende Geschäftsmodelle, und es gibt Gewinner und Verlierer in jedem Größensegment.“

 

Drei strategische Stoßrichtungen im Fokus

 

Ohne aktive, bewusste Gestaltung ist zukünftiger Erfolg nicht möglich. Laut der Roland Berger-Studie ergeben sich für Privatbanken drei strategische Stoßrichtungen, die hohes Potenzial für zukünftigen Erfolg haben: Erstens „Volle Kraft voraus“, zweitens „Wachstum und Konsolidierung auf hohem Niveau“ und drittens „Fokussierung und Rentabilisierung“. „Die Privatbanken müssen ihre Geschäftsmodelle neu definieren und ihre Operating-Modelle den neuen Gegebenheiten anpassen“, sagt Strietzel. Besonders wichtig sei es außerdem für jedes Institut, rasch die richtigen individuellen Antworten auf das Thema Digitalisierung zu finden. Denn die habe das Potenzial, die Branche nachhaltig zu verändern. „Die digitale Lücke zwischen den Polen der Schweizer Privatbanken ist groß. Dabei bietet das Thema auch Privatbanken große Chancen, wenn es institutsspezifisch richtig umgesetzt wird“, so Strietzel.

 

Einmaliges Universum der Schweizer Privatbanken

 

Kein anderes Land der Welt verfügt über eine derart hohe Anzahl von Privatbanken – oder Banken, die Private Banking betreiben – wie die Schweiz und Liechtenstein. Gleichzeitig ist die Branche sehr heterogen und hoch konzentriert. Über 80 zum Teil renommierte Namen sind allein in den vergangenen zehn Jahren vom Markt verschwunden.

Insgesamt beschäftigt die Branche rund zehn Prozent weniger Mitarbeiter als vor fünf Jahren. Die Schweiz ist hiervon besonders betroffen, da neue Stellen von zahlreichen Instituten überwiegend im Ausland geschaffen wurden und werden. Laut den Roland Berger-Experten wird sich dieser Konsolidierungsprozess auch in den nächsten Jahren fortsetzen.